GHØSTKID

Foto© by Christian Ripkens

Alles auf eine Karte

Man kann sich schon fragen, was einen dazu bewegt, aus einer der wohl erfolgreichsten Metalcore-Bands Deutschlands auszusteigen und komplett bei Null anzufangen. Sushi aka GHØSTKID hat diesen Schritt gewagt, hat bei ESKIMO CALLBOY hingeschmissen und nun alles auf eine Karte gesetzt.

Sag mal, wie soll ich dich eigentlich nennen, Sushi oder GHØSTKID?

Das fragen mich tatsächlich alle möglichen Leute gerade. Sushi ist einfach schon seit Ewigkeiten mein Spitzname gewesen und GHØSTKID ist mein Soloprojekt. Aber es fühlt sich für mich auch komisch an, „Ich bin’s, das Ghøstkid!“ zu sagen. Ich frage jetzt einfach immer alle, mit denen ich Interviews mache, wie ich das am besten machen soll, haha!

Ist GHØSTKID jemand anderes als Sushi von ESKIMO­ CALLBOY?
Das auf jeden Fall. Es klingt alles anders und ich kann als GHØSTKID ganz andere Sachen repräsentieren, als ich das als Sushi könnte. Die ganze Platte ist ja düsterer und das ist dieses GHØSTKID-Gewand. Es ist schon so was wie ein Alter Ego.

Du hast GHØSTKID ja relativ zeitgleich mit deinem Ausstieg bei ESKIMO CALLBOY angekündigt. Hast du da also schon vorher daran gearbeitet? Ist das von einem Seitenprojekt zu deiner Hauptband dann geworden?
Im Prinzip war es genau so. Am Ende war ich bei ESKIMO CALLBOY relativ unzufrieden, konnte mich mit der Musik und dem Drumherum nicht mehr wirklich identifizieren und habe dann angefangen, für mich selbst Songs zu schreiben. Ich bin ja eigentlich Gitarrist und nicht wirklich Sänger. Jedenfalls war ich da nicht mehr so glücklich und habe mir meine Gitarre geschnappt. Ich habe das damals gar nicht richtig fokussiert, was das jetzt werden soll. Ich habe das eher als Ausgleich betrachtet. Dann hat sich aber relativ schnell gezeigt, dass das etwas ist, was mir über die Jahre gefehlt hat. Selber tätig sein, selber eine Vision zu verfolgen und das hat mir dann so viel bedeutet, und mich so glücklich gemacht, dass ich mich darauf fokussieren wollte. Dadurch ist es auch zu dem Ausstieg gekommen, denn zwei Dinge zusammen funktionieren da nicht. So hat das angefangen.

Dein Ausstieg hat bei euren Fans damals zu einem größeren Aufschrei geführt, was ja bei Sängern häufig so ist. Ich habe aber das Gefühl, nachdem ESKIMO CALLBOY und du neue Songs veröffentlicht habt, dass die Fans recht glücklich mit beidem sind.
Tendenziell ist es so. Wenn man sich mit dem Sound nicht mehr identifizieren kann, macht man auch zwangsläufig was anderes. Die meisten schreiben, es sind zwei gute Bands rausgekommen. Da kann ich gut mit leben.

Du hast bei ESKIMO CALLBOY von der Musik gelebt. Hat das die Entscheidung schwerer gemacht? Du hast ja auch die finanzielle Sicherheit aufgegeben.
Natürlich hast du Angst davor. Das ist dein Job und du bezahlst damit deine Miete. Aber wenn sich das, was du mal mit Leidenschaft begonnen hast, nur noch nach einem Job anfühlt, dann kannst du auch alles andere machen. Ich bin immer so ein Ganz-oder-gar-nicht-Typ. Und ich möchte auch dahinterstehen und es repräsentieren können. Natürlich spielt das mit rein. Aber wenn du nicht mehr glücklich bist, warum macht man das dann? Ich habe damals angefangen, Musik zu machen, um ein Zuhause zu haben und selber zu entscheiden, welchen Weg ich gehe und wie gut ich den gehe. Das ist natürlich schön, wenn du damit dein Geld verdienst, aber für mich die letzte Motivation, das dann durchzuziehen. Was einem die Musik zurückgibt, kannst du mit Geld gar nicht bezahlen. Auch wenn sich das kitschig anhört. Natürlich war da eine Existenzangst, aber mir geht es dabei nicht ums Geld und deswegen muss ich da jetzt raus. Was kann mir denn schlimmstenfalls am Ende passieren? Ich muss mein Auto abgeben und esse nur noch Reis, aber vielleicht schreibe ich ja eine geile Platte und es funktioniert wieder genauso gut. Man weiß es ja nicht.

Dann lass uns mal über deine neue Band reden. Ich will jetzt nicht sagen, dass du dir die zusammengecastet hast, aber du hast dir die Leute schon selbst zusammengesucht. So kennt man das eigentlich nicht von Bands, ihr seid jetzt keine Kumpels von früher aus der Schule, oder?
Eigentlich schon. Danny und Stani kenne ich schon seit Urzeiten, die haben ja auch damals mit David von ESKIMO CALLBOY zusammengespielt. Da haben wir uns kennen gelernt und ich war auch schon mal mit Stani in einer Band. Da war ich so zwanzig Jahre alt. Auch den Schlagzeuger, den Steve, kenne ich noch von der ersten ESKIMO CALLBOY-Tour. Ich hatte da nicht so viele Optionen. Ich wollte meine Vision selber ja so durchziehen, und da habe ich auch mit offenen Karten gespielt. Das hört sich immer brutal an, aber ich habe allen gesagt, dass sie sich gerne einbringen können, aber am Ende muss ich das letzte Entscheidungsrecht haben. Und auf die Situation hat nicht jeder Bock. Und ich wollte auch, dass die Leute meine Vision auch verstehen, was ich machen möchte, und auch mit der gleichen Leidenschaft dahinterstehen. Da wird der Kreis auf einmal ganz klein. Ich hatte auch andere Leute im Auge, da wurde aber schnell klar, dass das einfach nicht funktioniert. Mir war es einfach wichtig, Leute zu haben, die für sich funktionieren, und das macht einfach Bock.

Man hört schon, dass deine Rolle bei ESKIMO CALLBOY­ und GHØSTKID sehr unterschiedlich ist, oder?
Jeder bringt ja seinen eigenen Kopf mit, gerade wenn man zehn Jahre gemeinsam Musik gemacht hat. Am Anfang machst du das, weil du Bock hast, dann hast du auf einmal Erfolg und dann denkst du ja immer weiter. Wir haben immer versucht, uns weiterzuentwickeln. Menschen ändern sich, Geschmäcker ändern sich. Das ist schon hart, bei sechs Leuten alles unter einen Hut zu bekommen, muss ich ganz ehrlich sagen. Am Ende gab es für mich einfach viel zu viele Kompromisse, die ich eingehen musste, wodurch ich dann auch diesen Drang entwickelt habe, mal selber mein Ding zu machen.

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Der Fuze-Podcast
Das komplette Interview mit Sushi könnt ihr in FuzeCast Folge 87 nachhören, da gibt es das Gespräch ungekürzt!