LION’S LAW

Foto

Könige der Oi!-Monarchie

LION’S LAW stehen kurz vor der Auslieferung ihres aktuellen Sturmbringers auf Contra Records/UVPR Vinyles, von dem erneut eine lückenlose Aufarbeitung der 4 SKINS-, BLITZ-, CRIMINAL CLASS- und THE STRIKE- Historie im „Chaos En France“-Modus zu erwarten ist. Als unstudierter Schichtsklave des hiesigen Entlohnungssystems begab ich mich in ein Gespräch mit den Working Class-Herren von der Seine, das musikalische Einflüsse und liebgewonnene Trinkgewohnheiten außen vor lässt, stattdessen Standpunkte klarstellt und sich mit dem Kern des „Carry On Oi!“-Dampfhammers auseinandersetzt. Gitarrist Daick hat unsere Fragen beantwortet.

Daick, seit eurer Gründung vor vier Jahren habt ihr euch innerhalb der Szene einen enorm hohen Status erspielt. Neben Gigs überall in Europa hat es euch schon in die USA und nach Kolumbien verschlagen, demnächst steht eine Tour in Japan an. Wie erklärt ihr euch diesen Erfolg?

Zunächst hatten wir wohl ich einfach eine Menge Glück. Zweitens versuchen wir immer ehrlich zu sein, uns so zu zeigen, wie wir sind. Wir geben für jeden Gig alles, dieselbe Energie, dieselbe Leidenschaft, egal, ob wir in einem kleinen Club spielen oder irgendwo auf einer größeren Bühne stehen. Vielleicht ist das der Grund, vielleicht ist es auch nur die Tatsache, dass wir, wie gesagt, einfach Glück hatten. Ich weiß es selbst nicht ganz genau, aber so oder so sind wir unglaublich froh und dankbar, dass wir das alles erleben dürfen.

Was für Erfahrungen habt ihr auf euren Reisen bisher gemacht und welche Unterschiede zwischen den Szenen sind euch dabei aufgefallen?

Zum größten Teil haben wir tatsächlich nur gute Erfahrungen gemacht, sicherlich einige besser als andere, aber wirklich schlechte waren eigentlich nie dabei. Was die Unterschiede angeht, das ist eine schwierige Frage, da wir uns ja alle in irgendeiner Form voneinander unterscheiden und sich das mit den Szenen natürlich ebenso verhält. Es gibt witzige Geschichten und richtig verrückte, von denen ich erzählen könnte, aber eine Kultur oder Szene in wenige Worte zu fassen, ist eigentlich kaum möglich.

Manch einer sagt von euch sogar, dass ihr derzeit musikalisch den Thron der Oi!-Szene innehabt. Würdet ihr selbst auch so weit gehen, wenn ihr euch als Band betrachtet?

Haha, ich wusste gar nicht, dass Oi!-Musik inzwischen eine Monarchie ist! Ich habe niemals einem König des Oi! Treue geschworen und ich hoffe auch, dass niemand anders das getan hat. Wir selbst sehen uns sicher überhaupt nicht so, wie schon gesagt, wir hatten einfach Glück. Wir haben hart für all das gearbeitet, was wir erreicht haben, und waren eben auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Ich gehöre ja zu den Nörglern, die bei euch, im Vergleich zu MARABOOTS, die französische Sprache vermissen, aus meiner Sicht fehlt dadurch das gewisse Etwas.

Auf dem Frankreich-Release unseres neuen Albums „From The Storm“ wird ein Bonustrack sein: der erste LION’S LAW-Song auf Französisch. Wenn du MARABOOTS als Band vermisst, dann hör dir mal BROMURE an, ihre neue Band. Da es ja inzwischen auch wieder reichlich französische Bands gibt, die in ihrer Sprache singen, lässt sich noch genug Erfreuliches für deine Ohren finden.

Wo wir schon über euren Erfolg gesprochen haben, müssen wir natürlich auch über die Grüchte, Lügen und Neid reden, die dieser meist mit sich bringt. Wie reagiert ihr auf solche Dinge?

Gerüchte sind nur Gerüchte, warum sollte man sich mit so einem Mist weiter beschäftigen? Wir wissen genau, wer wir sind, wo wir stehen, was wir getan haben, und vertreten bei den wichtigen Themen einen eindeutigen Standpunkt. Irgendwer wird immer schlecht über dich reden, Gerüchte und Lügen verbreiten. Das ist armselig für die, die so was nötig haben, und ebenso für die, die so einen Schwachsinn glauben und ein Urteil fällen, ohne die wahren Hintergründe zu kennen.

Als Band vertretet ihr einen klaren antirassistischen Standpunkt. Würdest du sagen, dass es ein Problem ist, wenn sich Bands diesbezüglich nicht klar äußern und stattdessen versuchen, sich hinter dem Dogma „unpolitisch“ zu verstecken?

Rassismus und Xenophobie haben mit unserer Musik und Szene nichts zu tun, sie sind schlichtweg pure Blödheit. Sich selbst als apolitisch zu bezeichnen, kann niemals eine Ausrede dafür sein, vor dieser Tatsache die Augen zu verschließen oder derartige Dinge hinzunehmen. Skinheads sind keine Boneheads und werden es auch niemals sein.

Welchen Stellenwert nehmen politische Themen für euch ein, gerade auch angesichts der Tatsache, dass der Zulauf zu rechten Parteien überall in Europa wieder stark zunimmt?

Politikern geht es doch nur um immer höhere Profite, was sie auf dem Rücken von uns allen, auf dem Rücken der arbeitenden Menschen austragen. Extremismus und Egoismus sind beides absoluter Müll, und wenn man sie kombiniert, dann wird es für uns alle wirklich gefährlich. Wenn man sich mit unseren Texten beschäftigt, dann wird man schnell spüren, dass dieses Thema auch uns immer wieder umtreibt.

Wie kann es eine Oi!-Band schaffen, nicht ständig nur Klischees, sowohl textlich als auch musikalisch, zu bedienen, denn wie viele Songs über Boots & Braces kann man ernsthaft schreiben, ohne sich zu langweilen?

Es ist immer schwierig, originell zu sein, wenn du Teil einer stark kodifizierten Bewegung wie der unseren bist, die sich selbst bestimmte Richtlinien auferlegt hat. Dennoch sollte man immer daran denken, dass es kein „Oi! The Buch der Sieben Siegel“ gibt, nach denen man sich zu richten hat, sondern dass es immer möglich ist, neue Dinge zu probieren und eine neue Richtung einzuschlagen. Natürlich ist es aber immer leichter, darüber ein Urteil zu fällen, als es einfach einmal selber zu probieren. Einen Song zu schreiben ist ein sehr persönlicher Prozess, denn du gibst immer auch eine Menge von dir selbst preis. In diesem Zusammenhang können auch „Boots & Braces“ immer noch ein cooles Thema sein, wenn du es eben richtig angehst.

In den vergangen Jahren hat Frankreich wieder einige großartige Bands hervorgebracht, nachdem es einige Zeit eher ruhig war. Welche Gründe hat das aus eurer Sicht, welche Bands und Labels waren hierfür ausschlaggebend und konzentriert sich das Ganze auf bestimmte Städte?

Ist das wirklich eine neue Welle an Bands aus Frankreich oder nur ein neu gewonnenes Interesse? Tatsächlich bin ich mir diesbezüglich nicht ganz sicher. Das Label Une Vie Pour Rien war aus meiner Sicht sehr wichtig, ebenso Bands wie SURVET SKINS, 8.6 CREW oder BRIGADA FLORES MAGON, die einen großartigen Job gemacht haben. Ein wirkliches Zentrum gibt es eigentlich nicht, die Bands kommen von überall her und ich hoffe, dass noch viele nachkommen werden. Die Szene wächst, was immer gut ist, denn mehr Bands bedeuten auch mehr Konzerte und mehr Spaß für alle.

Denkst du, dass es heutzutage für eine Band noch möglich ist, Einfluss auf die Denkweise von Menschen zu nehmen, sie so zu prägen, wir ihr früher von den Bands, die euch beeinflusst haben?

Ich denke ja, aber es ist eine Sache, die du nicht lenken kannst, da du nie sicher gehen kannst, wie deine Worte verstanden werden. Diesbezüglich habe ich etwas von einem französischen Schriftsteller gelesen, das mich echt umgehauen hat. Zusammengefasst hat er gesagt, dass die wahre Bedeutung eines Textes nicht die ist, auf die der Verfasser abgezielt hat, sondern die, wie sie vom Leser interpretiert wird. Das Gleiche gilt aus meiner Sicht auch für einen Song. Wie etwas verstanden wird, hängt davon ab, was du für ein Mensch bist, in welcher Lebenssituation du dich befindest und was für Gefühle du gerade hast, aber eben nicht von der ursprünglichen Bedeutung für den Songschreiber. Sobald ein Song aufgenommen wurde, hat er somit ebenso viele unterschiedliche Bedeutungen wie Hörer.