LOST FOR LIFE

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Songwriting-Maschinen

Anfang 2020 gegründet, nutzten LOST FOR LIFE die durch Corona gewonnene Freizeit und veröffentlichte erst eine EP, auf die jetzt ihr Debüt-Album „Don’t Let It Consume You“ folgt. Das Duo ist nicht neu in der Musikbranche, Jason Spencer war zuvor bei WILSON als Gitarrist aktiv, Dylan Richter war als Sänger von FOR THE FALLEN DREAMS zu hören. Ihr Debüt-Album bietet 2000er Emo/Metalcore/Posthardcore-Vibes, mit eingängigen Songs und Ohrwurmpotenzial. Wir ließen uns all das von Jason und Dylan erläutern.

Ist es durch die räumliche Distanz zwischen euch einfacher oder schwieriger, euer gemeinsames Projekt LOST FOR LIFE zu organisieren?

Jason: Auf gewisse Weise ist es einfacher, die Distanz zu haben, weil wir uns so schneller auf die kreativen Teile der Band konzentrieren, anstatt uns mit Kleinigkeiten aufzuhalten. Das erlaubt es uns, effektiver an der Musik zu arbeiten, was sehr schön ist. Auf der anderen Seite macht die Tatsache, dass wir uns nicht von Angesicht zu Angesicht persönlich austauschen können, die organisatorische Seite der Aktivitäten schwieriger. Doch wir haben beide bereits in mehreren Bands zusammen gespielt und kennen uns gut. Diese Erfahrung hilft uns, bestimmte Aufgaben mit der nötigen Leichtigkeit anzugehen. Was das Touren anbelangt, hoffen wir, als Band spielen zu können, sobald das wieder sicher möglich sein wird.

Gab es Überlegungen, den Release zu verschieben? Es gibt kaum ja kaum eine Chance, das Album mit Live-Auftritten zu supporten.
Dylan: Um ehrlich zu sein, hatten wir gar nicht unbedingt vor, ein komplettes Album umzusetzen, auch wenn ich diesbezüglich sehr hartnäckig war. Wir hatten das Gefühl, dass es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt gibt. Da wir eine neue Band sind, ist es besser, das Material jetzt herauszubringen, bevor das Touren beginnt. Wir wollen wirklich, dass die Kids das hören! Der ganze Sinn dieses Projekts ist es, Musik zu veröffentlichen, und zwar möglichst schnell. Wir wollen allen zeigen, dass wir Songwriting-Maschinen sind. In weniger als sechs Monaten haben wir 18 Songs geschrieben und aufgenommen. Doch keine Sorge, bevor das Touren wieder losgeht, werden wir wahrscheinlich noch mehr Material herausbringen.

Was für eine Idee steckt hinter LOST FOR LIFE erzählen?
Jason: Das Ganze ging im Grunde los mit einem Demo, das ich Dylan geschickt habe, aus dem der Song „You without you“ wurde. Es war das typische Szenario: ein Freund spielt einem anderen Freund eine Songidee vor, woraus dann etwas mehr wird. Ich schreibe Stücke in den verschiedensten Genres, aber ich hatte immer Schwierigkeiten, Sänger zu finden, die etwas damit anfangen können und einfach loslegen. Und Dylan buchte gleich einen Studiotermin und von da an kam der Ball ins Rollen. Ich bin sehr dankbar, dass er etwas in der Musik gesehen hat! Uns war von Anfang an wichtig, uns bei allem nur nach unseren eigenen Bedürfnissen zu richten. Es ist mal erholsam, dass es bei einem Duo nur darauf ankommt, ob wir beide uns gegenseitig überraschen und begeistern können. Und dank unserer gemeinsamen Geschichte begegnen wir uns in kreativer Hinsicht auf Augenhöhe. Wir machen das alles nur zu unserer eigenen Vergnügen, und wenn es den Leuten auch gefällt, verdammt cool!

Ihr setzt sehr auf Eingängigkeit. Warum braucht ihr dazu noch die heftige Kante?
Dylan: Dieser „eingängige Stil“ ist für Jason und mich etwas ganz Selbstverständliches. Als wir im Januar 2020 anfingen, darüber zu reden, Musik zu machen, wussten wir, dass wir auch in eine heavy Richtung gehen würden, aber schon Rock und Pop drin haben wollten. Ich denke nicht, dass es irgendwie erzwungen klingt. Wir wollen schlicht unsere Einflüsse aus den frühen Nullern aufgreifen und sie einem modernen Twist versehen. Im Moment gibt es sonst niemanden, der so etwas macht.

Euer Debüt hat vergleichsweise viel Struktur, Dynamik und Melodie. Kommt das durch eure Entwicklung als LOST FOR LIFE oder daher, weil ihr als Persönlichkeiten gereift seid?
Jason: Ich habe das Hardcore/Metalcore-Genre schon immer geliebt. Die letzten zehn Jahre meiner Musikkarriere war ich allerdings im Hardrock unterwegs. Also musste ich für LOST FOR LIFE in gewisser Weise die Spinnweben wegwischen und „meinen Sound“ wiederfinden. Unsere EP ist sehr spontan entstanden, so dass wir uns bei einem Großteil der Musik auf unsere „guilty pleasures“ verlassen haben. Trotzdem würde ich definitiv sagen, dass dieses Album Ausdruck unserer Entwicklung als Künstler ist.

Glaubt ihr, dass es notwendig ist, eine gewissen Abstand zu seiner Musik zu gewinnen, um deren Qualität besser einschätzen zu können?
Dylan: Jason und ich sind sehr streng, was unsere Instrumente, den Sound und die Qualität unserer Arbeit betrifft. Ich denke, es ist sehr wichtig, seine eigenen Sachen auch mal aus der Distanz zu betrachten, um sich ein präziseres Urteil zu bilden zu können. Ich denke, konstruktive Kritik kann extrem hilfreich sein. Wenn sich meine Freunde meine Musik anhören, möchte ich auch ihre aufrichtigen Gedanken dazu hören. Es ist okay, wenn jemand unsere Musik nicht mag, aber niemand kann behaupten, sie sei nicht gut. Wir wussten, dass wir die Messlatte höher legen mussten, nachdem im Juli unsere EP „We All Share The Blame“ herauskam, und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir das geschafft haben.

Ab welchem Punkt ist etwas nicht mehr die Weiterentwicklung des eigenen Sound, sondern wird eine völlig neue Richtung eingeschlagen. Wo ist da die Grenze?
Jason: Nein, wir haben uns keinerlei Limits gesetzt, wie weit wir mit dem Sound bei LOST FOR LIFE gehen wollen. Aber wenn etwas gibt, wo wir kompromisslos sind, dann wenn es darum geht, unserer Vision treu zu bleiben und unserer künstlerischen Repräsentation nach außen. Vom Artwork bis hin zur Musik selbst, wir wollen einfach, dass alles sich ganz organisch entwickelt. So frei wie bei LOST FOR LIFE fühlte ich mich bislang noch bei keinem anderen Musikprojekt.

Was ist aus eurer Sicht die Essenz von LOST FOR LIFE, wenn ihr gebeten würdet, es herunterzubrechen?
Dylan: Schon als Sänger von FOR THE FALLEN DREAMS lautete meine Antwort immer gleich. Seit Tag eins habe ich über das Leben geschrieben und wie hart es manchmal sein kann. Ich glaube, mit unserer Musik und auch mit meinen Texten können sich Menschen jeder Altersstufe identifizieren. Jeder macht irgendwann die gleichen Dinge durch, mehr oder weniger. Ich möchte, dass die Leute wissen, dass sie nicht alleine sind. Es ist völlig okay, auch mal niedergeschlagen zu sein. Es geht darum, wie man damit umgeht, wenn man sich so fühlt, was man daraus macht. Ich kann nicht wirklich für andere sprechen, aber ich weiß, dass unsere Musik zu mir spricht. Tatsächlich habe ich sie ja für uns geschrieben. Für all die verlorene Musik der vergangenen Jahre. Aber wir wollten es fröhlich klingen lassen und genau das tut es auch. Ich habe sehr viel Spaß daran!

Es heißt oft, die Leute wären heute nicht mehr bereit, Zeit in etwas zu investieren, sich Gedanken zu machen. Euer Debüt erfordert das aber aus meiner Sicht. Warum geht ihr dieses „Risiko“ ein?
Jason: Wir leben in einer extrem schnelllebigen Zeit, in der uns Unterhaltung rund um die Uhr per Mausklick zur Verfügung steht. Außerdem befindet sich die Welt aktuell im Krisenmodus. Zu meinen, dass sich irgendwer über einen längeren Zeitraum für irgendwas interessiert, ist einfach ein Irrglaube ... und man kann es niemand verübeln! So funktioniert die Welt nun mal im Moment. Die Sache ist die, Dylan und ich haben eine lange gemeinsame Geschichte als Freunde, aber wir haben noch nie zusammen eine Platte herausgebracht. Wir haben in den frühen 2000ern mit unserer alten Band ein paar Songs veröffentlicht, aber zu einem richtigen Album kam es nie. Wir haben damit also den Haken unter etwas gemacht, das ungefähr auf das Jahr 2007 zurückgeht. Noch mal, wir machen dieses Projekt in erster Linie für uns selbst, und wenn die Leute mögen, was wir machen, ist das toll. Wir sehen die Rolle des Zuhörers als jemanden, der sich auf unsere Geschichte einlässt.

Was hofft ihr, dass die Leute von „Don’t Let It Consume You“ für sich mitnehmen werden?
Jason: Ich hoffe einfach, dass sie es in jeder Hinsicht genießen! Es ist ein absolut ehrliches Album und wir sind sehr stolz darauf. Ich würde mir wünschen, dass die Hörer ein bisschen tiefer in unsere Geschichte eintauchen, denn da gibt es eine Menge zu entdecken. Ich stelle oft fest, dass die Leute ziemlich überrascht sind, wenn sie hören, wo wir beide herkommen und wie weit die Wurzeln von LOST FOR LIFE zurückreichen.