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KRÄLFE

Gravity Sucks

Ja, Gravitation nervt. Und mein erster Gedanke beim Blick auf das Cover war: Otto Lilienthal! Der Flugpionier versuchte die nervige Schwerkraft zu überwinden, innen im Klappcover ist eine Skizze abgebildet von seiner Erfindung „Normal Segelflugapparat von ca. 13 qm Segelfläche“, und auf dem Backcover sieht man Lilienthal schweben. Einen weiteren textlichen oder inhaltlichen Bezug zur Fliegerei kann ich beim Berliner Duo KRÄLFE, bestehend aus Cläre Casper (dr, voc) und Ralf Küster (gt, bs), dann aber nicht nachvollziehen – dennoch gefällt die Gestaltung und der Bezug zwischen Titel und Artwork. Das Album kommt als Doppel-LP mit vier 45-rpm-Seiten, das erfreut Menschen, die auf maximale Dynamik wert legen. Anders hätten KRÄLFE aber ihre zehn Songs mit teils über sieben Minuten Spielzeit auch kaum sinnvoll auf Vinyl unterbekommen. „Gravity Sucks“ ist nach dem Debüt von 2014 und „Konserve“ von 2017 ihr drittes Album, eine Split-LP mit KOLLEKTIVE HALLUZINATION gab es 2021 auch noch. Mit dem Claim „The duo that invented minimal noise rock!“ vermarkten sich Cläre und Ralf selbstbewusst – und nahmen den Mund damit noch nie zu voll. Es erstaunt mich immer wieder, wie mit geschickten Arrangements (und „Tretminen“?) die Dynamik einer doppelt so großen Band erzeugt werden kann. Casper treibt die Songs enorm wuchtig und groovend voran, singt mit heller, prägnanter Stimme (teils gedoppelt und getriplet), und Küster lässt dazu den Bass grollen, die Gitarre noisige Schleifen ziehen. Post-Punk meets Noiserock meets Kraut (... „Craut“?) und das ergibt eine durchaus bewusstseinserweiternde Wirkung erzeugende Mischung, die so was wie einem Schwebezustand gleichkommen kann – ganz ohne „Substanzen“. Womit wir wieder beim Titel wären. Eigenwillig und dennoch eingängig – ein Fest für Menschen, die auf Rockmusik mit komplexer Rhythmik à la NOMEANSNO abfahren. Die im Live-Doppelpack mit MASERATI ...?