NOFX

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Punk fürs Museum

Fat Mike ist ein Dauergast im Ox. Eigentlich ungewöhnlich, weil bis heute das Gerücht durch das Internet geistert, dass der NOFX-Frontmann ungern Interviews gibt. Ja, das musste ich auch schon erfahren, da war bisweilen wenig Disziplin zu bemerken und viel launische und/oder alkoholbedingte Sprunghaftigkeit, aber das hat sich seit ein paar Jahren gelegt, jetzt heißt es lapidar: „Yeah, call me.“ Und das habe ich getan, aus Anlass des anstehenden neuen Albums namens „Singles“. Am ersten Abend erreiche ich Fat Mike Mitte Dezember via Videocall in Las Vegas, wo das Leben trotz Corona in reduzierter Form weitergeht. Am nächsten Abend machen wir dann die zweite Runde, da ist er wieder zu Hause in Los Angeles. Denn ja, Mike wohnt nicht mehr in San Francisco, wo Fat Wreck ansässig ist, sondern wieder in L.A., wo sich die Band 1983 gründete.

Mike, wie geht es dir? So wie du auf dem Hotelbett rumlümmelst, sieht das sehr entspannt aus.

Ja, bin ich auch, und nüchtern. Ich habe mir vorgenommen, mal ein Jahr oder vielleicht auch sechs Monate abstinent zu bleiben. Mir ging es echt schlecht, ich hatte ein blutendes Magengeschwür, ich habe Blut gepisst und geschissen, das war nicht schön. Wobei das von einer bakteriellen Infektion kam, nicht vom Trinken. Ich war drei Tage im Krankenhaus und dachte mir, dass es wohl besser ist, mal eine Weile nicht zu trinken und so.

Manchmal gibt einem der Körper Signale, die eine klare Warnung sind, dass man es etwas ruhiger angehen sollte.
Genauso ist es.

Frauen geben, so heißt es, besser auf sich acht als Männer, die Arztbesuche und die nötigen Konsequenzen daraus oft lieber vermeiden. Über fünfzig sollte man als Mann auch regelmäßig zum Urologen gehen wegen Prostata und so.
Ach, da habe ich Frauen, die machen da bei mir sowieso die ganze Zeit rum, hahaha. Nein, im Ernst, ich lasse das regelmäßig untersuchen. Ich gehe regelmäßig zum Arzt, zum Glück fanden die bei dieser Magensache nichts Schlimmes.

Das klingt alles sehr vernünftig. Ist das die andere Seite des Mike, den die Öffentlichkeit sonst wahrnimmt, der etwa betrunken auf der Bühne steht?
Ich fake nie irgendwas. Wenn ich Interviews gebe, ist das meist im Zusammenhang mit einem Konzert. Und da bin ich dann oft ziemlich fucked up. Wie mich die Leute nicht erleben, ist die anderen fünf, sechs Tage in der Woche, wenn ich ganz normal zu Hause rumhänge, TV glotze oder einfach nichts mache. Mein Arzt sagte mir, meine Leber und meine Nieren seien in Ordnung, mein Cholesterinwert sei okay, ich sei rundum gesund. Ich trinke ja – jenseits von meiner aktuellen Trockenphase – nicht jeden Tag. Ich lebe nicht nach irgendwelchen festen Regeln, aber ich nehme mir Auszeiten, etwa was den Alkohol betrifft.

Ich hatte im Vorfeld des Interviews Gelegenheit, die Texte des neuen Albums zu lesen, und ich fand die zu einem guten Teil erstaunlich selbstreferentiell, etwa was Aussagen über die Band und dich selbst betrifft. Andere Musiker sind da weitaus unkonkreter. Jello Biafra etwa, der erst auf dem aktuellen Album mal etwas persönlicher wird. Wie hat sich das bei dir im Laufe der Zeit entwickelt?
Ich habe schon immer recht viele persönliche Songs geschrieben. Die gibt es es auf eigentlich jeder Platte. Aber vor ein paar Jahren machte ich das erste Mal in meinem Leben eine Depression durch, als meine Ehe mit Soma zerbrach. Und mit meinem Musicalprojekt „Home Street Home“ geriet ich dann wirklich ins Trudeln: das verzögerte sich alles immer wieder und immer weiter, das zog mich runter. Aktuell sieht das aber wieder besser aus, es scheint auch, als ob nun eine TV-Serie daraus wird. Und das „Cokie The Clown“-Album war voll mit Songs über mich. Das war das Persönlichste, was ich je gemacht habe. Und dieses Album nun, „Singles“, das sollte zuerst ein Doppelalbum werden. Jetzt ist es ein normales Album und ich habe noch 13 unveröffentlichte Songs. Ich hatte nicht das Gefühl, dass das als Doppelalbum gut genug geworden wäre, und so kommt jetzt eben dieses depressive Album.

Im Laufe des Jahres kamen ja diverse Singles, und jetzt, Anfang 2021, eben das Album. Weil man das so macht? Ich schätze mal, NOFX könnten auch mit Singles und Videos weiter auf sich aufmerksam machen, also warum das Album?
Nein, nein, ein Album hat immer etwas Spezielles. Ich fahre viel Fahrrad, und beim Fahrradfahren höre ich immer Musik. Manchmal höre ich auch Playlists mit einzelnen Songs, aber eigentlich bevorzuge ich Alben, die sind etwas Besonderes. Und deshalb will ich weiterhin Platten machen. Unser neues Album beginnt mit diesem sechsminütigen, verrückten, langsamen Song „The big drag“, da werden sich Leute fragen, warum das der Opener ist, und dann merken sie im weiteren Verlauf des Albums, warum das so ist: das Lied bestimmt die Grundstimmung. Und es ist einer meiner liebsten NOFX-Songs. Ich kann mich daran einfach nicht satthören. Das klingt wie nichts anderes.

Die Frage ist ja trotzdem, ob Menschen überhaupt noch Alben brauchen? Anlass für Posts bei Social Media hattet ihr im Verlauf von 2020 auch so genug mit den Singles, die in physischer Form freilich sehr limitiert waren.
Ja, brauchen sie. Die wollen was Neues von NOFX hören, und da reicht ein Song allein nicht aus. Mir geht es bei BAD RELIGION so: Schön, ein neuer Song, aber wann kann ich das Album hören? Außerdem verkaufen wir die meisten unserer Alben an ältere Leute, und die hören Musik eben über Alben. Und dazu kommt, dass ich gerne Alben aufnehme. Ich fordere mich gerne selbst heraus. Ich mache gerne Alben, die anders sind als die davor. Und die zumindest bei ein paar Songs was zu bieten haben, das so noch niemand vorher gehört hat. Deshalb also: Ja, ich halte es für wichtig, Alben zu machen.

Inwiefern hat Corona das alles verzögert?
Fertig war das Album schon im Februar 2020, aber dann entschlossen wir uns, erst noch das Split-Album mit Frank Turner zu machen, und so wurde das Album verschoben. Ich bin froh, dass es jetzt endlich raus ist. Es ist auch in der Beziehung ein super seltsames Album, weil wir keinen der Songs bislang live gespielt haben, das ging ja nicht. Wir probten die, kamen da irgendwie durch, dann nahmen wir sie auf. Wir leben ja alle irgendwo anders, Smelly nahm seine Drum-Sachen separat auf, wir dann später unsere Parts, alle in verschiedenen Studios, und es dauerte schon allein ein Jahr, das alles aufzunehmen. In Hinblick darauf, die Songs als Band zu spielen, fühle ich mich also aktuell keinem der Songs nahe. Aber klar, es sind meine Songs. In der gleichen Zeit nahm ich aber auch „Cokie The Clown“ auf und die Songs für „Home Street Home“. Und zehn neue ME FIRST AND THE GIMME GIMMES-Songs gibt es auch noch, alle unveröffentlicht. Die Gimmies, das ist sowieso alles ein Chaos ... Und sechs Alben anderer Bands habe ich in der Zeit ja auch noch produziert. BOMBPOPS, BAD COP/BAD COP, GET DEAD, DAYS N’ DAZE, FISHBONE, MAD CADDIES ... Ja, doch, ich bin immer beschäftigt.

Wie behältst du die Kontrolle über all diese Projekte? Mit irgendeiner Super-App? Hast du einen Sekretär, der morgens zu dir sagt: „Mister Burkett, heute haben Sie folgende Termine ...“
Ich habe ein paar Leute, die für mich arbeiten und mich an Sachen erinnern, ja. Aber dieses Interview, das musste ich schon selbst im Blick haben. Ehrlich gesagt bin ich nicht so der organisierte Typ. Ich bin einfach den ganzen Tag am Machen, irgendwie. Das macht das Leben, mein Leben, aber auch überhaupt erst interessant: kein Tag ist wie der andere. Mal bin ich einem Studio, mal in einem Dungeon, mal arbeite ich an einer TV-Show. Ich habe gerade eine Sitcom geschrieben.

Details!
Nö. Es gibt ein paar Leute, die sehr interessiert sind daran ...

Du arbeitest an zig Sachen, Leute tragen ihre Ideen und Projekte an dich heran, du hast so viele „Baustellen“. Seit wann ist das so, wie hat sich das entwickelt? Irgendwann warst du ja mal „nur“ der Sänger und Bassist einer Punkband.
Ja, irgendwann habe ich mich zu einer Celebrity entwickelt, das ist seltsam. Ich sehe mich ja eigentlich nicht so. Spannender ist für mich, was passiert ist, seit ich nach 35 Jahren San Francisco nach Los Angeles gezogen bin. Hier kennen mich irgendwie alle. Man merkt sehr stark, wie sich hier die Unterhaltungsindustrie konzentriert. Ich treffe irgendwelche Leute und die wissen genau, was ich mache. What?! Ja, ich bin in einer Punkband, und? Mit Corona ist das aktuell natürlich anders, aber vorher traf ich ständig irgendwelche TV-Stars und so, die mich kannten. Umgezogen bin ich, weil ich mich nach der Trennung von Soma in San Francisco ganz allein fühlte. Ich bin aber nicht gerne allein. Also zog ich nach Los Angeles, kaufte mir ein großes Haus, ein paar Freunde zogen mit ein. Und ich sehe ganz klar, dass ich hier in L.A. eine ganze Menge Möglichkeiten habe. So habe ich etwa für eine Doku auf dem Discovery Channel die Musik geschrieben. Kann sein, dass ich auch die Musik für den neuen Film von Billy Bob Thornton machen werde. Und so habe ich noch ein paar andere Projekte laufen, für TV, Film und Bühne. Ich mag es, wenn ich Neues ausprobieren kann. Und das Produzieren von Bands ist in L.A. auch einfacher.

Die ganzen Klischees über L.A., dass hier in Sachen Unterhaltung alles geht, scheinen also zu stimmen. War dir das die letzten 35 Jahre egal?
Ja, das war mir egal. Mich hat das Geld auch nie interessiert, ich wollte nur Platten machen und Konzerte spielen. Aber ... mir wird auf Dauer langweilig. NOFX spielen in normalen Jahren nur 25, 30 Konzerte im Jahr und das ist gut, denn so bewahren wir uns den Spaß. Aber will ich eben mehr machen, neue Lieder aufnehmen. Schau dir mal die 50-7“-Box zu „Home Street Home“ an, die wir gemacht haben. Da sind verdammte 104 Songs drauf! Fünfzig Singles kann sich keiner anhören am Stück, deshalb haben wir die in Tranchen à zehn Stück veröffentlicht. Und ja, ich habe viel zu viel, was ich die Welt hören lassen will. Ich mag es einfach, viele verschiedene Sachen zu machen. Videos gibt es jetzt auch, für „Home Street Home“, und meine Tochter spielt mit. Es macht Spaß, Songs mal nicht aus einer NOFX-Perspektive heraus zu schreiben. Ich habe jeden Tag die Gitarre in der Hand und versuche, was zu schreiben. So kommen jedes Jahr dreißig, vierzig neue Songs zusammen, die kann ich gar nicht alle für NOFX verwenden.

Warum ist das so? Rotiert dein Hirn ständig oder hast du Angst vor der Leere, dem Nichtstun?
Mein Hirn ist immer aktiv. Ich denke ständig darüber nach, welche neuen Ansätze es gibt, was ein gutes neues Stück wäre. Permanent! So kam ich auf die Idee mit der Sitcom, beim Fahrradfahren. Ich bin ein „Doer“, einer, der einfach macht. Wenn ich eine Idee habe, dann will ich die auch umsetzen. Soll ich dir sagen, was ich gerade hier mache? Ich arbeite an der Eröffnung des Las Vegas Punk Museum.

Und das wird was genau sein?
Wart’s ab. Ich hatte die Idee vor zwei Wochen, und jetzt bin ich hier zusammen mit Vinnie von LESS THAN JAKE und Max von SWINGIN’ UTTERS, das sind meine Partner. Wir schauen uns gerade Locations an, um zu sehen, wo man das umsetzen kann. Mann, die Welt braucht ein Punkrock-Museum!

Punk im Museum, da verdrehen immer einige Leute die Augen. Ins Museum kommt, was tot ist!
Das sehe ich anders, es gibt ja auch Museen für moderne, gegenwärtige Kunst. Nimm Graffiti, das ist eine sehr gegenwärtige Kunst, aber auch im Museum. Punk ist nicht tot, nur die RAMONES. Ich glaube, das ist die erste Rockband, deren Kernmitglieder alle tot sind. Und das bei natürlichen Todesumständen. Das Ramones-Museum in Berlin ist cool, und so will ich ein ganzes Punk-Museum. Punk wurde in den Seventies ganz anders betrachtet, schau die Fotos von Sid Vicious oder Debbie Harry an. So wie die dargestellt werden, das ist das Image von Punkrock. Aber Punkrock, das ist auch PENNYWISE und LAGWAGON und RANCID. Und das will ich zeigen.

Ein Punk-Museum für die Unterhaltung der ganzen Familie, wo Eltern mit ihren Kinder hingehen können beim Las Vegas-Besuch, um denen zu zeigen, wie wild Mom und Dad mal aussehen?
Eine sehr gute Frage – die müssen wir noch diskutieren. Ich kenne aber natürlich Howie Pyro, unter anderem von D-GENERATION, der war mit Sid Vicious befreundet, der hat die Klamotten von Sid ... und der findet unsere Idee gut. Oder ... frag die MISFITS, ob sie im Punkrock-Museum vertreten sein wollen. Wie sollen die nein sagen? Jeder will doch da vertreten sein, also werden wir sicher coole Sachen für die Ausstellung bekommen. Und nein, das wird kein Disney-Style-Museum werden.

Mir fallen als Negativbeispiel nur die uncoolsten Orte der Welt ein, die Hard Rock Cafés mit ihren Gitarrenvitrinen.
Bei uns wird es keine signierten Gitarren geben!

Warum der Standort Las Vegas? Wegen dem Punk Rock Bowling-Festival?
Vegas ist einfach ein beliebtes Touristenziel. Hier kommt jeder mal hin. Und wenn du schon mal in Vegas bist, wie kannst du dir dann das Punk Museum entgehen lassen?

Du bist so ein smarter Geschäftsmann!
Hahahaha! Keine Ahnung, warum nicht längst schon jemand diese Idee hatte. Aber mir geht es ja nicht nur ums Geschäft, sondern auch um den Spaß. Allein schon jetzt mit den anderen hier zu sein und Pläne zu schmieden ist toll. Und bislang hat jeder, den ich nach seiner Meinung zu der Idee befragt habe, mit Begeisterung reagiert. Es geht also nicht um Business, mit so einem Projekt wird niemand reich. Es ist einfach cool und macht Spaß.

Letztlich wird man damit aber Geld verdienen können.
Ja, klar. Es wird einen Shop geben, wir haben schon ein Logo, und klar werden wir T-Shirts und solchen Merch verkaufen. Aschenbecher, Feuerzeuge, was weiß ich, haha.

Du erwähntest vorhin kurz Corona, weil man kaum noch Leute treffen kann. Aber inwieweit hat die Pandemie dein Leben betroffen, beeinflusst? Die „Punk In Drublic“-Festivalshows 2020 sind alle ausgefallen, und wie und ob das 2021 was wird, steht in den Sternen.
Es hat mich insofern hart getroffen, als dass mein Musical „Home Street Home“ im Juli 2020 anlaufen sollte, in Los Angeles, drei Monate lang, endlich. Da sind eine Menge TV-Leute beteiligt. Es hat mich echt gekillt, als klar war, dass das nicht laufen wird. Und dass „Punk In Drublic“ nicht läuft, und wir mit NOFX dort nicht spielen werden. So wie es aussieht, muss ich mein Haus verkaufen. Das Haus ist aber echt cool, ich habe ein Studio aufgebaut und im Garten eine Laufbahn für meine „Pony People“ ... Shows kann ich da auch machen, aber ... jetzt kommt kein Geld mehr rein. Keiner verdient mehr was. Andererseits schreibe ich Songs wie verrückt, arbeite mit anderen Bands, mache Platten wie verrückt.

Nun, verhungern wirst du nicht, andere Musiker trifft die Krise ganz existenziell.
Melvin und Hefe, die müssen gerade total kämpfen, ich weiß. Wer hätte so was je gedacht? Trotzdem versuche ich, positiv zu bleiben, PMA und so, du weißt schon. So ein Scheiß passiert, so ist das Leben. Und so orientiere ich mich eben neu. Statt der Festivals schreibe ich eine Sitcom. Und aus meinem Musical versuche ich eine TV-Show zu machen. Auch das hat wieder mit meinem Hirn zu tun, das nie zur Ruhe kommt. Das war übrigens auch der Grund, warum ich früher mal Kokain genommen habe: Das hat mir geholfen, meine Gedanken zu fokussieren. Heute hole ich mir das bei BDSM: Wenn du ausgepeitscht wirst, hast du keinen Kopf mehr für andere Gedanken.

Was ist deine Einschätzung für 2021?
Ich kann da nur für mein ganz konkretes Umfeld sprechen: Wir werden mit NOFX an einem neuen Album arbeiten, dessen Songs ich schon geschrieben habe. Ich hatte mich 2020 für einen Monat in Klausur begeben in ein Haus am Strand, habe nichts getrunken, nur neue Songs geschrieben. Und so kommt es, dass das eine Album noch nicht raus ist und ich schon wieder zehn Stücke für das Folgealbum habe. Mir geht es aktuell auch echt gut, ich trinke nicht, ich bin gut gelaunt, und Soma und ich sind zumindest wieder gute Freunde. Diese Scheidung hat mich echt fertig gemacht ... Ich bin also echt in guter Stimmung, und das merkt man den neuen Songs auch an, das ist happy, fun punk, nicht so düster wie das „Singles“-Album. Das ist eben mein Depressionsalbum. Und jetzt bin ich nicht depressiv.

Wir bekommen da jetzt also mit Verzögerung den Fat Mike von vor zwei Jahren zu hören.
Exakt. Und so wird es 2021 eben zwei NOFX-Alben geben, das ist klar. Wir werden schon im Februar mit den Aufnahmen beginnen, und wir werden das alles mit Kameras begleiten. Als Fan wirst du uns nicht nur im Studio beobachten können, sondern auch schon beim Einstudieren der Songs. Wir werden das mit einem Abo machen, du kannst dich dann einloggen. Das wird interessant. Wir streiten uns nicht im Studio, aber wir machen da viel Scheiß zusammen. So wie auf der Bühne eben. Wir sind da ja fast schon Comedians. Das wird für alle Beteiligten spannend.

Ganz neu ist die Idee nicht, und bisweilen hat man das Gefühl, dass man als Zuschauer nur zu sehen bekommt, was das Management freigibt, oder dass das sowieso halb gescriptet ist.
Wir haben damals „Backstage Passport“ gemacht, und da war nichts gescriptet. Und warum ist diese Banddoku besser als andere? Weil sie echt ist. Ich empfehle anderen Bands nicht nachzuahmen, was wir tun, aber mit und für uns funktioniert das. Wir kommen damit durch.

*****

Mike, wie geht es dir heute?
Super! Gerade habe ich mein negatives Corona-Testergebnis bekommen. Yeah!

Können wir über Musicals sprechen? In Deutschland erschließt sich vielen, denke ich, nicht so recht deine Begeisterung für diese musikalische Ausdrucksform. Hier denkt man bei Musicals an Horrorshows wie „Starlight Express“, „König der Löwen“, „Cats“ und anderen Andrew Lloyd Webber-Touri-Trash. Was ist anders an „Home Street Home“, in welcher Tradition siehst du das, was fasziniert dich am Musical als irgendwie ja typisch amerikanische Kunstform?
Ein gutes Musical ... das ist, als ob du eine gute Band live siehst, da ist Dramatik. All die Schauspieler:innen, die singen, das finde ich aufregend. Für mich ist ein Musical besonders wichtig, und zwar „The Rocky Horror Picture Show“, das war die erste Musik in meinem Leben, die ich bewusst hörte. Meine Mutter nahm mich dann auch irgendwann mit in eine Vorstellung, als ich 14 war. Danach sah ich dann auch den Film, und ich wuchs damit auf. Und ja, was Musicals generell betrifft, sind sie, abgesehen von ein paar wenigen, alle schlecht. Die Songs in Musicals sind schlecht. Und mein Ehrgeiz besteht darin, welche zu schreiben, die besser sind.

Ich glaube, angesichts der von mir eben erwähnten Beispiele fällt es Menschen schwer zu glauben, dass es auch gute Musicals gibt.
Ja, aber in meinem geht es um Straßenkinder, um Punkrocker, die auf der Straße leben. Wie die sich durchschlagen. Das ist ein großartiges Thema.

Musstest du bei der ganzen Sache Kompromisse eingehen? Neben Soma ist der erfahrene Musical-Produzent Jeff Marx mit im Boot.
Ja, Kompromisse musste ich eingehen, aber die stellten sich als die bessere Lösung heraus. Wir hatten einige sehr roughe Szenen in der frühen Fassung, bei denen sich Menschen im Publikum unwohl fühlten, obwohl es dafür meiner Meinung nach keinen Grund gab. Auch jetzt gibt es solche Elemente noch, etwa die Szene, wo sich eines der Mädchen mit einer Rasierklinge ritzt. Abgesehen davon arbeiten wir nicht mehr mit diesem Produzenten. Er war es, der ständig versuchte, das Musical Disney-mäßig zu machen. Aber keine Chance.

Bist du jemand, der leicht Ratschläge von anderen annimmt?
Kommt darauf an, worum es geht. Ich habe neulich einen Song live auf Twitch geschrieben, Musik und Texte, und die Leute machten mir Vorschläge – einen griff ich auf. Also ja, ich bin willens, die Ideen anderer aufzugreifen. Was mich wirklich auf die Palme treibt, ist allerdings, wenn Leute mir ständig Vorschläge machen, welche Songs wir doch mit ME FIRST AND THE GIMME GIMMES unbedingt mal covern sollten. Da triffst du einen alten Bekannten mal ein Jahr nicht und was ist das erste, was der zu mir sagt? „Hey Mike, ich habe da eine Idee für einen Song, den ihr unbedingt mal covern müsst!“

Was muss ein Song mitbringen, damit er für ME FIRST AND THE GIMME GIMMES taugt?
Das ist total schwierig. Spike und Joey hatten anfangs mal eine Liste von 100 Countrysongs zusammengestellt, die man covern könnte. Wir haben das dann auf erst 16, dann 12 reduziert, die so gut sind, dass man sie covern kann. Es gibt eine Menge guter Songs, aber nur wenige taugen dazu, gecovert zu werden. Damit ein Songs sich gut covern lässt, gilt als wichtige Grundregel, dass man ihn dazu nicht schneller spielen muss. Du kannst den normalerweise doppelt so schnell spielen, aber die Melodie lässt sich nicht beschleunigen. Und ganz grundsätzlich muss es ein sehr melodiöser Song sein.

Die DICKIES waren für mich die erste Band, bei der ich hören konnte, wie man einen Song als Cover im Einzelfall sogar besser spielen kann als das Original. Ich gestehe, dass mir „Paranoid“ als Cover von denen besser gefällt als das Original.
Das hängt mit der Akkordfolge zusammen. Alte Rock’n’Roll-Songs sind immer nach dem Schema 1-4-5 aufgebaut, das funktioniert gut. Aber alte Soul-Nummern? Die bekommst du nicht besser hin. Oder AC/DC – keine Chance. Schöne Songs, die wie Balladen sind, die eignen sich gut. Aber wie willst du bei „Back in black“ eine Chance haben?

Hast du dir das, was du über Musik weißt, alles über „learning by doing“ beigebracht?
Ich habe als Kind eigentlich keinen Kontakt zu Musik gehabt, meine Eltern hörten keine Musik. Ich musste Musik später alleine entdecken. Die BEATLES hörte ich das erste Mal, als ich aufs College ging. Ich hatte Punkrock, warum hätte ich die BEATLES hören sollen? Ich hatte auch nie Unterricht für ein Instrument oder so.

Unsere Sichtweise auf Musik ist wahrscheinlich völlig verschieden: Du hast den Blick des Songwriters und Musikers, ich den des Musikjournalisten.
Und viele Leute beurteilen Musik danach, wie sie sich dabei fühlen. Diese Gefühl habe ich nicht mehr. Ich analysiere Musik danach, wie smart die Texte sind, wie gut die Melodie ist, wie gut die Akkorde sind. Ich merke auf, wenn ich etwas Interessantes höre. Bei einem Song wie „I feel good“ von James Brown hingegen schüttelt es mich. Langweilige Musik killt mich. Oder Pop-Punk-Bands – soooo langweilig, ich habe das alles schon mal gehört. Das fordert mich heraus, Musik zu schreiben, die Akkordfolgen hat, die keiner zuvor verwendet hat.

Gibt es die?
Ja. Du kannst auch heute noch neue Musik schreiben. Wenn du in einer Band bist, die immer nur drei Akkorde verwendet, da kann es schon mal eng werden. Aber so arbeite ich nicht. Aber in meinen normalen Punksongs verwende ich normalerweise acht Akkorde in einem Vers. Und mit acht Akkorden kann man eine Menge anstellen. Womit wir beim Opener „The big drag“ von unserem neuen Album sind: Ich denke nicht, dass das Lied nach irgendeinem anderen Song klingt.

Hast du dich mal dabei erwischt, eine Idee ein zweites Mal gehabt zu haben?
Klar. Wir hatten mal ein Guitar-Lead bei einem Song auf „Wolves In Wolves’ Clothing“, das war ... bei „Seeing double at the Triple Rock“ und Jason von Fat Wreck wies mich darauf hin, dass ein Part exakt so klingt wie in einem anderen Song, ich glaube „Pharmacist’s daughter“. Und er hatte recht!

Du erwähntest eben deine Songwriting-Aktion auf Twitch. Erklär mir Twitch, ich kapiere das nicht. Wieso reizt dich so eine neue Social-Media-Plattform?
Erfunden wurde Twitch für Gamer. Damit die sich gegenseitig beim Spielen zusehen können. Für mich, für uns, ist das eine Plattform für Fans. Unsere Idee ist, dass Leute uns über ein Bezahl-Abo beim Schreiben und Aufnehmen eines neuen Albums begleiten können. Das kann man zum Beispiel mit Twitch anstellen. Spannend sind die monetären Optionen, die es bietet. Klar könnte man das auch über Facebook oder Instagram machen, aber da kannst du kein Geld damit verdienen. Und es ist eben so simpel, dass wir Möglichkeiten brauchen, Geld zu verdienen. Sorry, aber auch Bands müssen irgendwie Geld verdienen.

Bist du so digitalaffin, dass du so was selbst herausfindest und beherrschst, oder holst du dir dafür Hilfe?
Ich hänge da immer hinterher. In diesem Fall hatte ich hier und da aufgeschnappt, was es für Möglichkeiten gibt. Und so haben wir mal ausprobiert, ob Fans bereit sind, für Interviews nach einem Streamingkonzert zu bezahlen. Livestreams sind langweilig, dass wissen wir alle, unserer war vielleicht etwas weniger langweilig. Also gibt es bei uns Extras, etwa Ponykutschfahrten-Videos ... Warte mal, ich schicke dir eben ein Foto ... meine Freundin ist die Kutscherin. Dass da jetzt eine Frau das Pony ist, hat nichts zu sagen, manchmal bin auch ich das Pony.

Apropos Frauen: Mit euch auf dem Cover gibt es ein weiteres Ox mit einer Männerband auf dem Cover. Und wenn ich mir das Labelprogramm von Fat Wreck so anschaue, ist da auch ein deutlicher Männerüberhang festzustellen, sind Musikerinnen und Frauenbands in der Unterzahl.
Dann solltest du mal BAD COP/BAD COP auf das Cover nehmen, die sind verdammt gut. Oder BOMBPOPS. Die verkaufen auch richtig gut, mindestens so gut wie FACE TO FACE. Die haben eine echt gute Fanbasis. Bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich mal mehr Girlbands gesignt habe – ich habe einfach gewartet, bis eine richtig gute daherkommt.

Reicht das? Oder muss man Frauenbands aktiv fördern? Alex vom Ruhrpott Rodeo wurde beschuldigt, ein „Pimmelbandfestival“ zu machen, da würden fast nur Männerbands spielen.
Das kann man nicht so sagen. Das ist eben die Rockmusik. Die Popmusik hingegen wird von Frauen dominiert. Madonna, Lady Gaga und so weiter. Die weibliche Stimme eignet sich, denke ich, einfach besser für bestimmte Genres. Außerdem lernen Frauen anscheinend weniger gern ein Rockmusikinstrument als Männer. So ist das einfach. Ich finde nicht, dass es da Diskriminierung gibt. In der Countrymusik ist es ähnlich wie in der Popmusik, da sind Frauen als Sängerinnen massiv vertreten. Im Rock’n’Roll hingegen sind es vor allem Männer. That’s how it is.

Es ist also ein Problem unserer Szene?
Es ist kein Problem, es ist einfach so. Ein Beispiel: Nimm Pool Billard als Sport. Da haben Männer geschlechtsbedingt keinen irgendwie gearteten Vorteil. Trotzdem gibt es da nur sehr wenige Frauen. Genauso ist es mit Schach. Welchen Vorteil bringt es da, ein Mann zu sein? Trotzdem gibt es da wenig Frauen. Oder Poker. Es gibt eine Menge Pokerspielerinnen, trotzdem spielen die keine Rolle. Es gibt keinen Grund, das ist einfach eine kulturelle Sache. Niemand hält Frauen von Pokerturnieren fern. Die haben da nur offenbar keinen Spaß dran. Und niemand sagt Frauen, dass sie nicht in Bands spielen können. They just don’t do it.

Wenn sie es dann aber doch tun, ist es an Leuten wie dir und mir, ihnen den extra Push zu geben, sie bewusst zu fördern?
Nein. In den Neunzigern hatte ich TILT gesignt, aber das war auch so ungefähr die einzige Fauenband, die da war. Ja, es gab die DISTILLERS, aber diese Band hat Tim Armstrong ... „gemacht“. Es gab einfach keine Frauenbands. Okay, in Olympia, Washington und der Szene da gab es welche, die Kill Rock Stars-Bands, und die hatten auch ihren Erfolg. Ein „Problem“ war damals auch schon, dass die Frauen in diesen Bands eben nicht wie Männer in Punkbands schon seit ihrem siebten Lebensjahr oder so Gitarre spielten. Übrigens gibt es auch im Musical-Sektor so viel mehr Frauen als Männer. Der Broadway ist voll von Frauen, von Sängerinnen. Frauen werden schon von kleinauf eher dazu ermutigt zu singen, als das bei Männern der Fall ist. So ist das eben. Das könnte man ändern, aber das liegt nicht in unserem Verantwortungsbereich.

Aber gibt es deiner Meinung nach einen „männlichen Faktor“, der Frauen aus der Rockmusik eher fern hält? Wie Männer im Proberaum, im Bandbus, auf der Bühne, backstage miteinander umgehen?
Ich denke nicht. Es ist auch nicht irgendwie „komisch“, eine Frau dabeizuhaben. Seit 2015 schon ist Karina Deniké mit uns auf Tour. Die war mal bei den DANCE HALL CRASHERS. Sie ist eine von uns, spielt Keyboard, sie ist bei den Proben dabei, da existiert kein Unterschied.

Auf den Bandfotos, auch auf den aktuellen, fehlt sie aber.
Sie spielt bei sechs von 25 Songs mit. Auch früher schon war das bei Keyboardern so. Die Frage, ob sie auf den Bandfotos dabei sein sollte, haben wir uns immer wieder mal gestellt, und es gibt auch welche mit ihr. Würden wir sie mit drauf nehmen, obwohl sie nur bei einem Teil der Stücke dabei ist, würde es am Ende heißen, wir würden sie benutzen, um uns in einer Weise darzustellen, die nicht der Realität entspricht. Abgesehen davon ist es großartig, eine Frau in der Band zu haben. Sie ist einfach ein toller Mensch. Wir waren mal ein Jahr lang zusammen mit den DANCE HALL CRASHERS unterwegs, seitdem kennt sie uns und wir sie. Seitdem gehörte sie zu unseren besten Freunden, da war es leicht, sie in die Band zu holen.

„Punk In Drublic“, dein Festival fand 2020 nicht statt, und ob und wann das 2021 stattfindet, steht auch in den Sternen.
Denkst du, dass das im Mai klappen kann?

Ich schätze nicht. Hier in Deutschland geht man davon aus, dass ab der zweiten Jahreshälfte wieder solche Events stattfinden können.
Hm. Wenn es im Frühjahr nicht stattfindet, müssen wir eben über Oktober reden. Ich hoffe jedenfalls, dass wir dieses Jahr zu euch rüberkommen können. Wir brauchen das Geld!

Beim letzten „Punk In Drublic“ hatte ich das Gefühl, dass sich die Leute in Sachen Bier mehr erhofft hatten. Das Konzept war ja mal, dass da regionale und kleine Brauereien ihre Spezialitäten vorstellen können.
Das wird bei der nächsten Runde besser sein. Wir hatten einen Biersponsor, der sich dann zurückzog, und so stand das nicht so im Mittelpunkt. Wir schauen also, dass wir in jeder Stadt lokales Craft Beer präsentieren können.

Oft ist es ja so, dass die Veranstalter vor Ort, die Hallen oder Stadien, Verträge mit einer der lahmen Großbrauereien haben und entsprechend nur deren Plörre ausgeschenkt werden darf.
Ja, das ist schwer. Deshalb müssen wir das auch schon am Anfang als extra Programmpunk „Beer Tasting“ machen. Aber so ist das ein guter Start in den Abend.

Und wie ist das mit dir und Bier? Dein Lieblingsgetränk?
Nein. Ich bevorzuge Wodka und Kokain.

Was hat Corona generell mit euch, mit dir als Band angestellt? Früher gab es eine gewisse Planbarkeit, es gab Termine für Touren, Festivals, Studio. Und jetzt?
Ich weiß auch nicht. Aber hey, wir sind eine Punkband, wen kümmert’s? Keiner kann irgendwas Konkretes sagen. Und so mache ich eben ein neues Album. Ich lebe gerade im Moment in Huntington Beach, dann gehe ich ein paar Monate nach Vegas. Und dann sehen wir weiter. Wir haben gestern übrigens ein Gebäude für das Museum gefunden. Es ist nur ein paar Blocks von Downtown entfernt. Aktuell noch ziemlich abgefuckt, aber da kann man was draus machen. Und es gibt Platz für einen Laden und dahinter ist ein riesiger Parkplatz für Konzerte. Ich werde mich jetzt darum kümmern, alte Bands abzuklappern, um zu sehen, was die so haben – Fotos, Shirts, Flyer ... Ich habe die Couch von Kurt Cobain! Ich habe selbst natürlich auch ein paar Sachen, etwa einen Bass, den ich mal zerkloppt habe.

Wollen wir zum Schluss noch über Trump und Biden reden?
Ich habe keine Idee, was passieren wird. Es ist gerade echt schlimm, Amerikaner zu sein. Wir waren das erste Land mit einem schwarzen Präsidenten, und dann folgt darauf der schlechteste Präsident aller Zeiten. Es ist wirklich unglaublich, was für ein rassistisches Land die USA sind. Keiner hatte eine Vorstellung davon, wie tief rassistisch dieses Land ist. Die Weißen mögen einfach die Schwarzen oder Mexicans nicht, und generell niemand, der nicht weiß ist. Das ist total verrückt! Für unsereins war es eine harte Nummer, feststellen zu müssen, in was für einem zutiefst rassistischen Land wir leben.

Dieser Rassismus war ja immer da, etwa Schwarze haben das immer gewusst. Nur bestimmte weiße Kreise waren sich dessen nicht bewusst oder hatten es verdrängt.
Wir ahnten es, aber wir hatten keine Ahnung, wie verbreitet dieser Rassismus ist. Ich hätte gedacht, dass vielleicht 10% der Menschen in einem Land rassistisch denken – aber nicht, dass es 45% sind! Schrecklich!

Und wie sieht es mit People Of Color und/oder Migrationshintergrund in unserer Szene aus? In Deutschland eher schlecht.
Das ist was anderes in den USA. Mexicans sind hier absolut Teil der Punk-Szene. Asiaten gibt es allerdings eher weniger. Viele Juden. Allerdings eher wenige Schwarze. Ich habe POUR HABIT gesignt und LOVE EQUALS DEATH, die hatten beide schwarze Sänger. Ich finde es gut, Bands mit POC-Mitgliedern zu signen, aber es ist wohl so, dass sich viele Schwarze eher Richtung HipHop orientieren. Und auf Konzerten sind auch eher weniger schwarze Menschen. In L.A. wiederum sind bei Punkshows aber sicher die Hälfte der Leute im Publikum Hispanics. Punkrock ist keine rassistische Community. Schwarze Eishockeyspieler gibt es aber eben auch nicht so viele. Und nicht so viele weiße Basketballer.

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Kleine Chronologie der Aufreger

1996 NOFX veröffentlichten ihr Album „Heavy Petting Zoo“ via Epitaph. Ihr Artwork ist gezielt provokant, mit einem CD-Cover, auf dem ein Mann seine Hand am Unterleib eines Schafes hat, und der anstößigen LP-Version, die einen Mann und ein Schaf bei gegenseitigem Oralverkehr zeigt und den alternativen Titel „Eating Lamb“ trägt. In Deutschland wurde die LP-Version durch einen Beschluss vom Amtsgericht Münster wegen „Verbreitung pornografischer Schriften“ bundesweit beschlagnahmt. Kopien, die bereits im Umlauf waren, wurden konfisziert. In Frankreich musste laut Fat Mike ein Laden schließen, der ein Promo-Poster mit dem Albumcover im Fenster hängen hatte.

1998 Bei der Warped Tour warfen NOFX in Houston, Texas 2.500 Dollar in die Menge. Grund dafür: Da es zu heiß war, um draußen zu spielen, wurden sie in eine Scheune verfrachtet, wo normalerweise Kühe verkauft werden. Da war der Sound so schrecklich, dass Fat Mike das Gefühl hatte, sie müssten ihren Fans das Geld zurückgeben. Sie meinten zwar erst, es wären 5.000 Dollar gewesen, die sie in die Masse warfen, später gab Fat Mike aber zu, dass es tatsächlich 2.500 Dollar waren.

2010 Bei einem Festival in Austin, bei dem Fat Mike als sein Alter Ego Cokie the Clown auftrat, ließ er seine Fans in dem Glauben, sie hätten Urin-Shots von ihm bekommen. Zu Beginn seines Auftritts spendierte Fat Mike der Menge Tequila-Shots. Später zeigte er dann ein Video, in dem er in besagte Tequila-Flasche uriniert. Fat Mike wurde daraufhin von dem Venue verbannt und das Gesundheitsamt eingeschaltet. Später klärte er die ganze Sache als Streich auf.

2014 Am 5. November spielten NOFX ein Konzert in Sydney. Während des Auftritts bat Fat Mike darum, dass keine Sachen mehr auf die Bühne geworfen werden, da er Nackenprobleme hat. Ein Fan sprang auf die Bühne und legte seinen Arm um Fat Mikes Hals, woraufhin Fat Mike den Fan wegschubste und nach ihm trat. Später entschuldigte sich Fat Mike via Twitter und der Fan wurde in die Backstage eingeladen.

2015 Bei der „Fat Wrecked For 25 Years“-Tour fühlte sich Fat Mike in Halifax, Kanada von einem „Hipster“ mit Bart und Batik-Shirt genervt. Er bot dem Fan 100 Dollar, wenn er die Show verlässt. Der Fan verneinte, also bot Fat Mike ihm 20 Dollar für sein Shirt. Die Show konnte weitergehen und der Fan war um 20 Dollar reicher.

2018 2017 starben 58 Menschen bei einem Amoklauf in Las Vegas, bei dem ein Mann auf Besucher des Route 91 Harvest Festival schoss. Im Mai 2018 traten NOFX in Las Vegas bei dem Punk Rock Bowling And Music Festival auf. Auf der Bühne trug sich folgendes Gespräch zu:
Fat Mike: „We played a song about Muslims and we didn’t get shot! Hooray!“
Eric Melvin: „I guess you’re only getting shot in Vegas if you’re in a country band.“
Fat Mike: „I mean, that sucked, but at least they were country fans and not punk rock fans.“
Nach dem Zwischenfall verloren NOFX ihren Sponsorenvertrag mit der kalifornischen Brauerei Stone Brewing, die das Band-eigene Bier hergestellt und auch deren Festival „Punk in Drublic“ gesponsort hatte. Die Band entschuldigte sich für die Kommentare und Fat Mike schrieb später auf Instagram, seine Band sei nicht mehr in den USA willkommen und die großen Hallen würden nicht mehr wollen, dass NOFX dort auftreten.

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Home Street Home
Bereits 2015 feierte Fat Mikes Punk-Musical „Home Street Home“ Premiere. Zusammen mit der Schauspielerin und Ex-Verlobten Soma Snakeoil und Tony-Award-Gewinner Jeff Marx schrieb er das Musical, in dem es um die 16-jährige Sue geht, die von zu Hause ausreißt und sich einer Gruppe von Teenagern anschließt, die auf der Straße leben und gemeinsam ihren Platz in der Welt suchen. 2020 sollte das Musical dann als Neuauflage in Los Angeles produziert werden, diesmal ohne BDSM, da durch Corona aber keine Theateraufführungen möglich sind, will Fat Mike stattdessen eine Serie daraus machen. Einen ersten Vorgeschmack gab bereits die Videopremiere von „Three against me“, gesungen von Ty Deran, der den Charakter „PD“ spielt. Außerdem wird es einen neuen Soundtrack mit 16 Songs geben und Fat Mike hat 104 Songs von „Home Street Home“ als 50-7“-Box rausgebracht.