CLOWNS

Foto© by Wolfram Hanke

Australian Punk Explosion

Aktuell sind australische Punkbands in Europa wieder sehr präsent. AMYL & THE SNIFFERS, PRESS CLUB, GRINDHOUSE oder THE CHATS räumen auf Festivals ab und erobern die Herzen im Sturm. Ganz oben auf der Schaumkrone surfen CLOWNS aus Melbourne. Eine High-Energy-Wiedergeburt der SAINTS aus den Siebzigern. Seit ihrem vierten Album „Nature/Nurture“ stehen sie beim kalifornischen Rennstall Fat Wreck Chords unter Vertrag. Fast sechs Wochen lang waren die Australier im Sommer 2022 in Europa unterwegs und wir haben sie beim Krach am Bach im bayerischen Prölsdorf getroffen. Mit Schlagzeuger Jake Laderman und Gitarrist Jarrod Goon plauderten wir über das Erfolgsgeheimnis der Aussi-Punkbands und das kommende Album.

Habt ihr eine Erklärung dafür, warum gerade jetzt so viele großartige australische Punkbands bei uns in Europa aufschlagen?

Jake: Wahrscheinlich, weil mit AMYL & THE SNIFFERS und THE CHATS zwei Bands gerade besonders erfolgreich in Europa sind. Australische Punkbands kommen schon lange nach Europa, das ist also nichts Neues, aber momentan schaut die Punkwelt einfach auf Australien, weil wir eine Handvoll Bands haben, die durch die Decke gehen. AMYL & THE SNIFFERS und THE CHATS haben weltweit das Kommando übernommen und sind einfach großartig. Deshalb ist die volle Aufmerksamkeit momentan auf Australien gerichtet. Es ist einfach eine Blütezeit für die australische Punkrock-Szene. Also falls irgendwelche Australier gerade mitlesen: Ihr solltet eine Punkband gründen und nach Europa kommen. Haha.
Jarrod: Viele Bands haben bei dieser sogenannten australischen Punk-Explosion realisiert, dass es gar nicht so schwer ist, über den Teich zu fliegen. Es ist wirklich viel einfacher, als man denkt. Ich jedenfalls finde, dass es einfacher ist, sechs Wochen in Europa unterwegs zu sein, als eine Tour in Australien zu spielen. Die Gastfreundschaft hier ist viel besser und die Festivals sind perfekt organisiert. Die besten auf der Welt.

Was ist das Erfolgsgeheimnis dieser Bands? Was macht sie so besonders?
Jake: Auf diese Frage habe ich eigentlich keine richtige Antwort, aber ich denke, diese australische Punk-Explosion hatte ihre Anfänge schon in den Siebzigern. Da gibt es eine gewisse Nostalgie bei den heutigen Bands, die alte Helden aus den späten Siebzigern oder frühen Achtzigern wie THE SAINTS, RADIO BIRDMAN, HARD-ONS oder THE COLOURED BALLS verehren. Bands, die diesen rauhen australischen Gitarrensound geprägt haben. Zeitlose Musik, die aus Down Under kommt und ganze Generationen geprägt hat. Wahrscheinlich findest du überall in Australien Bands, die noch nie von THE SAINTS gehört haben, aber unbewusst so klingen wie sie. Dieser Sound hat sich tief in unsere Punk-DNA eingegraben. Du kannst Freitagabend in eine x-beliebige Spelunke in Melbourne gehen und wirst deiner neuen Lieblingsband begegnen. Es ist momentan einfach ein idealer Nährboden.

Warum haben gerade diese alten Bands aus den Siebzigern so einen großen Einfluss auf die heutigen Bands?
Jake: RADIO BIRDMAN oder THE SAINTS haben schon jede Menge unserer Lieblings-Stadionrock-Bands wie FOO FIGHTERS beeinflusst. Ich habe ein Interview gelesen, in dem sogar Kurt Cobain von RADIO BIRDMAN geschwärmt hat.
Jarrod: Diese Bands stammen einfach aus einer goldenen Zeit für Punkrock, in der Bands wie THE STOOGES, RAMONES oder MC5 groß waren. Mit diesen Punk-Urvätern können die Australier mit ihrem Sound locker mithalten.
Jake: Das war einfach eine ganz besondere Zeit für Punkrock und in den Achtzigern ging es dann weiter. Leute wie Henry Rollins oder Jerry A. von POISON IDEA sprachen oft über Bands wie HARD-ONS und den Einfluss von COSMIC PSYCHOS auf NIRVANA. Was alle Bands aus dieser Zeit gemeinsam haben, sind diese absolut roh und durchdringend klingenden Gitarren.
Jarrod: Diesen Gitarrensound kannst du sogar bei AC/DC hören. Ich habe es schon oft erlebt, dass Leute beim Soundcheck zu mir gekommen sind und gesagt haben: „Man merkt, dass ihr eine australische Band seid. Du hast diesen typischen Gitarrensound.“ Dabei ist das nicht mal meine Absicht. Ich kann gar nicht anders spielen. So mache ich es einfach.

Wie unterscheidet sich die Szene in den großen australischen Städten Melbourne, Sydney, Perth oder Brisbane voneinander?
Jake: Ich würde sagen, es gibt definitiv einen „Melbourne-Sound“. Dieser typische Garage-Punkrock-Sound. Ich denke, dass der Durchbruch von EDDY CURRENT SUPPRESSION RING vor 13 Jahren eine entscheidende Rolle für den jetzigen Sound aus Melbourne gespielt hat. Diese Band hat eine ganze Generation von Kids beeinflusst. Ähnlich ist es mit KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD. Dieser Sound dominiert die komplette Ostküste mit Zentren wie Melbourne, Sydney und Brisbane.
Jarrod: Ich würde sagen, dass auch die Surfer den Sound in den Küstenstädten maßgeblich geprägt haben. Daraus hat sich dann wieder ein Subgenre entwickelt mit Bands wie DUNE RATS, SKEGGS, HOCKEY DAD, PIST IDIOTS oder DRUNK MUMS. Die haben alle super Namen, haha.

Hat Melbourne, was die Bandszene betrifft, in Australien eine Ausnahmestellung? Als besonders kreative Stadt?
Jake: Melbourne ist wirklich eine tolle Stadt für Musik, denn da gibt es jede Menge kleine Venues wie Surfspots oder lokale Radiosender. Das bietet natürlich vor allem jungen Bands die Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen. Als Startrampe für Kids, mit einer Band etwas zu erreichen, da wird es einem in Melbourne wirklich leicht gemacht. Deshalb ist es die beste Metropole für Musik in Australien, wenn nicht sogar in der ganzen Welt.
Jarrod: Es ist ziemlich einfach, einen Gig in Melbourne an Land zu ziehen. Wenn du in einer Band spielst und eine Handvoll guter Songs hast, musst du dich wirklich nicht besonders anstrengen, eine Show auf die Beine zu stellen. In anderen Städten ist das viel schwieriger, weil es dort einfach nicht so viele kleine Venues gibt. In Melbourne gibt es praktisch an jeder Ecke eine Bar oder einen Club, in dem du spielen kannst.

Ihr habt ja sogar vor ein paar Jahren eine Tour nur in Melbourne gespielt. Wie war das?
Jake: In Melbourne wird es im Winter richtig kalt, dann bleiben die Leute lieber zu Hause. Speziell 2019 haben die Clubs in Melbourne sehr darunter gelitten. Das war wirklich ein Problem. Wir hatten damals sowieso geplant, einige Shows zu spielen, weil wir einfach Geld gebraucht haben. Deshalb haben wir statt einer Tour durch die Metropolen von Australien, einfach eine Tour durch die Clubs von Melbourne gemacht. Fünf kleine Konzerte an fünf Tagen hintereinander, bei denen wir immer ein komplettes Album von uns gespielt haben. Und am Ende eine Show mit Songs aus allen Alben. Dafür mussten wir uns Songs draufschaffen, die wir zum Teil noch nie vorher live gespielt hatten. Wir mussten unsere komplette Diskografie für dieses Event beherrschen. Das war wirklich eine Herausforderung, denn in den Wochen davor waren wir nonstop auf Tour.
Jarrod: Als wir diese besondere Tour gebucht haben, dachten wir, wir hätten genug Zeit, uns vorzubereiten. Aber es stellte sich heraus, dass es unser erfolgreichstes Tourjahr werden sollte, also mussten wir beim Soundcheck immer noch die alten Songs proben. Wir waren sechs Monate am Stück auf Tour, aber diese fünf Shows waren anstrengender als alle anderen zusammen.
Jake: Zum Glück ist direkt danach die Pandemie ausgebrochen, sonst wären wir jetzt vielleicht keine Band mehr. Wir waren wirklich total ausgebrannt. Das war einfach zu viel.

Euer letztes Album „Nature/Nurture“ ist bei Fat Wreck Chords erschienen, einem Big Player im Punkrock. Wie groß war dieser Schritt für euch?
Jake: Wir versuchen, mit jeder neuen Platte einen Schritt nach vorne zu machen. „Bad Blood“ von 2015 ist damals beim deutschen Label This Charming Man erschienen, weil wir in Europa Fuß fassen wollten. Das hat sich wirklich ausgezahlt. Mit „Nature/Nurture“ wollten wir uns in Amerika beweisen, einem der härtesten Märkte weltweit. Damals haben wir Stevie Erin von Fat Wreck bei einer Musikmesse in Queensland getroffen und als das Album fertig war, haben wir es einfach zu Fat Wreck geschickt. Sie mochten es auf Anhieb und wir haben dadurch einen wichtigen Schritt gemacht. Das war unsere Eintrittskarte nach Amerika. Fat Wreck hat uns dabei geholfen, Konzerte zu organisieren und Visa zu bekommen. Und sie haben uns natürlich die Tür zu ihrer sehr NOFX-orientierten Fanbase geöffnet. Wir versuchen also mit jedem Album Grenzen zu erweitern, obwohl es oft noch unklar ist, welche Grenzen es sind, wenn das Album gerade entsteht. In meinen Augen ist Fat Wreck das beste Label, mit dem wir je gearbeitet haben.

2023 soll ein neues CLOWNS-Album erscheinen. Wohin geht die Reise?
Jake: Wir haben noch nicht über Labels gesprochen, aber unser Hauptziel bleibt Europa. Jedes Mal, wenn wir da sind, wird alles ein bisschen einfacher für uns. Wir wollen einfach so weit kommen, wie es geht. Wir wollen überall spielen, wo wir können, und uns neues Publikum erschließen.

Was kannst du uns über den Sound verraten? Eure letzte Veröffentlichung war ja eine Single mit den Songs „Does it matter“ und „Sarah“, die sehr poppig war. Geht es in diese Richtung?
Jarrod: Mit diesen beiden Songs wollten wir etwas Neues ausprobieren. Wir wollen nicht zurückschauen und uns wiederholen. Also haben wir mit neuen Leuten im Studio zusammengearbeitet und die Fans geschockt, die Alben wie „Bad Blood“ oder „Lucid Again“ mögen. Für unser neues Album werden diese beiden Songs aber keine Rolle mehr spielen. Das wird vermutlich sehr aggressiv und heavy werden.
Jake: Es wird eine Punk- und keine Pop-Platte. Die Single war ein Release, mit dem wir versucht haben, so poppig zu klingen, wie wir können. Aber bei der Produktion haben wir realisiert, was unsere eigentliche Stärke ist, und das ist gefährliche Musik. Deshalb wollen wir diesmal schauen, wie gefährlich wir klingen können, haha.
Jarrod: Wir haben schon einige Demos für Songs aufgenommen, die gute Chancen haben, aufs Album zu kommen. Wir müssen noch ein paar mehr Songs schreiben und im Winter noch eine weitere Tour spielen.
Jake: Ich denke, ein Release in der ersten Hälfte des kommenden Jahres ist realistisch. Das ist unser Ziel. Hoffentlich schaffen wir das.

Wenn ihr so gefährlich seid, warum habt ihr euch dann CLOWNS genannt?
Jake: Wir waren damals einfach dumme Jungs. Unsere Idee hinter dem Namen war nur, dass wir einfach eine dumme Band sind. Pubertäre Kids, die zumindest in den Anfangstagen unangemessene Songs geschrieben haben. Und irgendwann haben wir gemerkt, dass wir den Namen nicht mehr loswerden. Aber es ist okay, wir können damit leben.