DEATH BY STEREO

Foto© by Stephen Jackson

Das tiefe Ende des Pools

Die Kalifornier DEATH BY STEREO fallen seit 1998 mit musikalischer und textlicher Kante auf. In den straff-hymnischen Songs des Quintetts treffen Protest auf Partytauglichkeit und Punk auf Hardcore sowie famose Metal-Riffs. Der ausgestreckte Mittelfinger auf dem Cover von „We’re All Dying Just In Time“ stellt schon optisch klar, was Sache ist. Die Musiker setzen dem Mainstream ein weiteres unangepasstes, wütendes und zynisches Kontra entgegen.

Ich bin stark von politischer Musik beeinflusst und von Haus aus ein Punker,“ bekräftigt Frontmann Efrem Martinez Schulz. „Deshalb benutze ich gerne eine sehr deutliche Sprache. Ich habe es immer geliebt, wie Jello Biafra Bilder mit Worten malen konnte, die einen auf eine Achterbahnfahrt mitgenommen haben. Er konnte einen in die dunkelsten Abgründe der Menschheit hinabführen und gleichzeitig sarkastisch zum Lachen bringen. Die DEAD KENNEDYS hatten einen großen Einfluss auf mich. Mitunter scheint es mir, als hätten sie und einige andere Bands ihre Botschaften für die hinterlassen, die nach ihnen kommen. Es gibt genug Gruppen, die an politischen Forderungen festhalten und immer noch für das einstehen, woran sie glauben. Vielleicht stechen wir ein wenig heraus, weil sich viele Bands mit dem Singen über ihre Freundinnen begnügen. Für mich ist aber auch das vollkommen in Ordnung. Es gibt da draußen Platz für alle Arten von Musik. DEATH BY STEREO ist für uns schon immer ein Vehikel für Veränderungen gewesen, sei es auf persönlicher oder politischer Ebene. Wir kämpfen den aus unserer Sicht guten Kampf an der Seite anderer Bands, die ebenfalls die Fackel weitertragen. Im Moment gibt es aber auch viele junge Bands mit starken Ansichten und Positionen. Wir alle sollten erkennen, wie großartig die Szene ist und wie erstaunlich diese Kids sind.“

Nach mehr als zwei Dekaden in der Szene sind die Kalifornier selbst keine Kids mehr, doch zahm oder angepasst treten sie noch lange nicht auf. Efrem und Co. halten an ihren Überzeugungen und DIY-Wurzeln fest: „Über die Jahre haben wir verschiedene Seiten des Musikbusiness kennen gelernt und uns dabei stets unsere zentralen Prinzipien bewahrt,“ so der Sänger. „Es ist uns wichtig, uns immer wieder daran zu erinnern, warum wir überhaupt hier sind: für die Musik, die Botschaft und unsere Death-for-Life-Familie. Während unserer Karriere haben wir jede Gelegenheit genutzt, die sich uns geboten hat. Es kommt nicht oft vor, dass Hardcore- und Punkbands unserer Generation solche Chancen sehen. Ich habe nie geglaubt, dass ein Vertrag bei einem größeren Label gleich Ausverkauf bedeutet, sondern das als Möglichkeit betrachtet, unsere Botschaft zu den Menschen zu bringen. Auf unserem Weg haben wir uns nie einschüchtern lassen und sind direkt in das tiefe Ende des Pools gesprungen. Ha! Wir sind immer auf der Suche nach unserem nächsten Abenteuer und neuen Erfahrungen. Lasst uns unseren HxC-Punk weiterhin rund um den Globus tragen.“

Seit ihrer Gründung 1998 haben DEATH BY STEREO bereits einiges erlebt: „Im Laufe der Jahre gab es so viele Höhen und Tiefen – schwere Zeiten, härtere Zeiten, verrückte Zeiten, freudige Zeiten, dankbare Zeiten,“ resümiert Efrem. „Alle diese Erfahrungen zusammen sind es, die uns zu dem machen, was wir sind: eine Familie. Ich würde alles für meine Bandmitglieder tun. Nun, fast alles, denn manchmal riechen die Jungs schlecht. Nein im Ernst, wir lieben uns wie Brüder. Um Angelo Moore zu zitieren: ‚Wir sind Eltern, und diese Lieder sind unsere Kinder.‘ Mit der Band haben wir etwas Besonderes, das niemand jemals brechen kann.“ Die Veränderungen im Umfeld ihres Aktionsradius sind dem Kalifornier jedoch nicht verborgen geblieben: „Musik wird heute anders genutzt, wahrgenommen und bewertet,“ bestätigt der Frontmann. „Ich bin aber davon überzeugt, dass sie den Kids immer noch sehr viel bedeutet. Sie wird nur anders konsumiert, aber das ist in Ordnung. Die Dinge müssen sich ändern. Im Alter von 15 Jahren war es mir egal, was irgendjemand sagte, der älter war. Ich erwarte nicht, dass sich die Kids jetzt für irgendjemanden wie mich interessieren, sondern hoffe, dass die Jugendlichen eigene künstlerische Ausdrucksformen finden und so neue Wege gehen. Die Kids, die ich heute bei den DIY-Shows treffe, sind sehr leidenschaftlich bei der Sache und von der Musik begeistert. Die Intensität ist greifbar und darum geht es.“

DEATH BY STEREO halten es in jeder Hinsicht pragmatisch. Das gilt auch bezüglich „We’re All Dying Just In Time“, das kein Longplayer hätte werden müssen: „Das Konzept von Alben hat sich meiner Meinung nach schon vor langer Zeit geändert, auch wenn das bevorzugte Format immer noch von der jeweiligen Szene und Band abhängt,“ äußert der Musiker. „Jüngere Künstler entfernen sich mit Sicherheit von Veröffentlichungen in voller Länge. Die Plattformen machen es einem wirklich einfach, nur Songs herauszubringen, wenn man das will. Das ist großartig, denn so kann man einen konstanten Output erreichen. Unsere letzte Veröffentlichung war ja auch ‚nur‘ eine EP. Wir hatten so viele Songs geschrieben, dass wir nicht alle für ein Album nutzen konnten. Das verhält sich jetzt nicht anders, weshalb wir an einigen Ideen weiterarbeiten werden. Für uns gibt es keine Regeln oder Richtlinien. Als Nächstes folgt vielleicht eine Single, eine EP oder das nächste Album. Die Zukunft liegt noch vor uns.“ Die düster und rabiat umgesetzte siebte Platte der Kalifornier ist für den Moment ein schonungsloser Rückblick und eine ernüchterte Bestandsaufnahme: „Das Album ist ein Spiegelbild dessen, was in unserem Land vor sich geht,“ erklärt Efrem. „Für uns ist es hier eine sehr dunkle Zeit. Dieses Bild wollte ich unbedingt auch sprachlich malen. In diesem Land benötigen wir dringend Veränderungen. Dafür ist es höchste Zeit. Meine Beziehung zur Musik und Band hat sich mit der Zeit vertieft. Ich habe das Gefühl, dass ich aktuell mehr denn je thematisieren muss, was vor sich geht. Außerdem lieben wir es, uns herauszufordern. Nur so kann man sich als Musiker und Mensch entwickeln. Kunst kennt keine Regeln. Und besonders bei Punkrock und Hardcore geht es darum, keine Regeln zu akzeptieren.“