MIDNIGHT

Foto© by Hannah Verbeuren

Gegenüberreaktion

In guter Regelmäßigkeit veröffentlicht Chef-Rabauke Athenar mittlerweile neue MIDNIGHT-Alben. Also klingeln wir mal bei ihm in Cleveland durch, um zu erfahren, wieso „Hellish Expecations“ nun schon vier Jahre fertig herumlag und wie die wilde Genese des Albums ablief.

Athenar, wenn du dem Album ein Tier zuordnen müsstest, welches wäre das und warum?

Aus dem Stegreif würde ich etwas Weiches und Flauschiges nennen, wie ein Chinchilla. Ich weiß aber nicht warum. Weil ich denke, dass sich Gegensätze anziehen. Weißt du, das ist wie mit dem Prinzip von Yin und Yang. Dieses Album hat etwas sehr Wildes und daher denke ich, dazu passt am besten ein nettes kleines, weiches, flauschiges Häschen oder ein Chinchilla. Etwas sehr Kuscheliges und Nettes.

Wie wichtig ist für dich als Metal-Fan die Ästhetik bei MIDNIGHT? Denn auf allen Alben finden sich ähnliche Symbole oder Figuren, wie weibliche Dämonen, die Sense oder die Glocke. Ihr schreibt Wörter absichtlich anders, ihr steht mit euren Kapuzen auf der Bühne.
Ich denke, du hast deine Frage bereits beantwortet. Die Ästhetik macht eine Person einzigartig und identifizierbar, was heutzutage sehr wichtig ist. Wenn man wie ein Durchschnittsmensch aussieht und Jeans trägt, fällt man nicht auf. Eine bewusst Ästhetik zeigt, dass man Wert darauf legt, was man repräsentiert. Wir alle haben unsere Einflüsse und Vorlieben, aus denen wir etwas Eigenes machen können.

Aber wie wichtig ist dabei die Ästhetik?
Ohne Melodien gibt es keine Musik. Doch warum sollte man sich die Mühe machen, eine besondere Ästhetik zu kreieren? Es ist vergleichbar mit dem Erfinden einer Band. Es ist so, als würde man als Kind einen ausgedachten Bandnamen auf sein Schulmäppchen schreiben. Es wirkt zwar wie eine Band, aber sie existiert nicht wirklich. Sie schreibt keine Songs, hat aber ein cooles Logo. Aber keine Sorge, wir helfen dir dabei, die passende Musik zu finden!

Als wir das letzte Mal über das Album gesprochen haben, hast du mir erzählt, dass du bereits eine Menge neues Material fertiggestellt hast. Wie alt ist das, was jetzt auf „Hellish Expecations“ zu hören sein wird?
Das ist 2020 entstanden, als ich gerade „Let There Be Witchery“ fertiggestellt habe. Die Songs wurden also im Frühjahr oder Sommer 2020 geschrieben und aufgenommen. Sie mussten aber noch warten, bis sie zu werden, da 2022 erst „Let There Be Witchery“ herauskam. Inzwischen habe ich meinen Vorsprung noch mehr ausgebaut. Ich habe bereits zwei weitere Alben aufgenommen und eins mit Coversongs. Insgesamt stehen jetzt schon drei Alben in der Pipeline.

Wenn es so weitergeht, holst du dich nie wieder ein, oder?
Ja, ich muss eine Pause machen. In Amerika gibt es Gewerkschaften. Arbeitergewerkschaften. Und wenn du zu fleißig arbeitest, sagen die anderen Arbeiter: „Hey, mach mal langsam. Denn wenn du in dem Tempo weitermachst, heißt das, dass wir auch so hart arbeiten müssen. Also schalt verdammt noch mal einen Gang runter.“ Also ja, ich glaube, ich muss verdammt noch mal einen Gang runterschalten.

Ich habe in der Pressemitteilung gelesen, dass „Hellish Expectations“ eine Art Reaktion darauf war, dass du die Rohspuren von „Let There Be Witchery“ gehört hast?
Es war einfach eine Reaktion auf diesen speziellen Moment im Studio. Ich habe die ersten Tracks für „Let There Be Witchery“ aufgenommen. Es war, als hätte ich einen schlechten Tag bei der Arbeit oder so etwas gehabt. Aus irgendeinem Grund war meine Erwartung, etwas vom Range „Master Of Puppets“ zu hören. Und dann nahm ich es mit nach Hause und dachte: Mann, das klingt gar nicht gut. Was soll der Scheiß? Es ist natürlich dumm, so zu denken. Warum sollte es nach nur einem Tag wie „Master Of Puppets“ klingen? Es ist nur eine Rohspur. Es gibt keine Overdubs, keinen Mix, nichts. Und so dachte ich plötzlich, scheiß drauf, ich mache das Ganze jetzt noch mal neu! Wie ein kleines Baby. Wie ein verwöhntes Baby, das weint. Die ganze Geschichte schien mich an einem schlechten Tag erwischt zu haben. Aber daraus ist etwas Neues entstanden.

Du hast das ganze Album an einem einzigen Wochenende geschrieben?
Die Sache ist die, Freitag- und Samstagabend habe ich das Haus für mich allein. Das sind meine Tage, an denen ich mich einfach zurückziehen kann. Ab 16 Uhr gehört das Haus mir. Also habe ich mich im Keller vergraben und bin erst nach fünf Stunden wieder rausgekommen, als fünf Songs fertig waren. Dasselbe am Samstag, da sind noch mal fünf weitere Songs entstanden. So in etwa lief das ab. Das hört sich nach Fabrikarbeit an und es klingt so organisch, aber das war es auch, das war es wirklich. Einerseits wusste ich, was ich machen wollte, andererseits habe ich meinen Gedanken freien Lauf gelassen. Ich denke einfach prinzipiell nicht zu lange darüber nach. Wenn ich mir zu viele Gedanken mache, was für eine Musik das werden soll, dann ist das Ergebnis zwar durchdacht, aber es klingt auch verkopft.

Und nach diesen zwei Tagen hast du die Songs nicht mehr angefasst?
Ja, musikalisch war es das. Es kamen hier und da noch die Texte dazu, so wie das bei mir normalerweise läuft. Ich denke mir nicht: Oh, ich habe hier dieses Riff, was mache ich nur damit? Da schreibe ich doch einen neuen Song! Nein, es passierte alles sehr frei und fließend, sehr spontan, sehr aus dem Moment heraus. Das gesamte Album auf einmal.