RAZORBLADES

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Immer noch DIY

THE RAZORBLADES aus Wiesbaden haben sich seit der Gründung 2002 auf ihren Touren bis in die USA vorgearbeitet und veröffentlichen zuverlässig alle paar Jahre ein neues Album. Surf ist auch bei „Howlin’ At The Copycats“ die Ausgangsbasis, wird aber noch stärker als bisher um nahezu alle Spielarten des Rock’n’Roll erweitert. Nichts für Surf-Puristen, aber wohl für alle, die ihre Musik gerne ohne feste Stilgrenzen genießen. Ich befragte Gitarrist und Songschreiber Rob Razorblade unter anderem zu „Copycats“, zu DIY als bestem Weg für eine Band und zur Situation eines Berufsmusikers in der Corona-Krise.

Howlin’ At The Copycats“ – wen meint ihr damit konkret?

Der Titel bezieht sich auf die aktuelle Begeisterung fürs Covern. Egal, ob man sich Tribute-Bands anschaut, Casting-Shows oder Videos bei YouTube – am liebsten scheint die Welt das Material von anderen nachspielen zu wollen und auf Kommentare zu warten wie: Toll, klingt genauso wie XYZ! Es gibt mittlerweile sogar in Punkläden RAMONES- oder SEX PISTOLS-Tribute-Bands zu sehen, was ich eher befremdlich finde. Meine musikalische Sozialisation stammt aus dem Achtziger-Jahre-Underground. Und da gab es zwei Sorten von Bands – die coolen haben ihre eigene Musik gespielt oder Songs eigen interpretiert, und der Rest waren Tanzbands. Eigentlich sehe ich das heute noch genauso und von daher heulen wir mit THE RAZORBLADES eben die Kopisten an – und spielen unsere eigenen Songs!

Ihr habt die Platte diesmal stilistisch in vier Kapitel eingeteilt.
Ich habe in den letzten Jahren sehr unterschiedliche Songs geschrieben und auch ein bisschen mit Elektronik experimentiert und gesungen. Irgendwann war klar: das wird diesmal ein etwas anderes THE RAZORBLADES-Album. Durch die vier Vinyl-Seiten bekommt das Ganze wieder eine Form und zeigt vier unterschiedliche Seiten der Band – was ich gut finde. Immer stilistisch dasselbe zu tun, finde ich nicht so spannend, sondern ich halte es da eher mit THE CLASH – da klingt auch jedes Album komplett anders und trotzdem immer noch nach der Band.

Eure meisten früheren Platten sind rein instrumental. Diesmal gibt es vier Tracks mit Gesang. Sind beim nächsten Mal dann alle mit Gesang?
Das weiß ich nicht, ich habe keinen Business- oder Songwriting-Plan, sondern mache einfach das, was mir Spaß macht. Mittlerweile habe ich als Sänger etwas mehr Selbstvertrauen und es macht einfach Spaß, sich auch mal mit Texten auszudrücken. Instrumentalmusik ist aber ein so großer Teil von mir, dass ich mir nicht vorstellen kann, damit komplett aufzuhören. Ist beides schön. Für mich ist eigentlich nur wichtig, ob ein Stück spannend ist – ob mit oder ohne Gesang.

Kommen die Songs immer noch in erster Linie von dir oder steuern die anderen auch welche bei?
Nein, ich schreibe alles alleine und spiele bei den Aufnahmen auch fast alles selbst ein. Gitarren, Bass, Keyboards und Vocals. Wir haben diesmal alles im eigenen Studio aufgenommen. Unser Drummer hat seine Spuren zu meinen Demos eingespielt, und dann habe ich den Rest alleine gemacht – ich bin also eine Art Lenny Kravitz der Surfmusik, haha. Die Live-Versionen klingen dann durch den Einfluss der anderen zwei etwas anders als die Studioaufnahmen, was ich auch cool finde.

Trotz der Vielseitigkeit bleibt Surf auch auf der neuen Scheibe als roter Faden gut erkennbar. Was fasziniert dich an Surf?
Ich muss sagen, dass ich darüber nicht mehr so viel nachdenke. Was mir ursprünglich an Surf gefallen hat, sind der Gitarrensound und diese Art Roadmovie- oder Krimi-Atmosphäre. Das ist mittlerweile ein Teil von mir geworden und so was wie meine „Stimme“ auf der Gitarre. Ich hoffe, dass man mich und die Band stilistisch dadurch gut erkennt und stelle das dann in ganz andere Zusammenhänge: Punkrock, Eighties-Wave, Sixties-Grooves oder Powerpop. Durch den Gitarrensound bleibt alles trotzdem irgendwie miteinander verbunden. Als wir mit der Band 2002 angefangen haben, war die Surf-Szene noch ziemlich offen und stark mit Punk, Underground und Garage verbunden. In den letzten Jahren hat sich das etwas verändert. Mir kommt sie konservativer und stilgenauer vor. Ähnlich wie im Rockabilly geht es ständig um die Frage, ob irgendwas „echter“ Surf ist oder nicht. Das finde ich sehr schade, denn Musik sollte nicht so eine spießige Angelegenheit sein. Punkrock, Grunge, Surf, Garage und Artverwandtes sind für mich stark mit so einer DIY-Einstellung verbunden. Man macht eben das, was man will, selbst, weil die meisten Leute sich nicht dafür interessieren. Wenn sich dann die Szene selbst Regeln auferlegt, kann ich damit wenig anfangen. Deswegen höre ich heute alles Mögliche – Surf, Punk, Wave, Country, Jazz oder Indie, wie ich darauf Lust habe. Und das findet sich dann auch alles in der Musik wieder.

Woher nimmst du die Motivation, nach so langer Zeit immer noch durch die Gegend zu tingeln?
Ich bin Musiker, lebe davon und will und kann auch nichts anderes machen. Deswegen spielen wir Konzerte und machen Platten. Ich habe durch das Touren Leute auf der ganzen Welt kennen gelernt, bin geistig deutlich flexibler geworden, was Bequemlichkeit angeht, und habe persönlich erfahren, dass die Menschen überall doch sehr gleich sind. Auf Tour lernt man Land und Leute ganz anders kennen als im Urlaub. Das finde ich spannend. Ich hoffe, das geht noch eine Weile, auch wenn ich jetzt schon ein halbes Jahrhundert am Start bin, haha.

Ihr spielt auch regelmäßig in England. Kannst du schon abschätzen, was sich für euch durch den Brexit verändern wird?
Einfacher wird es nicht und wahrscheinlich finanziell unattraktiver. Sollte man ein Arbeitsvisum benötigen, ist das für kleinere Bands schon sehr schwierig, noch Geld mit nach Hause zu nehmen. Das Doofe ist auch diese ständige Ungewissheit, denn auch bis heute ist immer noch nicht klar, wie es nächstes Jahr aussieht. Vielleicht bringt ja Corona die Engländer wieder zurück in die EU – ich fände das super!

Machst du das Booking und das Management immer noch komplett selbst?
Ja, ich mache fast alles selbst. Von der Musik übers Booking bis zur Labelarbeit und dem Versenden von Tonträgern. Das ist eine Menge Arbeit, aber auch die einzige Möglichkeit, mit Musik Geld zu verdienen, wie wir sie machen. Lediglich für Sachen wie Promo, Grafikdesign und Mastering engagieren wir mal jemanden. Dadurch hat die Band in den letzten zehn Jahren auch deutlich etwas zu meinem Lebensunterhalt beigetragen, was nicht selbstverständlich ist. Das Geschäft wird definitiv immer schwieriger, da die Einnahmen stetig geringer werden. Streaming statt Tonträgerverkauf, Eintrittsdeal statt Festgage, und auch so eine Art Fatalismus in der Szene, ein generelles Akzeptieren, dass man mit Musik kein Geld verdienen kann – was nicht stimmen muss. Es ist schwierig, aber kein Grund, es zu lassen. Subkultur und Underground sind heute nicht mehr so angesagt, die Leute werden älter und der Nachwuchs fehlt oft. Da muss man mal abwarten, wie Punkrock und alles drumherum in zehn Jahren aussieht. Gerade deswegen finde ich es aber auch wichtig, Leute außerhalb einer Szene anzusprechen und sein Publikum zu vergrößern.

Wie hart trifft euch die Corona-Krise? Habt ihr noch berufliche Standbeine, mit denen ihr den Ausfall von Gigs kompensieren könnt?
Der Plan für 2020 wurde definitiv auf den Kopf gestellt. Konzerte im Mai und Juni wurden gecancelt. Ob es im Herbst wieder losgeht, ist ungewiss. Unser Bassist ist safe, der hat noch einen richtigen Job im Bereich Sozialarbeit. Unser Drummer arbeitet als Schlagzeuglehrer und Workshop-Dozent. Ich selber bin schon immer dreigleisig gefahren: Gigs, Gitarrenunterricht, im Moment eben per Skype, und Musikjournalismus. Ich schreibe zur Zeit für die Zeitschrift Gitarre & Bass und habe gerade auch ein Buch über Surfgitarre veröffentlicht. Dazu kommen dann noch GEMA-Tantiemen, Workshops und andere Sachen. Aktuell funktioniert das alles noch. Wie das allerdings in ein bis zwei Jahren aussieht, weiß ich nicht. Da hoffe ich auf gesellschaftliche Solidarität, sonst wird es für Bands und kleine Clubs sicher extrem schwierig. Vielleicht erkennt dadurch ein größerer Teil der Menschheit mal, dass der ewige Marktglaube uns nicht voranbringt, sondern dass Zusammenhalten irgendwie besser funktioniert. Wir werden sehen.