ARROW MINDS

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Pretty fly for a ...

Wenn fünf Weiße einen Song über BLM schreiben.

Kann man als weiße Band einen Song zur Black Lives Matter-Bewegung schreiben? Darf man? Wir mussten. ARROW MINDS ist unser Ventil und das hält alles, aber nicht dicht. Wir verstehen uns grundsätzlich als politische Band und haben mit „20 decibels“ unsere Musik nicht zum ersten Mal als Anregung zum (Weiter)Führen von Diskursen genutzt. Rassismus, soziale Ausgrenzung und gesellschaftlicher Druck sind schon Thema auf unserem ersten Album „Alcatraz Affairs“.


Im Fall von „20 decibels“ war es aber natürlich nicht nur dieses Selbstverständnis, sondern mit dem Mord an George Floyd am 25. Mai 2020 vor allem ein ganz unmittelbarer Anlass, der uns dazu bewog, das erneut offensichtlich gewordene strukturelle Rassismusproblem der USA in einem unserer Songs zu behandeln. Dass politisch motivierte Polizeigewalt und Praktiken wie das „racial profiling“ auch in Deutschland und anderen Ländern praktiziert werden, hat die britische Autorin Reni Eddo-Lodge schon 2015 eindrücklich dargelegt. Und trotzdem ist und war klar, wir als Weiße sind kein Teil von Black Lives Matter. Dürfen gerade wir also einen Song zur BLM-Bewegung schreiben oder ist das abwegig? Oder gar anmaßend? Beantworten konnten wir uns diese Fragen nicht. Von dem Song als Ventil für all das, was uns bewegt, ablassen, das konnten wir aber auch nicht. Also blieb nur das, was uns immer bleibt – alles in unsere Musik zu legen, was in uns ist und uns ausmacht. Auch oder gerade, wenn es uns angreifbar oder streitbar macht. Solange wir uns sicher sind, dass das, was wir tun, das ist, was wir tun müssen, gibt es für uns keine Grenzen, die wir nicht bereit sind zu überwinden. Und zurück zu BLM, da sind wir uns in einem eben sicher und das war ausschlaggebend: Wir verstehen uns als Supporter all derer, die die Ungerechtigkeit und Gewalt tagtäglich unmittelbar ertragen müssen. Und wenn wir mit unserer Reichweite sowie der Präsenz auf der Bühne und im Netz einen kleinen Teil dazu beitragen können, das Thema in die Köpfe der Menschen zu tragen, kann das vielleicht Ausdruck unserer Unterstützung sein. Damit sich etwas ändert, braucht es, das hat die unmittelbare Vergangenheit brutal gezeigt, ein schärferes Bewusstsein von uns allen. Jede:r von uns hat die Chance, BLM eine weitere Stimme zu geben. All the voices unheard. Say their names!

Das ist in jedem Fall unser Verständnis und war Ausgangspunkt für den Song. Leicht von der Hand ging uns das Ausformulieren des Textes dann aber nicht. Es galt ja auch hier, Worte und Bilder zu finden, die sowohl konkret ausdrücken, wo das Problem liegt, und den Song zeitlich zu verorten, ohne ihm dadurch seine Allgemeingültigkeit zu nehmen. Den Anlass nicht außen vor zu lassen, aber auch keinen Personenkult um George Floyd zu fördern, sondern die Dimension des Themas klarzumachen. Und eben vor allem als weiße Band aus Deutschland auf Englisch auszuformulieren, warum wir uns hierzu äußern.

Wie die meisten klar politischen Texte auf unseren Platten haben wir auch „20 decibels“ gemeinsam geschrieben. Vom Diskurs zu den Lyrics fühlt sich diese Herangehensweise für uns immer am natürlichsten an. Es ist inspirierend und herausfordernd, um Textzeilen zu ringen. Verschiedene Gedanken so lange im Raum stehen zu lassen, bis sich herauskristallisiert, welcher am dringlichsten im Text geäußert werden muss und auf welche Art und Weise. Gleichzeitig sind wir damit häufig schon früh unser eigenes Korrektiv. Ein ehrlicherweise ziemlich rigoroses und strenges Korrektiv, das aber manchmal gar nicht einschreitet, obwohl man es erwartet. Überraschenderweise gab es zum Beispiel keine Einwände gegen ein durchaus provokatives „End the genocide“ im Song. Und genau das macht am Ende wahrscheinlich den Reiz aus. Wir erwarten alle viel voneinander und gehen hart miteinander ins Gericht und trotzdem weiß jeder, dass er seinem Gefühl für eine Textstelle trauen, jede Idee äußern darf. Erst dann, wenn jeder gesagt hat, was er zu sagen hatte, beginnt das Ringen. Und so lange das politisch nicht ebenfalls passiert, so lange populistische, rassistische und antidemokratische Kräfte ein gleichberechtigtes Miteinander verhindern, so lange haben wir die Pflicht, unsere weißen Privilegien zu nutzen, um denen eine Stimme zu geben, die dringend gehört werden müssen. Black Lives Matter!