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RUTS DC

Counterculture?

Das ist das erste reguläre Studioalbum nach dem phänomenalen „Music Must Destroy“ von 2016. Dazwischen gab es jede Menge Live-und Akustik-Releases, die RUTS-Anthology von Virgin und zuletzt das absolut brillante „Freedom – It Ain’t On The Rise“ von DEAD MEN WALKING, die neben Segs Jennings und David Ruffy von RUTS DC aus Jake Burns (STIFF LITTLE FINGERS) und Kirk Brandon (THEATRE OF HATE, SPEAR OF DESTINY) bestehen. Sechs Jahre also, in denen der Brexit Realität wurde, eine weltweite Pandemie ausbrach, es einen neuen Krieg in Europa gibt und zuletzt der ökonomische Kollaps in Großbritannien droht. Es ist also nicht so, als gäbe es nichts, worüber eine Band, die inzwischen vier Dekaden auf dem Buckel hat, singen könnte. „This a song for the dispossessed. The undiagnosed and the great unblessed. Brothers and sisters have we come to this? Have we come to this?“ („Faces in the sky“). – Für mich sind RUTS DC die beste aktive Live-Band in unserer Szene, und ich bin nicht der Einzige, der so denkt. Es stell sich also die brennende Frage: Kann das Trio die Erwartungen nach dem Vorgänger erfüllen, vielleicht gar übertreffen? Die Antwort ist nach dem ersten Hören des neuen Albums denkbar einfach: Ja, sie können! Die Ohrwurmqualität ist auf „Counterculture?“ ausgeprägter, Arrangements und Produktion sind ausgefeilter und die zusätzliche Zeit, die sie während Corona hatten, um an die Songs bis ins kleinste Detail zu schrauben, macht sich bemerkbar. Segs und Ruffy haben eine wahnsinnig hohe Messlatte, wenn es darum geht, das Erbe ihrer Band RUTS zu verwalten, man erkennt jeden der elf Songs beim zweiten Hören sofort wieder. Das musst du als Songwriter erst mal hinkriegen. Angefangen bei Brechern wie dem Titeltrack und „Caught in the kill zone“ über die mahnenden Stampfer „Faces in the sky“ und „Born innocent“ bis zu der eingängigen Pop-Sensibilität von „X ray joy“, „The question is“ oder „Poison games“ – es gibt einfach keine Ausfälle auf dem Album. Das ist auch Leigh Heggarty zu verdanken. Der Fan, den das Schicksal irgendwann bei seiner Lieblingsband anheuern ließ, findet für jedes Stück den richtigen Ton, Sound und Ausdruck. Er ist einer dieser Musiker, die jedes Genre aus dem Ärmel schütteln können, aber letztendlich immer das spielen, was der Song von ihnen verlangt. Aber auch textlich gab es eine Weiterentwicklung, obwohl Raum für Interpretation gelassen wird, ist es diesmal konkreter, weniger abstrakt: „I get stressed before I’m even dressed, I must confess it’s a very testing time. I’m distressed cos I’m under duress, we gotta stay untied yet unified ... What happened to the Counter culture? The dreams they sold yer, the lies they told yer? What happened to the voice of freedom? That kept us breathing. Did we stop believing?“ („Counterculture?“)