Aus dem Schrank geholt: PUNK. DIE ZARTESTE VERSUCHUNG SEIT ES SCHOKOLADE GIBT

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Bernd Hahn, Holger Schindler, Buntbuch-Verlag Hamburg, 1983, 240 S., 19,80 DM, nur noch antiquarisch

Auf den ersten Blick fällt die chaotische Gestaltung dieses Buches auf: Buchstaben- und Bildschnipsel, Collagen aus Text und Grafik, so sahen viele Fanzines damals Anfang der 1980er Jahre aus – und „Punk: Versuch der künstlerischen Realisierung einer neuen Lebenshaltung“ von Hollow Skai. Der war dann auch damals ziemlich angepisst, als er das Buch in die Finger bekam, und meinte, die beiden Autoren hätten ihm das Layout aus seinem eigenen Buch geklaut. Nun, ich würde von sehr starker Inspiration sprechen. Im Mittelteil des Buchs versuchen Hahn und Schindler, eine Art Fanzine zusammenzukleben, aber die Auswahl ihrer Themen und Bilder ist eine andere als die der Punks der damaligen Zeit, insbesondere fehlen jegliche eigenen Bildquellen wie Konzertfotos oder eigene Zeichnungen. An einer Stelle geben sie selbst zu, dass ihnen die Verbindungen, um an solches Material heranzukommen, einfach fehlen würden. Das liegt auch an ihrem Hintergrund, sie kommen aus der Musikerszene vor Punk, teilweise mit Jazzrock-Erfahrung. Sie stehen so für diejenigen Teile der westdeutschen Jugendkultur der 1970er Jahre, denen die Sinnhaftigkeit ihres bisherigen Lebensziels abhanden gekommen war und die sich nun von Punk ein neues Leben erhofften. Sie übernahmen die neue Ästhetik und landeten damit oft in der NDW, doch blieben sie nur Imitatoren, weil sie die Wurzeln des neuen Lebensgefühls nicht verstanden. So ist auch dieses Buch nur eine Imitation von Punk und Neue Welle. Hahn und Schindler erklären Punk nicht selbst, sondern schreiben aus anderen Büchern und Zeitschriften ab, dazu das Lebensgefühl und die Beschreibung der politischen Lage in Westdeutschland aus der taz. Außer in den eigenen biografischen Texten enthält das Buch keinen eigenständigen Gedanken, noch nicht einmal ein Konzept oder einen roten Faden. Ein Buch von Außenseitern, die behaupten Teil der Szene zu sein. Als Dokument des eigenen Scheiterns wäre das Buch okay, würden die Autoren es auch selbst bemerken, was Hahn und Schindler aber nicht tun.