BALANCE BREACH

Foto© by Juha Vihavainen

Von Glück und Unglück in Finnland

Mitten im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie veröffentlichten BALANCE BREACH ihr Debütalbum – ohne begleitende Aktivitäten. Ein Start mit angezogener Handbremse. Bald begannen die Finnen deshalb mit der Arbeit an ihrer zweiten Platte. „Abyzmal“ erscheint nun am 26. Mai. Mit Frontmann Aleksi Paasonen sprechen wir über die Hintergründe des düsteren Werks und den mittlerweile kritischen Zustand der finnischen Metal-Szene.

Fühlt sich „Abyzmal“ ein bisschen an wie euer erstes Album, weil eure Möglichkeiten beim Debüt „Dead End Diaries“ – es gab beispielsweise keine Tour – so eingeschränkt waren?

Ja und nein. Zum jetzigen Zeitpunkt wünsche ich mir einfach nur, dass diesmal nichts schiefgeht, damit wir das Album möglichst vielen Leuten präsentieren können. Wir leben in sehr instabilen Zeiten, das spüren wir hier in Finnland seit dem Start des Ukraine-Kriegs und mit dem Beschluss der NATO-Mitgliedschaft sehr deutlich. Gleichzeitig bin ich aber auch sehr stolz auf die Entwicklung der Band im Laufe der letzten Jahre. Bei „Abyzmal“ wussten wir sehr genau, was wir machen. Ursprünglich sollte das Album bereits Anfang 2022 erscheinen, da wir eine Europatour geplant hatten. Als die Absage kam, haben wir den Release-Termin verschoben, das hat sich gut angefühlt. Endlich konnten wir uns ganz ohne Eile und Druck darauf konzentrieren, eine richtig gute Platte zu schreiben.

„Abyzmal“ ist ein sehr düsteres Album.
Ja, ich glaube, die düstere Atmosphäre ist ganz von selbst entstanden, weil sie letztendlich unsere Seelen widerspiegelt. Musik ist unser Lebensinhalt, die Auswirkungen der Pandemie auf unsere Arbeit als Band hat uns sehr getroffen. Wir waren so enttäuscht und zugleich verängstigt aufgrund der Gesamtsituation – wie wahrscheinlich die meisten auf der Welt. Auf „Abyzmal“ ist uns außerdem wichtig, über das zu sprechen, wovor die Gesellschaft die Augen verschließt und das so letztendlich unsere Herzen erkalten lässt: seelische Erkrankungen, Depressionen, Einsamkeit, die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft, der Umstand, dass Menschen nach außen hin ein Scheinbild von sich kreieren, so tun, als würde es ihnen besser gehen, als es tatsächlich der Fall ist. Ich hoffe, meine Texte leisten einen kleinen Beitrag dazu, dass Menschen sich trauen, mehr über ihre wahren Gefühle, Sorgen und Ängste zu sprechen, zumindest in ihrem direkten sozialen Umfeld.

Und Studien sagen seit Jahren, dass in Finnland die glücklichsten Menschen leben ...
Es ist absurd. In Finnland ist das bereits ein Running Gag. Wir sind immer wieder überrascht über die Studienergebnisse. Finnland war schon immer ein düsterer Ort und die Probleme in der Gesellschaft nehmen eher zu als ab.

Wenn du nur einen Song von „Abyzmal“ auswählen dürftest, von dem die Menschen dort draußen den Text hören können, welcher wäre es und wieso?
Oh, das ist schwierig. Meinem Freundes- und Familienkreis würde ich „More than machines“ empfehlen. Dieser Song soll Leute dazu anregen, sich Gedanken zu machen, wie sie ihr Leben gestalten möchten. Unsere Zeit ist so begrenzt, dass es eine Schande ist, wenn Menschen sie verschwenden, sei es im Job oder für eine Person, die ihnen nicht guttut.

Lass uns mal auf den musikalischen Teil schauen: Bei euch sind alle Bandmitglieder voll ins Songwriting integriert, richtig?
Ja. Üblicherweise beginnt ein Song damit, dass unser Gitarrist, Terho Korhonen, den Aufschlag macht und eine Idee mitbringt, das kann ein Riff sein, eine Leadmelodie oder auch nur ein atmosphärisches Motiv. Aber dann sitzen wir alle beim Brainstorming zusammen und diskutieren, welche Assoziationen wir haben, wie es weitergehen könnte. Daraufhin schnappt sich jeder sein Instrument und wir fangen an zu jammen, bis wir einen guten ersten Part zusammenhaben, der stark genug ist, um das Hauptthema des Songs zu tragen. Letztendlich bleibt jeder für die Rolle seines Instruments verantwortlich und wir stimmen uns viel ab, damit es ein harmonisches Ergebnis wird.

Euer Album wurde von Florent Salfati von ­LAND­MVRKS gemixt. Wie kam es dazu?
Wir waren nicht richtig glücklich, wie unsere Songs für das Album klangen. Beim Summer Breeze 2022 haben wir dann durch Nicolas Delestrade, Bassist von ­NOVELISTS und Labelmanager von Out of Line, Flo kennen gelernt und mit ihm über unsere Herausforderungen gesprochen. Obwohl er super busy war, hat er uns angeboten, testweise einen unserer Songs zu mixen. Er hat sofort verstanden, worauf es uns ankam, ob Vocals, Riffs oder einfach ein bisschen Ambient-Zeugs im Hintergrund.

Habt ihr etwas aus der Zusammenarbeit gelernt?
Ja, wie wichtig es im Musikbusiness ist, dass du mit Leuten zusammenarbeitest, die auch im Herzen mit dir und dem, was du tust, verbunden sind. Das kann ein Blick auf den Lebenslauf nicht ersetzen.

Finnland ist bekannt für seine Liebe zum Metal. Wie sieht die Szene heute aus?
Es ist heute viel schwieriger durchzustarten als früher, weil es so viel Konkurrenz gibt. Hinzu kommt, dass Metal und selbst Rock heute viel weniger Fans im Mainstream haben. Wenn man sich mal die Top 50 bei Spotify in Finnland anschaut, dann hast du Glück, wenn du überhaupt ein echtes Instrument hörst. Auf großen Festivals spielen kaum noch Rock- oder Metalbands, auch wenn die Teilnahme von BLIND CHANNEL beim Eurovision Song Contest 2021 das Interesse wieder ein wenig gesteigert hat. Die Szene ist heute dennoch ziemlich abgekapselt – und ehrlicherweise auch ziemlich alt. Obwohl es viele junge Bands gibt, ist die Szene nicht wirklich offen für neue Einflüsse. Für Metalbands mit modernen oder Core-lastigen Einflüssen ist es unheimlich schwierig, gesehen zu werden. Auffällig bei finnischen Metal-Fans ist auch, dass sie eine Band erst gut finden und unterstützen, wenn sie internationale Erfolge vorweisen kann, zumindest durch Europa getourt ist. Und dann sagen alle: Ich habe es ja schon immer gewusst!