Foto

GIRLS IN SYNTHESIS

The Rest Is Distraction

David Bowie singt im wundervollen „Ashes to ashes“ die Zeilen „The shrieking of nothing is killing, just pictures of Jap girls in synthesis“. Und was immer Bowie damit sagen wollte, es darf vermutet werden, dass John Linger (voc, bs), Jim Cubit (gt, voc) und Nicole Pinto (dr) sich davon einst zum Namen ihrer Band haben inspirieren ließen. Anfang 2017 erschien mit „The Mound/Disappear“ die erste Single der Londoner Post-Punk/Noise-Band mit angeschlossenem Künstlerkollektiv. Nach diversen weiteren, teils teuer gehandelten Kleinformaten unter anderem auf Harbinger Sound kam 2018 die Compilation „Pre/Post: A Collection 2016-2018“ als Quasi-Debütalbum. Diesem folgte 2020 das erste richtige Album „Now Here’s An Echo From Your Future“, 2021 kam die „Shift In State“-12“ und im Sommer 2022, quasi als Vorbote des neuen Albums „The Rest Is Distraction“ auf dem bandeigenen Label Own It, folgte auf dem Berliner Hound Gawd!-Label die 5-Song-45-rpm-12“ „Konsumrausch“. Erfreulich: GIRLS IN SYNTHESIS spielen nicht das Spiel, das einst in den Achtzigern, als viele ihrer Düsterpunk-Vorbilder ihre wichtigen Werke veröffentlichten, gerne getrieben wurde: da wurde alles mehrfach und in zig Variationen veröffentlicht, die Maxi-Singles mit redundanten Edits waren ein echter Fluch. Hier gibt es auf dem Album elf neue Songs, und das ist genauso wichtig: Das Trio aus London tut uns und sich den Gefallen, nicht mit musikalischen Experimenten (Euphemismus dafür: „Weiterentwicklung“) zu nerven. Das geschah, im überschaubaren Rahmen, auf der letzten 12“. Hier dagegen ist eigentlich ab dem Opener „It’s all beginning to change“ alles klar: düster und mächtig wie der Rhythmus einer großen Fabrik wummert das Schlagzeug, dazu wühlt blubbernd der Bass und die Gitarre setzt helle Spitzen darauf. Der Gesang: wütend und fordernd herausgebellt, aber auch mal eher rezitierend, mit klar vernehmbarem Londoner Zungenschlag, mindestens so schlecht gelaunt wirkend wie einst der Vortrag von THE FALL-Ikone Mark E Smith. Apropos: Eleni Poulou, einst bei THE FALL, steuert beim unter Lockdown-Bedingungen aufgenommenen Album Keyboards bei, und hier und da sind (verfremdete) Bläser- und Streicherklänge von den befreundeten Musikern funkcutter und Stanley Bad zu erahnen. „The Rest Is Distraction“ ist ein in seiner Gesamtheit starkes Album, das aber nicht allein als Ganzes wirkt, sondern aus markanten Tracks besteht, wie etwa „My husband“, das mich mit seiner Dub-Note an BAUHAUS erinnert. GIRLS IN SYNTHESIS ist ein Album geglückt, das einerseits deutlich die Goth- und Post-Punk-Wurzeln erkennen lässt, andererseits aber kein lahmer Nostalgie-Zock ist und in seiner packenden Direktheit und Schärfe zweifelsfrei aus dem Hier und Jetzt kommt.