SPANISH LOVE SONGS

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The fear of being normal

Weil Sänger Dylan bei einer aus dem Ruder gelaufenen Punkrock-Show in Brooklyn einmal für Ruhe sorgte, bezeichnete ihn das Publikum wenig schmeichelhaft als „Pit-Dad“. Dass er eigentlich gar nicht so besonnen ist, zeigen die elf neuen Songs auf „Schmaltz“, dem zweiten Album von SPANISH LOVE SONGS. Schließlich ist Musik dazu da, um Emotionen zu verarbeiten und sich seine Dämonen von der Seele zu schreien. Die fünf Amerikaner wollen reinen Tisch machen. Dass es dabei auch um ihr Selbstverständnis geht, liegt irgendwie auf der Hand, wie der Sänger im Interview erklärt.

Vor der Veröffentlichung von „Schmaltz“ war es gar nicht so einfach, eure Band im Internet oder bei Spotify zu finden. Im Gegenteil, als „die besten“ Spanish-Love-Songs wurden stattdessen Lieder von Andrea Bocelli angezeigt. War die Namensgebung rückblickend vielleicht doch etwas vorschnell?


Wir sehen diese ganze Namenssache sehr locker. Zum einen sind wir die einzige Band, die unter der URL zu finden ist. Zum anderen haben wir damit doch auch immer ein Gesprächsthema. Als ich gesehen habe, dass die Website noch frei war, habe ich sie mir direkt geschnappt. Wenn die Leute etwas mutiger im Internet unterwegs wären und nicht erst alles „googlen“ würden, wären wir vielleicht jetzt schon etwas bekannter.

Kannst du dir erklären, woran es liegt, dass ihr ausgerechnet jetzt, mit eurem zweiten Album, in Europa durchzustarten scheint?

Das wird sicherlich an der Vermarktung durch unser deutsches Label Uncle M liegen, die ganz andere Vertriebskanäle haben als A-F Records in Amerika. Die Tour, die wir jetzt spielen, wurde zum Beispiel weit im Vorfeld der Veröffentlichung von „Schmaltz“ gebucht. An so Tagen wie heute, wenn wir im Zuge unserer Tour als Support von IRON CHIC spielen, können sich die Leute hier einen Eindruck davon machen, was wir so draufhaben. Vielleicht führt ja die Kombination aus beidem, dem guten Marketing und unserer Performance dazu, dass wir noch einmal wiederkommen dürfen.

Lass uns über eure neue Platte sprechen. Was ist im kalifornischen Örtchen Nuevo passiert, das zu solch einem trotzigen Text wie in dem gleichnamigen Opener des Albums geführt hat?

„Nuevo“ handelt von der Situation, in seine Heimatstadt zurückzukehren und zu merken, dass sich eigentlich gar nichts geändert hat. Die Leute sind älter geworden, ja, natürlich ... Ihre Gewohnheiten sind aber die gleichen geblieben. Irgendwie hat mich das geärgert. Gleichzeitig habe ich mich dann aber auch über mich selbst geärgert und darüber, dass ich so abschätzend über die Menschen gedacht habe. Schließlich habe ich selber ja eigentlich auch nichts erreicht, auf das ich stolz sein könnte oder womit ich bei diesen Leuten prahlen würde. Ich verdiene ein bisschen Geld mit meiner Leidenschaft, okay. Als Teenager oder auch mit Anfang zwanzig wäre das bestimmt cool. Jetzt entferne ich mich immer weiter von der magischen Altersgrenze und muss mich fragen, ob und wie lang ich noch so weitermachen möchte.

Mit vielen eurer neuen Songs werdet ihr ein ähnliches Publikum ansprechen wie zum Beispiel die MENZINGERS. Wie gehst du um mit diesen Vergleichen und der Kritik, dass es stellenweise sogar starke Ähnlichkeiten gibt?

Grundsätzlich kann ich sagen, dass es Schlimmeres gibt, als mit den MENZINGERS verglichen zu werden. Dennoch behaupte ich, dass sich unsere Musik doch schon klar unterscheidet. Und bevor wir denselben Status wie sie erreicht haben, müssen wir sowieso noch einiges aufholen.

Dass ihr eure eigenen Punkrock-Hymnen schreiben könnt, zeigt ihr eindrucksvoll in Songs wie „Buffalo, Buffalo“, der nicht nur die eine oder andere Zeile zum Mitsingen parat hat, sondern auch als verkapptes Liebeslied taugt.

In dem Song geht es tatsächlich um die Sehnsucht, die ich meiner Freundin entgegengebracht habe, als wir über einen langen Zeitraum örtlich voneinander getrennt waren. Ich habe versucht, meine damaligen Eindrücke in Worte zu fassen und alles um mich herum zu beschreiben. Erschreckenderweise haben sich ein paar der Dinge, die damals passiert sind, mittlerweile wiederholt.

Du sprichst den Amoklauf in Portland an, richtig?

Ja, genau. Wie gesagt, es geht in dem Song eigentlich gar nicht um so etwas Furchtbares wie diesen Amoklauf. Irgendwie beschreibt er jedoch die momentane Situation in Amerika ganz gut. Es ist schrecklich, welchen Einfluss manipulierbare Politiker auf das Leben so vieler Menschen haben. Dass sie dabei noch so scheinheilig behaupten, sie würden etwas Gutes für die Gesellschaft tun, treibt die Sache noch auf die Spitze. Aber hey, darum geht es ja in dem Song nicht. Meine Freundin und ich haben unsere örtliche Trennung überstanden. Wenigstens gab es hier ein Happy End. Darüber hinaus war „Buffalo, Buffalo“ auch der zweite Song, den ich für die Platte geschrieben habe, und der gewissermaßen auch die Stimmung vorgegeben hat.

Kann es sein, dass „Schmaltz“ auch davon handelt, dass ein durchschnittlicher Typ traurig darüber ist, nur „durchschnittlich“ zu sein?

Ich gehöre zu einer Generation, der gesagt wurde, dass wir alles schaffen können, was wir nur wollen. Irgendetwas ist dann aber mit uns passiert, dass wir vom Weg abgekommen sind. Wir sind in den Krieg gezogen, unsere Wirtschaft ist kollabiert und als wir dann das College verlassen haben, haben wir gemerkt, dass wir gar nichts Besonderes sind. Vielen Leuten ist es so ergangen. Und es ist ja tatsächlich auch etwas dran, dass es die normalen Leute sind, die die Welt am Laufen halten, oder nicht? Es ist auch gar nicht schlimm, in den Augen von anderen vielleicht als nicht so besonders zu wirken. Ich selbst jedoch hatte immer den Ansporn, etwas Besonderes zu werden. Gegen Ende meiner Zwanziger habe ich angefangen, Musik und Filme zu machen, und festgestellt, dass das ganz gut für mich funktioniert. Dennoch treibt mich diese Angst, „nur“ durchschnittlich zu sein, jeden Tag aufs Neue an. Das ist nicht so leicht zu beschreiben, es tat aber gut, mir meine Sorgen mit den Songs auf „Schmaltz“ von der Seele zu schreiben. Nicht dass ich sie besiegt hätte. Aber wenigstens habe ich es auf meine eigene Art versucht. Der Arbeitstitel der Platte war übrigens „The Fear Of Being Normal“.

Ein weiterer sehr persönlicher Song ist „Otis/Carl“. Kannst du etwas darüber sagen, wer Carl oder Otis sind?

Der Otis, von dem hier die Sprache ist, ist Otis Redding. Carl bezieht sich auf meinen Großvater, der immer eine wichtige Bezugsperson für mich war und auch auf dem Albumcover zu sehen ist. Er starb, als wir gerade unser erstes Album „Giant Sings The Blues“ aufgenommen haben. In all den Jahren zuvor hat er mich immer unterstützt und würde sicher auch Gefallen daran finden, was wir jetzt so fabrizieren. Als er starb, war das für uns alle ein schwerer Schlag. Da ich während der Aufnahmen zu unserem ersten Album jedoch so sehr mit meinem eigenen Leben beschäftigt war, haben wir ihm erst jetzt mit einem Song danken können. Damals steckte ich darüber hinaus noch in einer Beziehung, die kein gutes Ende nahm. Zwei Tage, nachdem ich herausfand, dass meine damalige Freundin mich betrog, starb mein Großvater. Ich habe damals meine eigenen Gefühle in den Vordergrund gestellt, was dazu geführt hat, dass ich im Nachhinein der Meinung war, ihm nicht gerecht geworden zu sein. Beim Schreiben der Songs von „Schmaltz“ habe ich mich irgendwann nachmittags hingesetzt und die Lyrics geschrieben. Da das nicht ganz so einfach war, sondern ganz im Gegenteil sehr schmerzhaft, haben wir uns entschlossen, den Song, so wie er ist, auf der Platte zu verwenden. Im Refrain haben wir einen Teil von „Sittin’ on the dock of the bay“ von Otis Redding verwendet, weil mein Großvater mir diesen Song sehr oft vorgespielt hat.

Lass uns abschließend noch über die Musikszene sprechen: Was ist dir besonders wichtig an Punkrock?

Die Offenheit allen Menschen gegenüber! Es sollte grundsätzlich egal sein, woher man kommt, wen man liebt oder wie man aussieht. Im Punkrock, wenn wir da überhaupt unseren Kreis drum herumziehen müssen, findet man diese Offenheit viel öfter als in vielen anderen „Szenen“. Auch die Tatsache, dass viele Leute sich einbringen können, Konzerte veranstalten, Essen anbieten oder sogar das finanzielle Risiko eingehen, indem sie Labels gründen, zeugt von der enormen Energie, die dahintersteckt. All das trägt dazu bei, dass wir uns hier so richtig wohl fühlen.