DEEZ NUTS

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Ein Spiegel des Erlebten

Australien war nicht nur immer schon das Land der giftigsten Tierarten. Australien überzeugt seit jeher auch mit Musikern, die ihre Spuren im internationalen Business der populären Musik hinterließen. Nick Cave ist noch der stillste von ihnen, AC/DC und zuletzt PARKWAY DRIVE sind die lautesten und derzeit erfolgreichsten. DEEZ NUTS können mit einem solchen Bekanntheitsgrad zwar noch nicht dienen, dennoch führte der Umstand, dass sie den Menschen seit nunmehr 13 Jahren ihren Hardcore und mit Rap versetzten Metal um die Ohren schleudern, dazu, sie zumindest in Szenekreisen zur Kultband werden zu lassen. Nach einigen Party-Platten folgten zuletzt eher düstere und sarkastische Alben. Mit „You Got Me Fucked Up“ erscheint nun eine Mischung aus alldem, wie Frontmann JJ Peters im Interview erklärt.

Euer neues Album heißt „You Got Me Fucked Up“ und ist nach deiner eigenen Aussage das Album, das ihr unbedingt aufnehmen musstet. Mehr als alle anderen zuvor. Trifft das nicht auf jede Platte zu?


Im Prinzip schon. Aber jedes Album wird letztlich aus einem anderen Blickwinkel geschrieben, weil jedes Album die Entwicklung der Band wiedergibt. Natürlich kannst du fünfzig Alben rausbringen, die alle gleich sind. Aber das ergibt keinen Sinn für uns. Ein Album aufzunehmen, bedeutet für mich immer auch, eine Menge seelischen Ballast loszuwerden. Denn Alben sind für mich immer auch ein Spiegel des Lebens. Ein Spiegel dessen, was ich erlebe. Und wir haben viel erlebt in den vergangenen Jahren. Privat gab es schwierige Zeiten und in der Welt ganz allgemein. Das fand Niederschlag in den letzten Alben. Aber jetzt ist es Zeit, wieder etwas positiver in die Zukunft zu blicken. Daher musste diese Platte auch sein. Sie hilft mir dabei. Sie hat für mich therapeutische Wirkung. Das haben zwar alle Platten, aber diese besonders. Sie ist entsprechend wieder etwas fröhlicher als „Word Is Bond“ von 2015 und „Binge & Purgatory“ von 2017.

Wie würdest du „You Got Me Fucked Up“ konkret einordnen, wenn du sagst, es sei wieder fröhlicher als die Platten zuvor?

Vielleicht so: Das Album ist zwar fröhlich, aber nicht nur auf Party aus, wie das früher bei uns war. Denn nur weil wir einen bescheuerten Namen haben und wir anfangs mehr Partysongs hatten, muss ich nicht immer Party-Alben machen. Dann würde ich mich selber und die Leute verarschen. Nein: Wenn ich gut drauf bin, dann schreibe ich Partysongs. Wenn ich angepisst bin, dann schreibe ich Musik, die angepisst klingt. Und wenn ich schwermütig bin, dann schreibe ich ernste Sachen. Insofern würde ich sagen: „You Got Me Fucked Up“ ist positiv und soll Spaß machen, hat aber ernste Ansätze. Es klingt durchaus angepisst und richtig wütend. Kein Wunder, bei all dem, was derzeit auf der Welt passiert. Aber dabei klingt es nicht so extrem heavy und nach New York Hardcore wie etwa „Binge & Purgatory“.

Das, was du mit diesen verschiedenen Facetten in eurer Musik indirekt ansprichst, ist der ewige Streit zwischen Künstler und Fan: Der Künstler will sich weiterentwickeln. Der Fan will das erste Album immer und immer wieder vorgesetzt bekommen.

So ist es. Das kennen wir, aber kümmern uns nicht darum. Diese Kritik kommt auch mitunter von vielen Leuten, die ohnehin an allem etwas auszusetzen haben. Niemand muss alles, was wir veröffentlichen, immer gleich gut finden. Das wäre ja auch völlig irrsinnig. Das gestehe ich den Leuten zu. Aber sie müssen uns eben auch zugestehen, dass wir Dinge ausprobieren. Zumal wir immer unser Bestes geben. Wir sind da sehr ehrlich. Wir machen nichts halbherzig.

Bei euren Landsleuten AC/DC funktioniert das mit den immer gleichen Songs übrigens hervorragend ...

Ja, gerade AC/DC bringen seit fast einem halben Jahrhundert den gleichen Song immer und immer wieder heraus, haha. Aber das ist auch okay: Wenn es deren Ding ist und die Fans das wollen und lieben – alles wunderbar. Aber das bin eben nicht ich. Uns gibt es nun seit fast 13 Jahren. Und während dieser Zeit haben wir stetig mit unserem Sound gespielt. Wir haben experimentiert und klingen eben nicht mehr wie auf den ersten beiden Platten. Ich möchte nicht immer gleich klingen.

Was soll uns der Titel des Albums, „You Got Me Fucked Up“, sagen?

Es ist ein Slangausdruck, der vor allem auf den Social-Media-Plattformen häufig genutzt wird. Eigentlich geht es darum, dass jemand Vorteil aus der Lage eines anderen zu ziehen versucht, indem er ihn verarscht, und der Übervorteilte sagt daraufhin: „You got me fucked up.“ In diesem Kontext aber passt er zu uns als Band und – wir sprachen es eben an – zu den Meinungen, die sich viele über uns meinen bilden zu müssen. Wir sagen damit so etwas wie: Ihr habt gar nichts verstanden.

Bist du einer jener Musiker, die gleich nach der Veröffentlichung eines Albums das Internet nach Kommentaren durchforsten?

Ich schaue mir das schon an, denn an Facebook, Instagram und Co. kommt man heutzutage nicht mehr vorbei. Es ist ein notwendiges Übel. Aber ich versuche, keine Gegenkommentare zu schreiben. Beziehungsweise nur dann, wenn da eine ehrliche Gesprächsatmosphäre vorliegt, eine respektvolle. Und das ist eben nur selten der Fall. Oftmals herrscht da die pure Negativität vor. Daher lebe ich lieber im wahren Leben, beschäftige mich mit wirklichen Menschen. Und die können mir auch alles gerne ins Gesicht sagen, mich auf alles ansprechen. Da gehe ich keiner Diskussion aus dem Weg.

Du sprachst eben von der therapeutischen Wirkung, die Musik für dich hat. Was bedeutet dir ein Begriff wie „Katharsis“?

Er bedeutet mir sowohl im privaten Leben als auch in der Musik sehr viel. Ich habe einen solchen kathartischen Moment sehr gerne am Ende eines jeden Tages. Das bedeutet, ich bringe die Kinder ins Bett, setze mich aufs Sofa, genieße die Stille – und lasse den Tag an mir vorüberziehen. Das, was ich vielleicht im Studio oder beim Songschreiben irgendwo getan und erfahren habe. Das, was ich mit der Familie erlebt habe. Was war gut? Was hätte ich besser machen können? Dadurch wird mein Kopf vor dem Schlafengehen frei für all das, was der kommende Tag für mich bereithält. Und in der Musik ist das genauso: Da verarbeite ich viel von dem, was ich im Alltag erlebe. Überführe die Gedanken in Texte und Akkorde.

Gibt es auch Momente, in denen der Spaß- und Partymusiker JJ Peters eher melancholische, schwermütige Musik hört?

Ja, absolut. Ich höre sehr gerne Wave oder Singer/Songwriter. Musik, bei der ich mich auch in die Texte hineinsinken lassen kann. Ich kann nicht immer nur Heavy-Musik hören. Das habe ich durch die Band schon genug über das Jahr verteilt, haha.

Eine Frage, die ich in Interviews gerne stelle, stelle ich nun auch mal dir: Was würde der junge JJ denken, wenn er DEEZ NUTS heute auf der Bühne live erleben könnte?

Er wäre, denke ich, sehr stolz. Er würde die Show toll finden. Und er würde es zu schätzen wissen, dass dieser alte Typ da vorne nicht nur weiser und klüger geworden ist und aus manchem Fehler und Mist gelernt hat. Er würde es auch zu schätzen wissen, dass der alte JJ und die Band auch nach all den Jahren noch von sich behaupten dürfen, immer nur das getan zu haben, was sie wollten und was sie selber gut fanden und was ihnen wichtig ist. Keine Kompromisse, keine Selbstverleugnung. Er würde es lieben, dass DEEZ NUTS eine ehrliche Band sind und sich kein Stück um irgendwelche Kritiker kümmern.

PARKWAY DRIVE aus deinem Heimatland Australien sind extrem groß geworden und deren Musik eurer nicht unähnlich ist. Sie spielen in Stadien und als Headliner bei Festivals. Hand aufs Herz: Bist du manchmal neidisch und denkst: Warum nicht wir?

Ich habe ja früher als Drummer bei I KILLED THE PROM QUEEN gespielt – und wir haben die Jungs von PARKWAY DRIVE anfangs quasi ein bisschen gefördert und sie nach einem ihrer ersten Konzerte zu einer Split-EP mit uns eingeladen. Ich denke natürlich schon manchmal darüber nach, was hätte sein können, haha. Denn I KILLED THE PROM QUEEN spielten ja Metalcore. Also was wäre passiert, wenn ich selber mit Metalcore weitergemacht hätte – einem Genre, in dem PARKWAY DRIVE nun so erfolgreich sind? Ich würde aber nicht sagen, dass ich neidisch bin. Denn letztendlich bin ich trotz allem in der Situation, dass ich von der Musik, die ich mache, leben kann. Und dass ich mich nicht verstellen muss. Ich tue das, was ich will. Und ich tue nur Dinge, hinter denen ich hundertprozentig stehe. Das ist ein Luxus, den nicht viele haben. Da ist kein Platz für Neid.