ROLO TOMASSI

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In Balance

Im Februar erscheint das sechste Album der britischen Mathcore-Band ROLO TOMASSI. Schreibprozess und Aufnahmen fanden unter erschwerten Bedingungen statt, wie Keyboarder James Spence und Bassist Nathan Fairweather erzählen.

Ihr habt euch letztes Jahr von eurem Label Holy Roar Records getrennt, nachdem Miss­brauchsvorwürfe gegen den Labelchef öffentlich wurden. Wie ging es danach für euch weiter?

James: Ich denke, wir haben unsere Position in der Hinsicht sofort sehr klar gemacht. Daran hat sich nichts verändert. Wir haben von da aus mit dem weitergemacht, was wir mit der Band tun wollten, nur in Zusammenarbeit mit einem anderen Label. Unsere Position hat sich nicht verändert. Wir sind froh, dass wir ein anderes Label gefunden haben, so dass wir weiterhin Musik veröffentlichen können, und zwar mit Menschen, von denen wir glauben, dass sie eher unseren Werten entsprechen.

Wie hat es sich für euch damals angefühlt? Denn ihr hattet wahrscheinlich schon das Album bereit liegen. Dann das Label zu wechseln stelle ich mir hart vor.
Nathan: Wir hatten Glück mit eOne, dem neuen Label. Sie waren sehr leidenschaftlich bei der Sache, da war nicht wirklich eine Unterbrechung in unserer Arbeit. Wir waren mitten im Schreibprozess und gerade dabei, uns auf die Aufnahmen vorzubereiten. Ja, es ist eine große Veränderung, aber wir konnten wie normal weitermachen.

Euer kommendes Album wird „Where Myth Becomes Memory“ heißen und ist euer sechstes Studioalbum. Seid ihr immer noch nervös, bevor etwas Neues rauskommt?
Nathan: Nicht bei diesem Album. Ich glaube, da kann ich für alle in der Band sprechen. Ich habe das Gefühl, wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir die Musik aufnehmen, die wir lieben. Deshalb bin ich nicht nervös. Das klingt jetzt sehr klischeehaft, aber ich bin einfach aufgeregt, es endlich teilen zu können. Wir arbeiten gut zusammen, wir machen genau das, was wir wollen, und genießen den kreativen Prozess. Und das läuft alles zu einem Album zusammen, auf das ich sehr stolz bin. Deshalb freue ich mich einfach, wenn es erscheint. Und wenn es jemand nicht mag, dann liegt er halt falsch.
James: Haha, ich teile Nathans Selbstbewusstsein. Vielleicht nicht den letzten Teil. Aber ich bin auch sehr zufrieden mit dem Album. Es ist eher eine Aufgeregtheit, weniger Nervosität. Ich denke, wir haben unser bisher bestes Album geschrieben. Jetzt juckt es uns nur in den Fingern, es endlich rauszubringen und Shows zu spielen.

Wie lief die Arbeit am Album für euch ab? Schließlich lebt eure Sängerin Eva in den USA und ihr seid in England.
James: Da gab es natürlich einige Schwierigkeiten, aber wir haben drumherum gearbeitet beziehungsweise haben es zu unserem Vorteil genutzt. So oder so wäre es das erste Mal gewesen, dass Eva in einem anderen Land wohnt. Das wäre also auch ohne Corona ein Hindernis gewesen, mit dem wir hätten umgehen müssen. Darauf waren wir also vorbereitet. Unter normalen Umständen wäre sie vermutlich zu uns geflogen und hätte das Album hier aufgenommen. Jetzt hat sie es in den USA eingesungen. Wir arbeiten sowieso relativ getrennt voneinander an der Musik. Der Schreibprozess ist also quasi unverändert geblieben. Es wäre schön gewesen, etwas Zeit in einem Raum zusammen zu haben, so dass Eva und ich zusammen an den Vocals arbeiten können. Das hatten wir nicht. Das bedeutete, dass wir mehr Demoaufnahmen machen mussten und es war ein reges Hin und Her. Wir mussten mehr analysieren, was wir aufgenommen hatten. Das war aber auch hilfreich und hat zu anderen Ergebnissen geführt. Das ist der Schlüssel, der dazu geführt hat, dass dieses Album anders ist als das vorherige. Und weitere Umstände, die außerhalb unserer Kontrolle lagen, haben ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen. Ich glaube, das war in dem Falle ganz gut.

Wenn du sagst, dass das Album anders ist, in welcher Hinsicht meinst du das?
Nathan: Ich nehme an, dass das viele Bands sagen. Aber es ist Fakt, dass wir die härteren Elemente auf ein härteres Level drücken konnten und die melodischeren Parts melodischer gestaltet haben. Über die letzten zwei Alben haben wir das gut ausbalanciert, aber meiner Meinung nach haben wir das jetzt noch auf die Spitze getrieben. In diesem Aspekt unterscheidet es sich vom letzten Album. Die harten Elemente klingen etwas mehr nach Metal. Würdest du mir da zustimmen, James?
James: Die verschiedenen Elemente, die zu unserem Sound gehören, sind besser im Gleichgewicht. Und ich greife noch mal auf ein Wort zurück, das ich vorhin schon mal verwendet habe: Das Album klingt selbstbewusster. Wir haben jetzt den Sound erreicht, den wir haben wollten. Bei dem vorherigen Album waren wir noch auf der Suche und haben uns vorangetastet. Immer mit der Frage im Hinterkopf: Wie wird das ankommen? Werden die Leute das mögen? Glücklicherweise hat uns das Feedback auf das letzte Album den Mut gegeben, weiter in die Richtung zu gehen und die super melodischen Parts und auch die harten Stellen noch mehr zu pushen.

Bei einem der Songs hört man männlichen Clean­gesang. Darüber bin ich gestolpert, das ist neu. Bist du das, James?
James: Ja! Bisher waren solche Parts immer versteckt im Mix und eher dafür da, um dem Sound Textur zu geben. Aber auf dem neuen Album singe ich mehr. Die Musik hat es in diesen Momenten einfach gebraucht. Es ist nicht so, dass ich jetzt plötzlich gelernt habe zu singen. Ich glaube immer noch nicht, dass ich das wirklich gut kann. Aber es hat einfach zu dem gepasst, was wir gemacht haben. An einigen Stellen hat diese Textur oder Harmonie gefehlt, so dass es sich ganz natürlich eingefügt hat. Aber es fällt mehr auf, weil ich nie wirklich Parts für mich alleine hatte. Auf jeden Fall interessant, dass du es rausgehört hast. Das wird auch etwas sein, das anderen Hörern auffallen wird. Es wird eine Herausforderung sein, das auch live umzusetzen. Ich muss dann spielen und singen gleichzeitig. Aber so bleibt es ja auch spannend.