DON’T SLEEP

Foto© by Ryan Brosius

Less Skywalker, more Kenobi

Dave Smalley meldet sich aktuell mit einer seiner jüngeren Bands DON’T SLEEP zurück in Form eines neuen Albums mit dem Titel „See Change“. Nachdem sein altes Zugpferd DOWN BY LAW in den letzten Jahren nicht ganz an die großen Alben der Neunziger anknüpfen konnte, schaffen es DON’T SLEEP, den klassischen Washington DC-Hardcore überzeugend ins neue Jahrtausend zu transportieren. Das und die Tatsache, dass seine Musik und Texte mich seit mehr als dreißig Jahren kontinuierlich begleiten, war genug Grund nachzuhorchen, was ihn gerade so antreibt. Und Smalley wäre nicht Smalley, wenn man dabei nicht auch auf Gedanken träfe, die man nicht unbedingt teilt, die er aber immer gerne offen zur Diskussion stellt. Wir sprechen über den Umgang mit Veränderungen, die Grenze zwischen spiritueller Führung und Scharlatanerie und darüber, welcher Superheld der größte Punkrocker ist.

Dave, DON’T SLEEP sind zurück. Schläfst du eigentlich heute weniger als früher? Mit zunehmendem Alter ändert sich das ja oft.

Da liegst du richtig! Ich schlafe im Durchschnitt etwa sechs Stunden pro Nacht, was nicht genug ist – ich weiß. Aber manchmal schießen mir Lieder in den Kopf, wenn ich aufwache, oder meine Katze oder mein Hund streunert rum, ein Meeting steht an, oder ich habe einfach zu viele Gedanken im Kopf. Meine innere Uhr weckt mich jeden Tag gegen sechs Uhr auf. Dann greife ich nach meinem Handy und checke Texte und E-Mails, schaue mir die Baseball-Ergebnisse vom Vorabend an, und dann ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Das Problem ist, dass ich auch Musiker bin, also bin ich mein ganzes Leben lang in den späten Nachtstunden unterwegs gewesen, habe geschrieben und gesungen und halt Musikerkram gemacht. Deshalb gehe ich oft zu spät ins Bett und wache trotzdem zu früh auf. Das ist nicht gut. Aber wie Benjamin Franklin sagte: „Wenn du tot bist, hast du noch genug Zeit zum Schlafen.“ Das ist der Grund, warum DON’T SLEEP diesen Namen tragen. Es gibt sogar eine Zeile in einem der Songs, die lautet: „Don’t sleep on life“.

Beide Alben von DON’T SLEEP haben ein ähnliches Coverartwork: eine einzelne oder einsame Person in einer natürlichen, aber leeren Umgebung. Beide Motive haben dadurch etwas sehr Schönes, aber zugleich auch Bedrückendes. Steckt ein Konzept dahinter?
Das ist eine sehr interessante Beobachtung. Ja, sie sind beide irgendwie bittersüß oder melancholisch, aber auch schön. So wie das Leben selbst. Wir sind oft allein und fühlen uns oft allein, wie in einer Wüste oder in der Natur. Beide Albumcover sind wahre Kunstwerke, die zum Nachdenken anregen. Weißt du, es gibt die knallharte Seite des Hardcore, die ich natürlich liebe – ich meine, ich bin mit Tattoos übersät und habe verrückte Sachen während meiner Karriere erlebt. Aber es gibt auch eine wirklich tiefe, emotionale Seite. Eine nachdenkliche, introspektive Seite. Und obwohl DON’T SLEEP harte Musik machen, sind sie auch sehr introspektiv.

„See Change“ ist der Titel des neuen Albums. Bist du jemand, der gut mit Veränderungen klarkommt?
Ich denke, im Allgemeinen schon. In meinem Alter – ich gehe auf die sechzig zu – freuen sich viele Menschen auf den Ruhestand, auf Enkelkinder und Reisen oder einfach nur auf etwas Ruhe und Frieden. Ich bin alleinerziehender Vater mit einem wunderbaren kleinen Kind, das ich aufziehen darf, während mein ältester Sohn schon heiratet! Ich habe einen riesigen verrückten Welpen, eine süße Katze, die ich gerettet habe, lebe an einem neuen Ort, den ich nie erwartet hätte, und mache immer noch relevanten Punkrock für die Welt und für meine Seele. Ich denke, dass mein Leben immer von Veränderungen geprägt sein wird. Wir alle neigen dazu, an der Vergangenheit festzuhalten oder das Heute in Angst vor der Zukunft zu leben, und das kann dazu führen, dass wir die Freuden des Jetzt völlig verpassen. Ich tue mein Bestes, um bewusst in der Gegenwart zu leben. Das ist manchmal schwer, aber ich versuche es.

In welchen Bereichen fällt es dir leicht, Veränderungen zu akzeptieren? Wo fällt es dir schwerer?
Ich denke, die Lektüre von Eckhart Tolle hat mir enorm geholfen, ebenso wie meine Beschäftigung mit dem Buddhismus. Die ganze Idee des Buddhismus ist, grob zusammengefasst, das Ende des Leidens. Wir erreichen das Ende des Leidens, indem wir erleuchtet werden oder uns dessen voll bewusst werden. Wenn man sich auf solche größeren Gedanken konzentriert, auf seine Gegenwart im Augenblick, auf seine Verbindung zum größeren Universum, dann beginnt man zu erkennen, dass die meisten Dinge, vor deren Veränderung wir uns fürchten, ohnehin endlich sind. Veränderung ist ganz sicher ein Teil des Lebens, sie ist unvermeidlich. Selbst wenn man sich in einer Lebenssituation befindet, in der jeden Tag alles wunderbar und einfach ist, was fast niemand hat, endet auch dieses Leben. Zur Akzeptanz des Wandels gehört also auch, über seine Unvermeidbarkeit nachzudenken. Das hilft uns, weniger an den Dingen zu hängen und tiefer zu blicken. Wie ich es gerne ausdrücke, habe ich als Luke Skywalker angefangen, war dann lange Zeit Han Solo und bin jetzt dabei, mich in Obi Wan Kenobi zu verwandeln. Und das waren alles Wege, die ich gehen sollte.

Also ein Weg vom Renegaten zum Weisen? Ich hatte bei deinen Texten auf dem neuen Album eher den Eindruck, dass du dich von den introvertierten und persönlichen Themen wegbewegst hin zu extrovertierteren Texten, im Sinne klassischer Hardcore-Themen wie Zusammenhalt, Kampf, Wir-gegen-die ...
Zu einem gewissen Grad, ja. Aber ich wurde auch gerade von einem Podcaster als „Poet“ bezeichnet, und nach langem Nachdenken und obwohl das Wort Poet für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen hat, musste ich zähneknirschend zustimmen. Ich bin vermutlich eine Enttäuschung für diejenigen, die in mir nur einen Action-Helden, einen harten Kerl sehen wollen, und eine Enttäuschung für diejenigen, die in mir nur einen Indierocker sehen wollen, der tiefe Reflexionen über das Leben und die Spiritualität bietet. In Wahrheit bin ich beides. Die Dichotomie hat mich schon immer geprägt. Die andere Sache ist: Ich habe, wo immer möglich, die Musik das Karma für die Texte sein lassen. Lass die Musik führen. Ich glaube, die Leute haben das Bild von mir, dass ich Notizbücher voller Texte habe und nur nach einem Song suche. In Wahrheit stimmt eher das Gegenteil. DON’T SLEEP schreiben die Musik und das löst das Karma, die Texte und die Emotionen aus. Das ist der Grund, warum ich glaube, dass so viele Leute mit der Musik, die ich über so viele Jahre gemacht habe, etwas anfangen können – weil die Musik und die Texte zusammenpassen. Das liegt daran, dass ich einen Song, in dem es zum Beispiel um die Reflexion eines ruhigen Traums geht, nicht in einen wütenden Hardcore-Song zwinge, der mich und den Hörer dazu bringt, in den Moshpit zu stürmen. Stattdessen lasse ich die Stimmung der Musik den Text auslösen. Und deshalb sind die Texte von DON’T SLEEP auch anders als die von DOWN BY LAW oder DAVE SMALLEY & THE BANDOLEROS.

Mir gefällt an den Texten, dass sie einen nostalgischen Touch haben. Punk und Hardcore als Musikstile haben heutzutage auch oft etwas Nostalgisches an sich. Aber ab wann wird Nostalgie peinlich?
Interessante Frage! Ich denke, Nostalgie ist ein Wort, das ich persönlich nicht verwende. Ich lebe im Moment! Ich lebe absolut nicht in der Vergangenheit – obwohl ich Hardcore und Punkrock immer noch liebe und das schon seit meiner Kindheit. Wie es DAG NASTY im Song „Broken days“ vom Album „Minority Of One“ ausdrücken: „Fidelity is a timeless thing / I hold it dear, it’s what I’m offering / It’s priceless, like a matter of faith / Time to pass it on / Hold the light in the darkness / Until it’s gone“. Mit anderen Worten: Wenn jemand sich für ein Interview wie dieses immer noch interessiert oder zu Konzerten geht, ist es absolut richtig und angemessen, all das zu lieben und zu respektieren, was Hardcore und Punk für uns getan haben. Aber das Wichtigste ist, dass man das als Basis nimmt und darauf aufbaut. Das ist der Grund, warum ich nie zu lange in einer Band geblieben bin. Ich glaube, instinktiv war da etwas in mir, das einfach sagte: Es ist Zeit, neue Horizonte zu erobern. Ich weiß, dass es viele tolle Bands gibt, die jahrzehntelang zusammengeblieben sind, und für diese Leute war es richtig. Aber für mich war es im Allgemeinen notwendig, alle paar Jahre neue Bäume zu pflanzen. Abgesehen davon liebe ich die BANDOLEROS, DON’T SLEEP und natürlich DOWN BY LAW so sehr, dass ich hoffe, mit all diesen Jungs Musik zu machen, bis meine Kerze in diesem Leben ausbrennt.

Worum geht es im Song „Harrisburg graves“? Harrisburg ist den meisten Menschen durch den Atomunfall von 1979 ein Begriff. Gibt es einen Zusammenhang?
Das hat nichts mit dem Atomunfall zu tun. Alle Jungs in DON’T SLEEP außer mir sind aus Harrisburg. Das ist eine nette Stadt, die Landeshauptstadt von Pennsylvania. Und wir hatten einen alten Song namens „Harrisburg graves“, den Tom geschrieben hatte, und ich mochte ihn einfach. Letztendlich habe ich den Text komplett umgeschrieben und einen Song daraus gemacht, mit dem sich wohl jeder identifizieren kann: Wenn du durch deine Stadt gehst oder fährst und das Gefühl hast, dass du sie kaum noch wiedererkennst. All die tollen Clubs und Plattenläden sind verschwunden, das Lieblingsrestaurant aus deiner Kindheit ist weg, alle Gebäude wirken neuer und glänzender, aber ohne den gleichen Spirit. „Harrisburg graves“ ist also ein melancholisches Stück über Erinnerungen und die Natur des Wandels.

Funktionieren DON’T SLEEP als Projekt ähnlich wie DOWN BY LAW als feste Band, was das Songwriting angeht? Nimmst du dich mehr zurück und kümmerst dich ausschließlich um die Texte?
Ja, die Jungs in Harrisburg schreiben den Großteil der Musik und ich schreibe die Gesangsmelodien und die Texte, sobald ich die Tracks höre. Dann passen wir die Länge der Abschnitte an, wann die Bridge kommen soll und solche Sachen. Aber ich schreibe alle Gesangsmelodien und den Großteil der Texte. Wie auch immer, ich habe zwei meiner besten Songs für DON’T SLEEP geschrieben: „The wreckage“, auf dem ersten Album, und „Love is the suture“ auf „See Change“. Mann, diese beiden Songs swingen einfach. Das dunkle Reggae-Feeling von „The wreckage“ war genau das Richtige für DON’T SLEEP. Wir hätten es auch mit DOWN BY LAW großartig umsetzen können, und Sam Williams ist der beste Songwriter/Gitarrist der Welt. Aber irgendwie wusste ich, dass die Art, wie die Jungs von DON’T SLEEP spielen, insbesondere die Rhythmusgruppe um Garrett und Jim, das Karma haben würde, das ich fühlte. Und sie haben einen so unglaublichen Job gemacht. Das Gleiche gilt für „Love is the suture“ – die Jungs wollten unbedingt ihren Ska spielen und sie haben es großartig gemacht.

Fühlst du dich als Frontmann eigentlich mit oder ohne Gitarre wohler? Du kennst ja beides. Macht es überhaupt einen Unterschied?
Ich denke, wie bei der Frage nach den Texten, neige ich jeweils dazu, das zu tun, was am besten für die Songs ist. Bei DOWN BY LAW klingt es großartig, zwei Gitarren zu haben, und ich kann mir nicht vorstellen, ohne Gitarre auf der Bühne zu stehen. Aber bei DON’T SLEEP denke ich, dass sich diese Songs für einen Frontmann eignen, der bis an den Rand der Bühne gehen und das Mikrofon in die Menge halten kann und so die ganze Energie transportiert. Also, lass die Musik entscheiden!

Du beziehst dich in deinen Anmerkungen zum Song „20/20“ auf Eckhart Tolle. Je nachdem wen man fragt, wird Tolle als einer der wichtigsten Intellektuellen des 21. Jahrhunderts bezeichnet oder als Esoteriker, der mit Kalendersprüchen Geld verdient. Inwiefern ist er ein Einfluss für dich?
Er ist ein ernstzunehmender Intellektueller und geistiger Einfluss in unserer Zeit. Und er ist echt. Ich bewundere unter anderem seine Fähigkeit, Elemente des Buddhismus, des Christentums, des Hinduismus und anderer Religionen und Traditionen zu einer bemerkenswerten und friedlichen Weltsicht zu verschmelzen, die sich auf das Jetzt konzentriert. Ich vermute, dass viele Leute, die sich negativ über ihn äußern, entweder seine Werke nicht wirklich gelesen haben oder sie zwar gelesen, aber seine Worte nicht in ihrem eigenen Leben umgesetzt haben. Für diejenigen von uns, die das getan haben, war es augenöffnend, über die Vergänglichkeit dieses Lebens nachzudenken und zu lernen, sich auf die Verbindung aller Dinge in diesem Universum zu konzentrieren, so dass die Verstandes/Gedanken/Besessenheits/Ego-Muster der Selbstzerstörung, in die wir alle verwickelt sind, offensichtlich werden.

Ein Punkt, den ich bei Tolle nachvollziehen kann, ist seine Kritik an unserer heutigen hyper-individualistischen Zeit, in der alles auf Selbstinszenierung und Selbstoptimierung ausgelegt zu sein scheint. Seine Lösung kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Er sagt, dass man sein „Ego“ überwinden muss. Und dieses „Ego“ ist ein trügerisches, gestörtes, ängstliches und negatives Selbstbild, das von unserem Verstand konstruiert wird. Für mich klingt das auf den ersten Blick widersprüchlich. Muss ich nicht gerade meinen Verstand nutzen, um diese Widersprüche aufzulösen?
Diese Frage des Egos ist für die meisten von uns, mich eingeschlossen, eine der schwierigsten Stellen in Tolles Werken. Und dieser Kampf ist an sich schon ein Beweis dafür, dass er recht hat. Denn wir sind in unser eigenes Selbstbild eingewickelt, und die Botschaft, dass dies für die meisten von uns eine Art Besessenheit ist, bedroht das Ego. Er weist also darauf hin, dass wir uns in der Regel durch das, was wir tun, oder andere Selbstbilder definieren und alles durch diese Linse betrachten, anstatt ein größeres Bild der Gegenwart, der Verbindung mit allen Dingen in allen Universen zu sehen. Auf diese Weise lassen wir viel Negatives in unser Leben kommen, weil wir unaufhörlich daran arbeiten, unser Selbstbild aufrechtzuerhalten, einschließlich des Festhaltens von Ressentiments aus der Vergangenheit oder der Bereitschaft, Zukunftsängste jede Entscheidung im Jetzt bestimmen zu lassen. Aber die Menschheit muss mehr sein als das. Wenn sie es zulässt, ist der gegenwärtige Moment der Schlüssel. Schalte zum Beispiel gerade jetzt für eine Weile dein Telefon aus, die Fernsehsendung, die Überlegung, wie du deine Rechnungen bezahlen sollst, was auch immer. Und höre einfach auf alles, was um dich herum geschieht – Vogelgezwitscher, Hupen, das Atmen des Hundes, dein Atmen, all das. Sei einfach! Wenn du spürst, wie dieses Gefühl friedlicher Stärke durch dich hindurchfließt, hast du den ersten Schluck eines unglaublichen Elixiers getrunken, eines, das wir erleben sollen.

Dahinter steht das Konzept der Achtsamkeit, das verstehe ich. Allerdings werde ich immer misstrauisch, wenn sich hinter Menschen, die für Bescheidenheit und Empfindsamkeit stehen, ein Geschäftsmodell befindet, das sehr lukrativ zu sein scheint. Tolle zieht viele Prominente wie zum Beispiel Paris Hilton an und seine Workshops und Seminare kosten viel Geld.
Ja, das ist ein interessanter Einwand. Ist finanzieller Erfolg ein Nachteil, insbesondere für einen spirituellen Führer? Das ist für viele von uns ein ziemliches Rätsel, nicht wahr? Wie XTC in „Peter Pumpkinhead“ sagen, hat Petrus dem Vatikan gezeigt, wozu Gold gut ist. Und natürlich gab es in den USA zahlreiche religiöse Führer, die Feuer und Schwefel predigten, aber ihre Gemeinden für alles zu melken schienen und auf großem Fuß lebten. In gewissem Sinne sind wir also schon von einigen geistigen Führern verbrannt worden. Aber lass uns tiefer graben. Muss ein geistiger Führer ein armer Schlucker sein? Das glaube ich nicht. Wenn sie oder er erfolgreich ist, Dutzende oder Hunderte von Menschen beschäftigt und eine Botschaft der Freundlichkeit, der Positivität und der Verbindung mit dem Universum verkündet, macht der Erfolg dann all das zunichte? Wenn deine Lieblingsband finanziell erfolgreich ist, einschließlich Hardcore- oder Punkbands, bedeutet das, dass ihre Musik und ihre Texte in deinem Leben keine Rolle mehr spielen? Das sollte es nicht. Eckhart Tolle hat mehrere Bestseller geschrieben, die Millionen von Menschen positiv beeinflusst haben. Mit dieser Art von Erfolg kommt auch Geld, und aus meiner Sicht ermöglicht ihm dieser Erfolg, das zu tun, was er tun muss, um uns zu helfen, ihn zu hören. Er hält keine Predigt über das Einsiedlerdasein, fährt dann aber einen Rolls Royce. Mit anderen Worten, wir sollten nicht zulassen, dass unsere eigenen Vorannahmen über den Erfolg uns daran hindern, die eigentliche Botschaft zu hören. Die Botschaft ist der Schlüssel und der Türöffner. Wenn wir unsere Zeit damit verbringen, uns Gedanken darüber zu machen, wer was hat und was er unserer Meinung nach mit seinem Geld tun sollte, dann beweisen wir bereits, dass der Ego-getriebene Verstand unser Leben beherrscht und uns daran hindert, uns auf das Jetzt und unsere eigenen Verbindungen zueinander zu konzentrieren.

Ich bin in letzter Zeit etwas pessimistisch, was die Situation für tourende Bands angeht. Die Preise für Mobilität, Rohstoffe etc. steigen und werden für die Bands oft schwer kalkulierbar. Dennis Lyxzén meinte neulich in einem Interview, dass er davon ausgeht, dass in den nächsten Jahren viele Bands deshalb nicht mehr auf Tour gehen werden. Stirbt die Szene daran? Oder entstehen daraus wieder mehr lokale und regionale Netzwerke, von denen kleinere Bands profitieren?
In den „Harry Potter“-Büchern und Filmen hat Prof. Dumbledore einen Phönix, der Fawkes heißt. Der Sinn des Phönix ist es, uns zu zeigen, dass Dinge immer aus der Asche auferstehen. Ab etwa 1980 haben wir aus dem Punk den Hardcore gemacht und in der ganzen Welt verteilt ist eine Szene entstanden, die es vorher nicht gab. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Touren für viele Bands bestehen bleiben wird, und ja, wenn das Touren weniger wird, werden wie bei Fawkes, dem Phönix neue Netzwerke entstehen. Die größere Bedrohung für das Touren ist das Alter – nicht nur dass die Leute sterben, Dave Franklin von VISION, Rob Vitale von BLACK TRAIN JACK, John Stabb von GOVERNMENT ISSUE und andere –, es wird auch immer schwieriger zu touren. Und für das Publikum wird es immer schwieriger, zu einer Show zu kommen und dann am nächsten Morgen zur Arbeit zu gehen. Zumindest fällt es mir schwerer.

Du hast eine große Vorliebe für Superhelden, was man an deinen Tattoos und mehreren Songs sieht. Stehst du eher auf die Klassiker oder kannst du den neueren Serien und Filmen auch etwas abgewinnen?
Ich stehe vor allem auf die klassischen Marvel-Sachen aus den Achtzigern, aber gelegentlich greife ich auch zu neueren Titeln. Für mich vermitteln die neueren Sachen oft nicht das gleiche Gefühl von Freude und Spannung, das ich an den Marvel-Titeln der Achtziger oder Neunziger Jahre liebe. Einige „Batman“-Comics beeindrucken mich auch heute noch. Bei den Filmen fällt es mir manchmal schwer, sie zu sehen, weil sie die Ursprünge so vieler Superhelden in den Schmutz ziehen. Ich lese auch sehr gerne Jack Kirby-Titel oder Steve Ditko.

Welcher Superheld ist dein Favorit? Und welcher Superheld entspricht deiner Meinung nach am ehesten einer Punk/Hardcore/DIY-Ethik? Gibt es so einen überhaupt?
Im Moment lese ich ein Taschenbuch mit Thor-Geschichten aus der John Buscema-Ära. Unglaubliche Kunst und Geschichten! Er kämpft gegen den Destroyer, Galactus und den Feuerlord. Fantastisch! Heute ist es also Thor. Ich denke, dass Peter Parker, vor allem in den frühen Tagen von Spider-Man, eine echte DIY-Ethik hatte, eine, die durch die Armut bedingt war.

Setzt du dir nach deiner langen Karriere eigentlich noch bestimmte Ziele, gibt es eine Bucket List, die du abarbeitest?
Nein, ich habe keine Bucket List. Nur die Liebe zum Handwerk, die Liebe zu dem, was Musik für mich getan hat, und das Glück, dass ich immer noch originelle, fesselnde Musik für die Welt produzieren kann. Ich hatte mal einen Freund, der immer, bevor ich auf Tour, auf die Bühne oder ins Aufnahmestudio ging, zu mir sagte: „Geh und bring den Menschen Freude!“ Und das ist eine gute Art, es auszudrücken. Solange ich Freude und Kraft in die Welt bringen kann, werde ich rocken.