PETROL GIRLS

Foto© by Martyna Wisniewska

I had an abortion and I am not sorry!

Unglaublich, dass es die PETROL GIRLS schon zehn Jahre gibt. Statt aber nur auf Vergangenes zurückzublicken, spreche ich mit Frontfrau Ren Aldridge über das neue Album. Die Themen der feministischen Hardcore-Band sind düster: Polizeigewalt, Burnout, Frauenmorde. Trotzdem ist Ren bester Laune, als sie sich an alte und neue Geschichten erinnert und mir auch von ihrer Abtreibung erzählt. Inzwischen leben Ren und Joe (gt) in Graz und Zock (dr) in Wien, deshalb kann ich Ren sogar ein paar deutsche Sätze entlocken.

Ren, ist dir klar, dass PETROL GIRLS dieses Jahr schon ihr zehnjähriges Bestehen feiern? Was sind einige deine liebsten Erinnerungen an die letzte Dekade mit den PETROL GIRLS?

Wir haben das als Band gar nicht richtig wahrgenommen, dass es schon so lange ist. Aber ich erinnere mich gern an die Anfänge der Band. Es gab eine Tour, bei der wir irgendwo in Slowenien spielten, und hinterher hieß es: „Ihr könnt im Proberaum schlafen, aber da findet gerade eine Party statt.“ Darauf hatten wir gar keinen Bock. Wir fanden einen verlassenen Campingplatz, machten ein Feuer am Strand, schliefen auf Pappkartonstücken und gingen morgens schwimmen. Das war wirklich magisch. Ich mag es, zu reisen und neue Leute kennen zu lernen. Am besten sind die Nächte, die man sich in den Küchen neuer Bekanntschaften um die Ohren schlägt. Ich habe auch meinen jetzigen Partner auf einer Tour kennen gelernt. Da haben wir eine tolle Show in einem besetzten Haus gespielt und sind auf das Dach geklettert, um den Sonnenaufgang zu sehen, es war aber zu kalt, haha. Schon verrückt, wie lange das her ist. Unser Gitarrist Joe ist unser Jüngster, er ist gerade dreißig geworden und wir dachten, wow, wir sind alt, haha.

Der Großteil der Band lebt inzwischen in Österreich, nur Bassist Robin ist noch in Großbritannien. Wie ist es dazu gekommen?
Zock ist zurück nach Wien, weil er näher bei seiner Mutter sein wollte. Außerdem waren in dem Haus in Graz, in dem wir unser erstes Album aufgenommen haben, noch einige Zimmer frei und die Miete ist so billig! Wir haben damals in London gewohnt, aber es ist fast unmöglich, dort als Künstler:in zu leben. Meine Wohnung würde in London mindestens das Vierfache kosten. Ich glaube also nicht, dass wir in nächster Zeit dorthin zurückkehren werden. Ich arbeite hier als Kellnerin, und die Trinkgelder ermöglichen es mir, in Teilzeit zu arbeiten, so dass ich auf Tour gehen kann. Ich verdiene genug, um meine Miete zu zahlen und hin und wieder eine Pizza essen zu gehen, das reicht.

Sprichst du auch Deutsch?
[Ren wechselt ins Deutsche] Ich kann, aber es ist nicht so gut, ich lerne noch. Ich spreche Deutsch, wenn ich arbeite, aber ich kann nicht ... [wechselt wieder ins Englische] Ich könnte kein Interview auf Deutsch geben. Ich bin Teil einer feministischen Gruppe hier in Graz und unsere Sprache ist Deutsch. Mittlerweile brauche ich niemanden mehr, der:die für mich übersetzt. Aber die Sprache ist so schwer und ich kann mir nicht vorstellen, sie jemals perfekt zu sprechen.

Lass uns mal über „Baby“, das neue Album reden. Ich habe gelesen, du hattest das Gefühl, früher sehr belehrend gewesen zu sein, und dass du das auf dem neuen Album vermeiden wolltest. Kannst du das ein wenig näher erläutern?
Darüber habe ich sehr viel nachgedacht. Ich hasse Scheinheiligkeit. Auch in unserer Szene zeigen ständig alle Leute mit dem Finger auf andere. Das verschleiert, dass viele Missstände systematisch und strukturell bedingt sind und es nicht darum geht, dass Einzelne gut oder schlecht sind. Keiner von uns ist perfekt. Ich finde es ein bisschen beunruhigend, wie viel Perfektion wir voneinander verlangen. Jahrelang habe ich mich bemüht, einem unerreichbaren Standard gerecht zu werden. Das hat mich sehr unzufrieden gemacht, letzten Winter hatte ich dann meinen bisher schwersten Schub von Depressionen. Durch viele Therapiestunden habe ich gelernt, dass ich nicht jede:n glücklich machen kann.

Spiegelt sich das im Song „Preachers“ wider?
Auf jeden Fall. Ich möchte, dass Frauen und Menschen am Rande der Gesellschaft das Gefühl haben, dass sie sie selbst sein können und sich nicht ständig Sorgen machen müssen, dass sie etwas falsch machen. An Frauen und marginalisierte Geschlechter werden so viel höhere Anforderungen gestellt als an Männer. Ich möchte nicht Teil dieser Kultur sein, die Druck erzeugt. Es muss mehr Nuancen geben! Ich bin zum Beispiel nicht einfach für oder gegen Cancel Culture. Manchmal ist sie die einzige Waffe, um Schaden oder Missbrauch zu verhindern. Aber in Situationen, in denen jemand einfach nur einen Fehler gemacht hat, wird das manchmal verallgemeinert. Ich versuche, in unseren eigenen Communities nicht dieselbe Straflogik wie im Gefängnissystem anzuwenden. Auf „Baby“ bin ich allgemein viel mehr ich selbst. Meine alberne, lustige, freche und sarkastische Seite habe ich nicht früher genügend zugelassen. Man muss ein Gleichgewicht finden, und ich kann nicht ständig diese super ernste Person sein. Ich brauchte das wohl für mich selbst. Aber ich wollte auch nicht, dass Leute, die vielleicht gerade eine feministische Punkband gründen, das Gefühl haben, sie müssten perfekt sein.

Ich würde gerne über „Fight for our lives“ sprechen. Mit Gastsängerin Janey Starling, ehemals DREAM NAILS-Frontfrau, singt ihr über Femizide und geschlechtsspezifische Gewalt. Der gesamte Erlös der Single ging an die feministische Gruppe „Level Up“.
Janey ist eine meiner Lieblingsmusikerinnen. Es ist unglaublich, was sie mit „Level Up“ macht. Sie ist eine Seltenheit in einer Szene, in der viele Leute meinen, ach so viel zu tun, während sie still dasitzt und tatsächlich etwas tut. Sie hat gerade auf einer Konferenz in Italien vor Journalist:innen aus der ganzen Welt über die von ihr entwickelten Richtlinien für die Berichterstattung über Frauenmorde und tödliche häusliche Gewalt gesprochen. Das ist großartig! Leute in Bands bekommen so viel Beifall, und dann gibt es Aktivistinnen, die Großes leisten und kaum Anerkennung dafür erhalten. Dabei hat die Art und Weise, wie über Frauenmorde berichtet wird, einen großen Einfluss darauf, wie wir sie wahrnehmen. Janey hat auch einen klasse Artikel darüber geschrieben, wie wir in der Popkultur über Romantik sprechen und wie oft es sich dabei eigentlich um Stalking und Missbrauch handelt. Dinge, die nicht ernst genommen werden, bis jemand tot ist.

Da viele den Begriff „Femizid“ nicht kennen, könntest du die Zeile „Our murders are systemic“ erklären?
Ich glaube, Janey hat diese Zeile geschrieben. Femizid ist, wenn Frauen, Mädchen oder marginalisierte Geschlechter aufgrund ihres Geschlechts getötet werden. Die häufigste Form davon ist Gewalt in der Partnerschaft, also wenn der Partner, der Ehemann oder sehr häufig der Ex-Freund seine Partnerin ermordet. Das Ausmaß dieser Gewalt ist unglaublich. Weltweit werden alle zehn Minuten Frauen Opfer von Gewalt in Beziehungen. Unsere Vorstellungen von Romantik und Geschlechterrollen tragen zu einer Gesellschaft bei, die diese Art von Gewalt zulässt. Wir haben jedes Mal demonstriert, wenn es in Österreich einen Femizid gab, aber es waren zu viele. Jetzt demonstrieren wir einmal im Monat. Es gibt einige wirklich schreckliche Fälle wie einen Vater, seine sechsjährige Tochter tötete. Er drohte der Mutter damit, das Kind zu töten, wenn sie nicht zu ihm zurückkommt. Das Motiv hat System: Männer werden so erzogen, dass sie denken, sie hätten ein Recht dazu. Wir haben die Zeile „You don’t own us“ geschrieben, weil es um Besitz, Macht, Kontrolle und damit letztlich um Patriarchat und Kapitalismus geht. Glücklicherweise ist das Bewusstsein für dieses Thema gewachsen, auch in Großbritannien, vor allem seit dem grausamen Mord an Sarah Everard.

Und trotzdem wird die Verantwortung oft bei den Opfern gesucht.
Als Reaktion auf die hohe Zahl von Femiziden hier in Österreich wurden Plakate mit der Aufschrift „Bewege dich nur in beleuchteten Arealen, trage einen Vergewaltigungsalarm bei dir, rufe die Polizei“ aufgehängt. Lächerlich! Ein Femizid hier in Österreich im letzten Jahr wurde von einem Polizisten begangen, der seine Partnerin tötete. Auch Sarah wurde von einem Polizeibeamten ermordet. Wir brauchen eine bessere Sexual- und Partnerschaftserziehung in den Schulen und das Gleiche am Arbeitsplatz. Wir müssen den Menschen helfen, Warnzeichen zu erkennen, ihnen beibringen, was Consent bedeutet und dass Männer nicht über Frauen verfügen. Hört auf, uns Frauen die ganze Verantwortung aufzubürden!

Was mich immer wieder aufregt, ist die Berichterstattung, vor allem, wenn die Medien verharmlosende Begriffe wie „Eifersuchtsdrama“ verwenden.
Deshalb sind Janeys Guidelines für Medien so toll und so wichtig. Das ist der Grund, warum wir mit der Single Geld für „Level Up“ gesammelt haben. Sie haben mit einer Gruppe von Feministinnen in Chile zusammengearbeitet, um eine globale Datenbank für Femizide zu erstellen, die auch Trans-Menschen einschließt. Ein weiteres Problem des Femizid-Aktivismus ist nämlich, dass diese oft nicht mitgezählt werden. Dabei werden sie auch aufgrund ihres Geschlechts getötet, besonders wenn sie dazu People of Color sind. Darauf bezieht sich die Zeile „We mourn every sibling stolen by male violence; trans, sex workers, undocumented“.

Wie stehst du zu Gesetzen gegen Femizid? In Spanien gibt es das bereits seit 2004. Deutschland tut sich damit noch schwer.
Ich glaube nicht, dass so ein Gesetz hilft. Ich sehe das so: Vergewaltigungen sind gesetzlich auch ein Verbrechen, trotzdem zeigt nur ein Bruchteil die Tat an. Nur 1,5% der angezeigten Vergewaltigungen führen zu einer Verurteilung. Oft werden die Opfer, die sich an die Polizei wenden, zusätzlich traumatisiert, weil sie wie Verdächtige behandelt werden. Das Gesetz funktioniert also offensichtlich nicht. Außerdem wird das Gesetz am stärksten gegen People of Color, insbesondere gegen die schwarze Community, eingesetzt. Wir können uns nicht auf die Polizei verlassen, die wird nichts für uns lösen. Darum geht es in „Violence by design“. Auch das Stück hat Janey mitgeschrieben. Wir haben noch nie einen A.C.A.B.-Track gemacht, weil das so ein Klischee ist. Aber ich wollte aus meiner Position als weiße Frau der Mittelschicht heraus zu anderen in der gleichen Position sprechen.

Auch Trans-Menschen haben es da schwer. Ich habe momentan das Gefühl, dass immer mehr TERFs, also trans exclusionary radical feminists unterwegs sind.
In Großbritannien haben TERF-Verfechter:innen eine große Plattform in den Medien. Ich bin überzeugt: Die Überwindung der binären Geschlechterordnung wird uns alle in der Zukunft retten. Es ist so ärgerlich, wie Leute, die sich selbst als Feminist:innen bezeichnen, Trans-Menschen angreifen, obwohl sie für diesen wichtigen Teil unserer Bewegung dankbar sein sollten. Trans-Menschen sind in keiner Weise eine Bedrohung und sie brauchen unser Mitleid nicht. Sie verdienen unsere verdammte Solidarität, immer!

Kann die Punk-Szene ein Safe Space für diskriminierte Menschen sein?
Ich glaube nicht, dass total sichere Rückzugsräume realistisch sind. Ich habe immer gesagt: Women and girls to the front! Das wurde zu „Women and non-binaries!“. Wenn ich einen Mann vorne gesehen habe, habe ich gesagt: „Hau ab nach hinten!“ Jetzt frage ich mich: Was ist, wenn ich jemanden falsch gendere? Das fände ich schlimm. Deshalb achte ich jetzt auf Macho-Verhalten unabhängig vom Geschlecht. Am meisten Probleme verursachen betrunkene Cis-Männer, die sind echt das Letzte! Es erstaunt mich jedes Mal: Wenn wir unseren beliebtesten Song „Touch me again and I will fucking kill you“ spielen, muss ich ihn ständig unterbrechen, weil irgendwelche Macho-Männer null checken, worum es in dem Stück geht.

Damit tust du schon viel mehr als die meisten.
Es gäbe so viel mehr zu bedenken. Ein Blinder hat mich gefragt, warum wir den Platz vorne nicht auch für Blinde reservieren. Klar müsste man das eigentlich auch berücksichtigen. Anderseits kann ich nicht für jede Art von Marginalisierung Platz machen. Ich bräuchte zu Beginn jeder Show zehn Minuten, um diesen Raum genau zu definieren. Also versuche ich, einen Raum zu gestalten, in dem wir aufeinander achten. Trotzdem geht’s bei uns ordentlich ab!

Es kann ja auch nicht alles an einer Person hängenbleiben.
Stimmt. Ich habe so ein paar ältere Punkerinnen, zu denen ich gehe, wenn ich ein Problem oder eine Frage habe. Wir verlassen uns auf diese „Scenemoms“, weil die Leute all ihre Konflikte, Traumata und Probleme bei ihnen abladen. Ich habe festgestellt, dass wir dadurch Frauen aus dem Punk verlieren. An sie werden sehr hohe Anforderungen gestellt, sie müssen sich um so viele Leute kümmern. Auch mir ging es mit diesen Erwartungen sehr schlecht. Dazu würde ich gerne mal richtig forschen. Ich habe die Theorie, dass wir hier ein sehr geschlechtsspezifisches Muster haben. Ich habe ja auch Männer in der Band und manchmal denke ich: Ich will auch einfach mal ein Typ in einer Band sein, die Show spielen und mich betrinken. Aber fast bei jeder Show gibt es irgendeinen Konflikt, der gelöst werden muss. Man absorbiert dadurch so viele Traumata. Das kann sogar gefährlich sein, weil Leute wie ich dafür nicht ausgebildet sind. Ich lerne, realistisch einzuschätzen, was ich anbieten kann und was nicht. Nicht alle von uns wollen „Scenemoms“ sein!

Im Song „Baby, I had an abortion“ geht es um Abtreibung, trotzdem ist der Song ein absoluter Partykracher. Man kann dich am Ende des Liedes sogar lachen hören. Ich fand es sehr mutig, den Song so zu komponieren.
Natürlich ist die Erfahrung mit einer Abtreibung bei allen anders. Für manche ist es traumatisch. Ich meine aber, dass viele Informationen zu sehr auf das Traumatische abstellen. Meine Erfahrung war ganz anders. Ich bin natürlich sehr privilegiert, mein Vater begleitete mich, die Krankenkasse übernahm die Kosten, ich wurde gut betreut. Ich habe damals meinen Master gemacht, und der Leiter meines Studiengangs hat mich sehr unterstützt. Trotzdem war ich nervös, denn meine psychische Gesundheit ist nicht die beste und ich bin ein sehr emotionaler Mensch. Ich hatte erwartet, dass ich total traumatisiert sein würde und der Prozess war natürlich nicht schön. Aber danach ging es mir so viel besser. Ich habe es gehasst, schwanger zu sein. Ich dachte: Oh meine Güte, ich habe mein Leben zurück! Das ist schon eine Weile her und ich habe darüber nachgedacht, für „Cut & Stitch“ etwas dazu zu machen, aber damals hatte ich keinen Kopf dafür. Für „Baby“ wollte ich einen lauten und stolzen Song, in dem es nicht um Scham geht. Abtreibung ist auch heute noch etwas, über das viele lieber schweigen. Auch ich habe es vor einigen Leuten geheim gehalten.

Einfach kein Kind zu wollen ist als Grund völlig ausreichend, den Punkt vermisse ich oft in öffentlichen Debatten. Da geht es meist um sehr extreme Anlässe für eine Abtreibung wie Vergewaltigung oder Inzest.
Da bin total bei dir. Die meisten Menschen, die abtreiben, sind bereits Mütter. Oft können sie sich einfach kein weiteres Kind leisten. Deshalb liebe ich das Buch „Feminism, Interrupted“ von Lola Olufemi. Es gibt ein ganzes Kapitel über reproduktive Gerechtigkeit. Sie sagt, wenn wir nur für Pro-Choice, also Wahlfreiheit und nicht für Gerechtigkeit kämpfen, werden Frauen und marginalisierte Geschlechter immer noch für ihre Entscheidungen verurteilt. Wir brauchen also zwingend Gerechtigkeit, und dazu gehört eine besser finanzierte Kinderbetreuung und Trans-Rechte. Der Begriff „Gerechtigkeit“ macht die Sache weniger zu einer individuellen Angelegenheit, sondern mehr zu einer Frage für die ganze Gesellschaft. Du weißt ja, wie feministische Theorie manchmal ist, aber sie erklärt das super easy.

Erzähl mir von deinen Erfahrungen mit Abtreibungsgegner:innen in Österreich und wie es dazu kam, dass du auf Deutsch „Ich habe abgetrieben, und es tut mir nicht leid!“ gebrüllt hast.
Mein Partner und ich waren an einem Wochenende unterwegs und sahen einen Protest von Abtreibungsgegner:innen. Da habe ich nur noch rot gesehen. Jemand hatte mir den Satz beigebracht, also rannte herum und schrie „Ich hatte eine Abtreibung und es tut mir nicht leid!“ Dann fand ich heraus, dass dort Leute waren, die gegen die Pro-Lifer protestierten. Also habe ich kurz bei denen mitgemacht. Es war irgendwie kathartisch und ich finde es gut, diese Leute im öffentlichen Raum herauszufordern. Ich will aber auch etwas Alberneres machen. Ich habe mir ein total bescheuertes Teufelskostüm gekauft, das ich beim nächsten Mal gerne anziehen würde. Vielleicht verkleide ich mich auch als Hexe. Diese Leute sind lächerlich und ich möchte sie nicht mehr mit einer ernsthaften Antwort würdigen. Protest kann auch albern und lustig sein.

Um noch einmal auf das Album zurückzukommen. Was ist musikalisch bei „Baby“ anders als bei „Cut & Stitch“? Die Themen sind ja ähnlich geblieben.
Auch thematisch ist es schon etwas anders. Politisch hat es die gleiche Ausrichtung, aber wir haben noch nie über Abtreibung gesprochen und wir haben noch nie etwas über Femizid und Polizeigewalt gemacht. Außerdem ist das Thema Burnout sehr präsent, vor allem in „Sick & tired“ und „Feed my fire“. Aber dieses Mal ist es ein anderer Ansatz. Das liegt daran, dass ich einerseits viel über meine psychische Gesundheit nachgedacht habe, Joe hingegen wollte sich musikalisch von diesem epischen Element der letzten beiden Alben entfernen und alles etwas zurücknehmen. Wir wollten mehr zum Kern der Dinge zu kommen und mehr Spaß haben. Ja, die Welt geht den Bach runter, aber wir werden nichts dagegen tun können, wenn wir alle deprimiert sind! Und wofür kämpfen wir, wenn wir nicht in der Lage sind, auch richtig Spaß zu haben?