24/7 DIVA HEAVEN

Foto© by Maren Michaelis

Die Fußstapfen von Jennifer Finch

Rotzig, punkig, heavy, so klingen 24/7 DIVA HEAVEN. Eine neue All-Girl-Band, die sich im Herzen von Berlin gebildet hat. Nach einer ersten EP erschien jetzt das Debütalbum „Stress“ auf dem ebenfalls Berliner Label Noisolution. Sofort werden Erinnerungen an die großen Indie-Girl-Groups der Neunziger wach. Bands wie L7, BABES IN TOYLAND oder SLEATER-KINNEY. Bands, die nicht nur musikalisch begeistern, sondern auch einen politischen Anspruch haben. Das ist auch bei 24/7 DIVA HEAVEN so, die in Berlin das „Grrrl Noisy“-Kollektiv gegründet haben, erzählt Sängerin und Gitarristin Katharina „Kat“ Ott-Alavi.

Euch gibt es seit vier Jahren. Wie seid ihr zusammengekommen?

Wir sind alle in der Berliner Musikszene unterwegs und kennen uns aus der Heavy- und Stoner-Ecke. Da sind wir uns bei Festivals öfter über den Weg gelaufen und kannten uns flüchtig vom Bier holen an der Bar. Irgendwann kam unsere Drummerin Mary auf mich zu und meinte: Ich habe gehört, du spielst Gitarre. Ich suche ein paar Ladys, mit denen ich jammen kann. Haste Bock? Ich habe mich dann ein bisschen geziert, deshalb hat es ein paar Monate gedauert, bis es losging. Irgendjemand hat uns dann Karo als Bassistin empfohlen und es hat direkt gematcht.

Habt ihr vorher schon in anderen Bands gespielt?
Für Karo, die einzige gebürtige Berlinerin bei uns, ist es die allererste Band. Deshalb hatte sie auch ein bisschen Bammel am Anfang. Mary hatte damals in dem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, in dem sie aufgewachsen ist, die erste Girl-Punk-Band weit und breit. Das ist aber schon lange her, wir sind ja inzwischen alle um die dreißig. Bei mir war es ähnlich, ich komme aus Schwalbach am Taunus in Hessen und die Band hieß SEVEN DOLLAR BITCHES. Ich war das einzige Mädchen in der Band und ich war 15. Wegen des richtig bescheuerten Namens, den sich unser Bandleader ausgedacht hatte, war ich natürlich die Doofe. Das ist mir echt peinlich, aber so war es. Später haben wir uns umbenannt und irgendwann aufgelöst. In Berlin war dann jahrelang Jammen mit verschiedenen Leuten im Proberaum angesagt. 24/7 DIVA HEAVEN ist unsere erste richtige Band seit Jahren.

Wie seid ihr auf den Namen gekommen?
Eine der ersten Supporterinnen der Band war ein Kollektiv, das in Berlin eine Veranstaltungsreihe aufgezogen hat. Eine Plattform für queere Musikerinnen und feministische Bands. Die hatten eine Reihe, die hieß „Diva Heaven 7/11“. Das war eine Veranstaltung, die einmal im Monat von sieben bis elf ging. Da gab es dann ein Lady-Doom-Duo oder queere Partys. Die nannten das so, weil jede ihre eigene Diva leben und sein kann, wie sie will. Wir fanden die Veranstaltung toll und die Leute super. Wir hätten da auch fast unser erstes Konzert gespielt, es kam aber dann doch anders. Aber den Namen fanden wir witzig. Wir wollten aber immer Diva sein, also 24/7. So kam es in einer bierseligen Stimmung zu dem Namen.

Die erste Band, an die ich gedacht habe, als ich „Stress“ gehört habe, waren L7. Habt ihr einen Bezug zu All-Girl-Bands aus den Nineties wie L7, BABES IN TOYLAND oder BIKINI KILL?
Ich schreibe die meisten Songs und dann arbeiten wir sie gemeinsam im Proberaum aus. Das heißt natürlich, ich habe den größten Einfluss aufs Songwriting und ich habe dabei kein einziges Mal an L7 gedacht. Das finde ich witzig, weil uns viele auf diese Band ansprechen. Ich war eher auf der SONIC YOUTH-Schiene und habe Bands wie NIRVANA oder SOUNDGARDEN geliebt. L7 waren auch dabei, aber ich hatte nie den Anspruch, dass unsere Band so klingen soll. Weil ich gleichzeitig großer Eighties-Thrash-Metal-Fan bin, hat sich der kraftvolle Stil in der Band durchgesetzt. Ich liebe es eben, Riffs zu spielen und nicht nur Powerchords, deshalb klang es einfach irgendwann nach L7. Die haben auch so einen tiefen, mächtigen Sound. Daher kommen die Assoziationen und die finde ich auch keineswegs schlecht.

Es gibt ja auch eine witzige Geschichte von euch und L7.
Unsere Bassistin Karo ist seit ihrer Kindheit riesiger L7-Fan und wir waren als Band bei einem Konzert im SO36 in Berlin. Nach der Show haben wir Jennifer Finch zufällig vor dem Club getroffen und sie vollgequatscht. Wir haben ihr gesagt, dass wir gerade eine Band gegründet haben, und sie sagte einfach nur: „Oh, sorry for you!“ Wir erzählten dann weiter, dass wir an unserer ersten EP arbeiten und jemanden brauchen, der uns einen Schriftzug malt. Dann hat sie spontan was gezeichnet und wir waren natürlich total aus dem Häuschen. Leider sah das aber total beknackt aus, das konnten wir auf keinen Fall verwenden. Das hat natürlich jetzt bei uns einen Ehrenplatz, gerahmt an der Wand. Wir überlegen, es als eine Art Wanderpokal in der Band herumzureichen.

Ihr seid ja eigentlich viel zu jung für Musik aus den Neunzigern. Haben eure Eltern da eine Rolle gespielt?
Karos Eltern sind ziemlich wilde Leute gewesen und waren viel in Berlin unterwegs. Sie haben häufig Konzerte besucht und immer Platten gehört. Karo ist also mit viel Musik aufgewachsen. Ähnlich war das bei mir, allerdings auf dem Dorf. Meine Eltern haben sehr viel Hardrock gehört und organisieren jetzt sogar kleine Konzerte. Sie haben einen Rockclub gegründet, um sich das Leben schön zu machen, weil sonst musikalisch in der Gegend nicht viel geboten ist. Das hat mich natürlich auch geprägt. Ich habe damals viel IRON MAIDEN mitbekommen und Bands aus den Siebzigern wie LED ZEPPELIN. Damit bin ich aufgewachsen und das hat natürlich auch Einfluss auf die Art, wie ich Songs schreibe.

Was sind die Themen in euren Songs?
Sehr viele Texte von uns sind politisch motiviert. „White swamp“ zum Beispiel ist rund um die „Black Lives Matter“-Demos in Amerika entstanden und richtet sich gegen die Vorherrschaft weißer Männer. „Head on collision“ ist ein Song über Donald Trump. Wir beschäftigen uns aber auch mit dem Thema Sexismus, das ist bei uns sehr präsent. Wir engagieren uns ja auch in diese Richtung. „Death to“ beschäftigt sich damit. Die Stücke haben also viel Zeitgeist aufgesaugt. Alles, was uns missfällt, wird behandelt. Der einzige persönliche Song ist „JT“. Die Abkürzung steht für Joshua Tree. Ich habe vor einigen Jahren einen Roadtrip durch die USA gemacht und hatte ein besonderes Erlebnis in der kalifornischen Wüste, das ich in dem Text beschreibe. Zusammen mit meiner Freundin habe ich mich nachts auf einen großen Stein gesetzt und wir haben mehrere Stunden nicht geredet. Da habe ich ein Gefühl von völliger Einigkeit mit der Welt gespürt.

Zusammen mit den Bands ISOSCOPE, APTERA und RIOT SPEARS habt ihr ja das „Grrrl Noisy“-Kollektiv gegründet. Worum geht es da?
Die Idee dazu kam von unserer Drummerin Mary. Die Probleme, mit denen wir uns da beschäftigen, gibt es schon lange. Wir teilen die mit vielen anderen Ladys, die Musik machen. Wir müssen uns oft dieselben Sprüche anhören oder ähnliche Hürden nehmen. Zum Beispiel hört man oft von Kerlen: Für ein Mädchen spielst du ja ganz gut Gitarre. Oder: Dafür, dass ihr Ladys seid, habt ihr aber einen fetten Sound. Solche Sprüche treffen uns schon. Das hat doch gar nichts mit meinem Geschlecht zu tun. Wenn nur eine Frau in der Band ist, wird sie immer nach vorne gestellt, denn am Ende geht es nur darum, wie die Person aussieht. Da wird viel bewertet, was bei Männern keine Rolle spielt. Das geht uns einfach auf den Geist. Außerdem haben viele Mädels, die auf unseren Konzerten waren, gesagt, dass sie gerne eine Band gründen würden, sich aber nicht trauen. Sie haben keinen Bock darauf, von irgendwelchen Typen schräg angeschaut zu werden. Dagegen wollten wir etwas unternehmen und haben eine Jam-Session nur für Ladys, Transgender und nicht-binäre Personen ins Leben gerufen. Das fand einmal im Monat im Club Toast Hawaii statt. Da sind tatsächlich keine Männer erlaubt, um einen Safe Space zu bieten. So dass die Mädels einfach auf die Bühne gehen können, ohne blöd angeredet zu werden. Durch Corona machen wir inzwischen einen Podcast, der „Grrrl Noisy“ heißt, und wir merken, dass unser Projekt weiter wächst. Wir freuen uns schon darauf, wenn die Jam-Sessions irgendwann wieder starten können. Aber in der Zukunft am Ostkreuz, weil das Toast Hawaii inzwischen verkauft wurde.

Wo und mit wem habt ihr „Stress“ aufgenommen?
Wir haben nicht in Berlin aufgenommen, obwohl wir hier viele Leute kennen. Wir waren bei meinem alten Kumpel René Hofmann im Wasted Life Studio in Darmstadt. Da habe ich lange Zeit studiert. René kenne ich durch die Stoner-Szene, er hat damals in der Band WIGHT gespielt. Nebenbei ist er ein sehr guter Tontechniker und Live-Mischer von Bands wie MY SLEEPING KARMA. Er hat aber auch schon Punkbands aufgenommen und ist musikalisch sehr offen. Wir haben vor drei Jahren schon unsere erste EP bei ihm eigespielt, damals noch auf einer Bandmaschine aus den Siebzigern. Diesmal haben wir uns aber dafür entschieden, die Produktion ein bisschen moderner zu gestalten. Also nicht analog. Und weil ich weiß, dass René das kann, haben wir uns wieder für ihn entschieden.