FIDDLEHEAD

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Zwischen Joyboy und Sadman

Das Leben zerreißt einem das Herz. Ständige Hochs und Tiefs und wir irgendwo dazwischen. Nachdem sich Patrick „Pat“ Flynn auf dem ersten FIDDLEHEAD-Album mit dem Tod seines Vaters auseinandersetzte, geht es auf „Between The Richness“ erneut um dieses Thema – aber nur zum Teil. Flynn ist Vater geworden, weswegen sich unter die Songs über Schmerz und Verlust auch Lichtblicke gemischt haben, die aber weiterhin nur mit Vorsicht genossen werden sollten. Vieles, was geschehen ist, lässt sich nie wieder abschütteln, aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig.

Pat Flynn ist ein gut gelaunter, sympathischer Gesprächspartner, der um ehrliche und authentische Antworten bemüht ist. Ihm gefällt die Tatsache, dass es ohne Umschweife direkt zur Sache geht, und er erläutert, warum das zweite FIDDLEHEAD-Album, wie es auch schon der Titel nahelegt, von den Gegensätzen handelt, die unsere Existenz bestimmen: „Mark Twain sagte auf seinem Sterbebett: ‚Seht die Sonne und diese wunderschöne Welt, sie verspotten mich.‘ Für mich repräsentiert dieses Zitat ein tiefes Verständnis von der Natur des Lebens. Mein Vater starb zu Beginn des Frühlings, die Natur blühte auf und ich befand mich in dieser mentalen Hölle. In meinen Texten ringe ich mit diesen Gegensätzen, weil es für mich genau das ist, was das Leben ausmacht. Zu glauben, dass nur das eine oder das andere das Leben bestimmt, kann einen leicht auf die falsche Fährte locken.“

Die Gegensätze finden auf „Between The Richness“ unter anderem Ausdruck in den Charakteren Sadman und Joyboy, wobei Sadman für Flynns verstorbenen Vater Richard steht und Joyboy für Flynns Sohn, der ebenfalls den Namen Richard trägt. „Dem Bild liegt die Vorstellung zugrunde, wie mein verbitterter, alter Vater meinem Sohn und mir aus dem Jenseits dabei zusieht, wie wir miteinander spielen.“ Und Flynn befindet sich in diesem Spannungsverhältnis aus Freude und Trauer genau in der Mitte, dort, wo das wirkliche Leben stattfindet? „Genau da“, bestätigt er. „Der Titel ‚Between The Richness‘ spielt natürlich in erster Linie auf dieses Dazwischen-Sein an, aber natürlich auch auf die Band, das farbenfrohe Artwork und meinen inhaltlichen Ansatz bis zu diesem Punkt.“

Eine negative Erfahrung konnte Wunden für ein Leben reißen, aber die positive Erfahrung, die Geburt von Flynns Sohn, war nicht imstande, diese Wunden wieder vollständig heilen zu lassen? „So ist es. Man kann weder in der einen noch in der anderen Bubble dauerhaft existieren“, stellt Flynn fest. „Noch bevor ich Sänger bei HAVE HEART wurde, habe ich immer wieder Strömungen in der Hardcore-Szene erlebt, die eine schon fast cartoon-artige Vorstellung eines positiven Lebensgefühls propagiert haben. Zu denen habe ich schnell den Bezug verloren. Ich hatte schon immer meine Probleme mit den Happy-Go-Lucky-Menschen auf dieser Welt, was aber nichts mit Resignation zu tun hat, sondern einfach mit meinen Beobachtungen und Erfahrungen. Wenn man die beiden FIDDLEHEAD-Platten nun miteinander vergleicht, handelt die erste vom Tod, der ins Leben tritt, und die zweite vom Leben, das dem Tod gegenüber wieder Boden gutmacht. Das war so nicht geplant, aber ich finde es toll, dass sich im Nachhinein so ein symbiotisches Bild der beiden Alben ergibt.“ Schließlich sieht Flynn ein, dass er den Schmerz und die Trauer über den Tod seines Vaters niemals abschütteln kann und dass dies einfach für immer ein Teil seines Lebens sein wird. Auf den ersten Blick mag das wie eine deprimierende Feststellung wirken, aber falsch gedacht: „Die Erkenntnis, dass mich die Trauer für den Rest meines Lebens begleiten wird, mein Leben aber trotzdem okay ist, war wie ein Befreiungsschlag für mich.“ Ein Moment der Klarheit also, wie Flynn bestätigt, der dazu geführt hat, das Leben mit anderen Augen zu betrachten.
Nun behauptet Flynn gar nicht erst, dass er in seinen Texten andere Rollen annimmt oder irgendetwas erfindet. Ein wahrhaft authentischer Ansatz, der selbstverständlich von den Hörern honoriert wird. Aber bekommt man da nicht hin und wieder das Gefühl, sich vielleicht etwas zu nackig gemacht zu haben? Flynn verneint: „Es gab Dinge in der Vergangenheit, über die ich endlos gegrübelt habe und die ich lieber nicht oder anders gesagt hätte. Heute habe ich mir ein Level von Selbstsicherheit und mentaler Stabilität erarbeitet, über das ich sehr glücklich bin – über vieles zerbreche ich mir einfach nicht mehr den Kopf. Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Akzeptanz dafür gewachsen ist, die eigenen Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Dinge, die ich mich vor zehn Jahren vielleicht nicht getraut hätte, sie öffentlich auszusprechen, sind heute, in meinen Augen, gesellschaftlich breiter akzeptiert.“

Zurück zu den Gegensätzen. Diese machen sich nicht nur in den Texten, sondern auch in der Musik von FIDDLEHEAD bemerkbar. Hat man innerhalb der Band eigentlich irgendwann einmal die Eckpunkte oder die Definition des eigenen Sounds verhandelt? Flynn winkt ab: „Eine gute Frage, ob wir dies jemals getan haben, ich denke aber nicht. Meine Definition unserer Musik klingt immer leicht gelangweilt, dabei treibt mich diese Frage schon um. Es ist kein Hardcore und es ist auch kein Indierock, es nicht Dance Music und kein Pop-Punk, aber es schwirren Elemente von allem darin herum. Fest steht, aus dem Kern bricht der Geist des Punk heraus, ohne ihn würde das gesamte Konstrukt nicht zusammenhalten. Ein Freund von mir beschrieb unseren Sound mal als Non-Core: Im Zentrum findet man die Grundsätze von Hardcore und Punk, aber die Musik basiert auf der expliziten Entscheidung, nicht hart zu sein. Da wir auf einem Indielabel sind, gefällt mir die simple Bezeichnung Indiepunk aber auch sehr.“

Gegen Ende des Interviews erzählt Flynn ausgiebig davon, was FIDDLEHEAD sich bereits für das dritte Werk vorgenommen haben: Die Perspektive, aus der er schreibt, soll sich ändern, der Blick nicht nur auf das Innere gerichtet sein, sondern auch auf das, was um ihn herum passiert. Anscheinend hat der Mann mit den ersten beiden Alben tatsächlich Platz für Neues geschaffen.