BLOOD COMMAND

Foto© by Øystein Haara

Ein Sprung ins kalte Wasser

Alles neu bei BLOOD COMMAND. Die norwegischen Death-Popper aus Bergen haben mit Nikki Brumen eine neue Sängerin, weil ihre Vorgängerin Karina Ljone schwanger wurde und ausgestiegen ist. Nikki wohnt aber nicht ums Eck, sondern in Melbourne. Zusammen mit ihr hat die Band ihr viertes Studioalbum „Praise Armegeddonism“ noch einmal neu aufgenommen und produziert. Es wird auch das erste Album sein, das nicht beim norwegischen Indielabel Fysisk Format herauskommt, sondern über Hassle Records, dem Label von Nikkis ehemaliger Band PAGAN. Es gibt also jede Menge zu besprechen mit der neuen Frontfrau Nikki.

Wie kam es, dass du als Australierin bei einer norwegischen Band gelandet bist?

Ihr Gitarrist Yngwe hat mich vor ein paar Jahren über eine Freundin in Schweden entdeckt, die sich sehr für Punkmusik interessiert. Sie ist über meine alte Band PAGAN gestolpert und hat Yngwe den Tipp gegeben. Als Yngwe mich dann gehört hatte, dachte er sofort: So sollte unsere neue Sängerin sein. Zu diesem Zeitpunkt kannten wir uns noch gar nicht. Zur gleichen Zeit erschien ein Interview mit mir in der Zeitschrift Kerrang!, wo ich erwähnt habe, dass eines meiner liebsten Alben des Jahres 2017 „Cult Drugs“ von BLOOD COMMAND ist und dass sie für mich wie die Pop-Version von PAGAN klingen. Vergangenes Jahr hat sich dann ergeben, dass meine Vorgängerin bei BLOOD COMMAND ausgestiegen ist und meine Band PAGAN sich aufgelöst hat. Dann hat mich Yngwe einfach über Instagram angeschrieben und mich gefragt, ob ich nicht einsteigen will. Ich habe natürlich sofort zugesagt.

Warum hat sich deine alte Band PAGAN aufgelöst?
Es gab keinen konkreten Grund. Wir hatten keinen Streit oder so. Die Jungs in der Band wollten einfach nicht mehr diese Art von Musik machen und nicht mehr auf Tour gehen. Sie wollten sich einfach auf andere Dinge im Leben konzentrieren. Einer wollte studieren, ein anderer sich mehr um seine Familie kümmern. Ich war natürlich ziemlich sauer über die Entscheidung, denn ich war noch nicht bereit, die Band aufzugeben. Wir hatten gerade erst eine Tour in Europa gespielt und einen Vorgeschmack von dem bekommen, was wir mit PAGAN erreichen konnten. Als dann das Angebot von BLOOD COMMAND kam, war es für mich wie ein Geschenk des Himmels. In eine bereits etablierte Band einzusteigen, war für mich ein Traum. Für mich war es wie ein Angebot auf einem Silbertablett. Deshalb habe ich gar nicht darüber nachgedacht und bin sofort eingestiegen.

Die Aufnahmen für „Praise Armegeddonism“ haben ja im Sommer 2018 noch mit der alten Sängerin begonnen. Musstet ihr das Album dann noch einmal neu aufnehmen?
Karina hatte schon alle Vocals eingesungen und das Album war schon gemastert, als ich eingestiegen bin. Also habe ich alles noch einmal neu eingesungen. Das war eine sehr interessante Erfahrung für mich, weil ich zum ersten Mal die Gesangslinien nicht selbst geschrieben habe, sondern bereits vorhandene Melodien übernommen habe. Ich konnte die Songs also richtig einstudieren, bevor ich zum ersten Mal mit BLOOD COMMAND ins Studio gegangen bin, das war ein großer Vorteil für mich.

Musstest du deinen Gesangsstil für BLOOD COMMAND umstellen? Von Screamo zu Death-Pop?
Ich habe meine Art zu singen nicht grundsätzlich geändert, aber ich habe für die neue Band tatsächlich Gesangsunterricht genommen. Außerdem hat mich Yngwe als Produzent natürlich in die richtige Richtung geschubst, damit ich aus meiner Komfortzone herauskomme. Also habe ich auch Dinge mit meiner Stimme gemacht, die ich mich mit PAGAN nie getraut hätte. Das Ergebnis ist viel dynamischer als alles, was ich vorher als Sängerin gemacht habe. Mehr Punk, sagt Yngwe. Ich habe also gelernt, meine bisherigen Grenzen zu sprengen, aber natürlich hat das alles schon in mir geschlummert. Ich bin als Sängerin mit meiner neuen Band wirklich spürbar gewachsen.

Wie läuft das jetzt bei BLOOD COMMAND? Wohnst du noch in Australien und der Rest der Band in Norwegen?
Ende Mai 2022 habe ich in Melbourne meine Zelte abgebrochen und bin endgültig nach Bergen ausgewandert. Als ich die Entscheidung getroffen habe, bei BLOOD COMMAND einzusteigen, wollte ich nicht gleich nach Norwegen ziehen. Für mich war es erst mal verrückt genug, nach Norwegen zu reisen und bei einer Band zu singen, die ich vorher noch nie getroffen hatte. Ich wollte zuerst mal meinen Zeh ins kalte Wasser halten, bevor ich mit Anlauf reinspringe. Deshalb bin ich für vier Monate nach Norwegen gereist und wir haben unter anderem eine Support-Tour mit KVELERTAK gespielt. Das war eine tolle Zeit, deshalb habe ich mich entschlossen, komplett dorthin überzusiedeln. Also habe ich alle meine Sachen verkauft, bis auf zwei Koffer voller Klamotten, und mich in den Flieger nach Bergen gesetzt. Das ist ehrlich gesagt das Verrückteste, was ich je in meinem Leben gemacht habe.

Wie kommst du als Australierin mit dem kalten Norwegen zurecht?
Die Menschen in Norwegen haben mich mit offenen Armen empfangen, das war überhaupt kein Problem. Mit dem Klima ist das so eine Sache. Ich hasse den Winter eigentlich mit großer Leidenschaft. Alles unter 20 Grad Celsius habe ich bis jetzt immer strikt abgelehnt. Hier wurde ich schon gezwungen Ski zu fahren, das möchte ich nicht mehr machen, haha. Aber ich befürchte, daran komme ich auf Dauer nicht vorbei. Es war echt ein Kulturschock für mich, so viel Schnee zu sehen. In Australien habe ich vielleicht dreimal in meinem ganzen Leben Schnee erlebt. Weil ich so glücklich mit meiner neuen Band in Norwegen bin, macht mir das mit dem Wetter aber nicht so viel aus.

Wie hart war es für dich, Australien hinter dir zu lassen? Du hast ja dort noch eine Zwillingsschwester.
Ich hatte 2021 ein wirklich hartes Jahr. Wegen Corona und den ganzen Lockdowns ging es sowieso schon allen schlecht, aber mein Vater und meine Mutter sind binnen kürzester Zeit gestorben, meine Band hat sich aufgelöst und mein Freund hat mich verlassen. Dann habe ich einen neuen Mann kennen gelernt, der sich kurze Zeit später umgebracht hat. Das war ziemlich viel in kurzer Zeit. Ein echtes Trauma für mich. Das war auch einer Hauptgründe, warum ich sofort bei BLOOD COMMAND eingestiegen bin. Wenn all das nicht passiert wäre, wäre ich wahrscheinlich nicht mutig genug gewesen, das durchzuziehen. Es klingt vielleicht komisch, aber dadurch ist mir klar geworden, wie wertvoll und wie kurz das Leben ist. Wenn ich der Band abgesagt hätte, hätte ich es wahrscheinlich für immer bereut. Zum Glück hat die ganze Geschichte ein märchenhaftes Ende genommen und auch meine Schwester hat mich bestärkt, diesen Schritt zu gehen. Sie war schon immer meine größte Stütze.

Die Texte von BLOOD COMMAND sind ja sehr speziell. „Praise Armageddonism“ beschäftigt sich mit dem Einfluss von Sekten und religiösen Kulten. Wie ist es für dich, diese Texte zu singen, die Yngwe geschrieben hat?
Für mich ist es eine weitere merkwürdige Verbindung zwischen Yngwe und mir. Ich bin wie er in einer Familie aufgewachsen, in der Religion eine sehr dominante Rolle gespielt hat. Ich bin zwar selbst nicht katholisch, bin aber sehr katholisch erzogen worden. Deshalb hatte ich bei PAGAN auch schon Lieder, in denen religiöse Kulte vorkommen. Yngwe und ich haben also eine fast schon unheimliche Einigkeit, wenn es darum geht. Die Texte des einzigen PAGAN-Albums „Black Wash“ waren ja auch alle von mir .Auf dem Cover hatten wir ein umgedrehtes Kreuz in Form einer Kommunionkerze und dazu Songs wie „Holy water“ oder „Blood moon“. Yngwes Texte sind auf wundersame Weise eine Fortsetzung meiner Sachen bei PAGAN. Deshalb hatte ich sofort einen Bezug zu seinen Songs und nie ein Problem damit, sie zu singen. Inzwischen haben wir aber auch begonnen, zusammen neue Sachen zu schreiben.

Wie schwierig war es, den ganzen Backkatalog von BLOOD COMMAND zu lernen?
Um ehrlich zu sein, den kompletten Katalog habe ich noch nicht drauf. Es kostet mich bestimmt ein Jahr, bis ich alle Titel beherrsche. Ich habe aber schon viele Songs gelernt, die wir für unsere Live-Shows brauchen, damit wir auftreten können. Das war echt eine Herausforderung, weil einige dieser Stücke gar nicht so einfach sind.

Die Platte kommt Anfang Juli raus. Was ist für den Rest des Jahres geplant?
Für den Sommer haben wir einige Festivalauftritte an Land gezogen. Im September spielen wir eine große Headliner-Tour in UK, Skandinavien und Deutschland. Ich freue mich schon sehr darauf. Das wird großartig. Außerdem muss ich mich natürlich erst mal in Norwegen eingewöhnen und dort dann hoffentlich für immer leben.