SILENT PLANET

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Wahrheit

Ein Gespräch mit Garrett Russell, Sänger und Songwriter der US-Band SILENT PLANET, über Psyche, Kultur, Sigmund Freud und C.G. Jung, russische Literatur und die Bibel. Ach, und das neue Album. Da werden aus einem 20-Minuten-Termin schon mal eineinhalb Stunden. Hier eine Zusammenfassung. (Triggerwarnung: Suizid)

„Ich vermisse Deutschland. 2019 auf unserer letzten Europatour mussten wir nach der dritten Show alle absagen, weil ich nicht mehr weiterspielen konnte. Ich freue mich so darauf, irgendwann wieder zurückzukommen.“ Garrett erzählt von dem einschneidenden Tag in Belgien. „Ich hätte es besser wissen müssen. Schon als ich zu Hause in den Flieger gestiegen bin, habe ich gezittert. Ich saß in Paris am Montmartre, überblickte die Stadt, um mich herum machten die Leute Selfies und Musik ... und ich dachte nur darüber nach, wie ich mich am besten umbringen kann. In Belgien will ich es dann durchziehen, und muss von der Polizei eingesammelt werden.“ Durch den Ausfall haben sie mehrere zehntausend Dollar verloren, Garrett fürchtete, dass seine Bandmitglieder nicht mehr mit ihm spielen wollen und Beziehungen zu Veranstaltern in Europa geschädigt wurden. „Ich kam in den USA in eine Einrichtung und habe mich behandeln lassen, habe mit meinen Bandkollegen gesprochen – und drei Tage nach der Entlassung haben wir ‚Trilogy‘ aufgenommen.“ Dieser Song ist einer der ersten, der sehr persönliche Lyrics hat und weniger das typische Storytelling der Band weiterführt. So auch auf dem neuen Album. Woher kommen nun der Mut und das Bedürfnis, eine solch traumatische Geschichte zu veröffentlichen? „Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich kann mir das Album tatsächlich auch gar nicht selbst anhören und obwohl es fertig ist, fühlt es sich immer noch wie ein Prozess an. Trotzdem war es wichtig, denke ich, das so zu verarbeiten.“ Garrett erzählt, dass er, nachdem er sein Leben lang straight edge war, in der Klinik Medikamente bekam und zum ersten Mal bewusstseinsverändernde Erfahrungen machte. „In dieser Zeit hatte ich Visionen, die mich total an Bilder des alten Testaments erinnert haben. Ich bin religiös aufgewachsen und ich glaube, meine Psyche ist wieder in sehr frühe Entwicklungsstadien zurückgekehrt. Dieses Wüstenmotiv und viele Bilder aus der Mythologie und Religion stammen wahrscheinlich aus unserem kollektiven Unterbewusstsein. Ich glaube fest, dass wir alle auf den gleichen menschlichen Ursprung zurückgehen und gewisse Wahrheiten in unserem Blut fließen, wir müssen sie nicht erst erlernen. Diese Wahrheiten müssen nicht tatsächlich passiert sein, was sie wahr macht, ist das, was sie uns über uns selbst erzählen.“ Und man muss hinsehen, auch wenn es schmerzhaft ist.