A DAY TO REMEMBER

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Alles anders

Lange mussten die Fans warten, bis „You’re Welcome“, das siebte Studioalbum der Band aus Florida, das Licht der Welt erblickte. Jetzt ist es endlich soweit und nach und nach gibt es die ersten Songs zu hören. Zeit, sich mit Sänger Jeremy McKinnon über das neue Werk, seine wichtigsten Einflüsse und die Pause vom Tourleben zu unterhalten.

Auf die Sekunde zur vereinbarten Zeit werde ich vom Management der Band angerufen und kurz darauf meldet sich A DAY TO REMEMBER-Sänger Jeremy McKinnon am Apparat, um mir zum neuen Album „You’re Welcome“ Rede und Antwort zu stehen.

Was hat sich bei A DAY TO REMEMBER seit „Bad Vibrations“ in 2016 verändert? „Dieses Album war einmalig. Wir haben es komplett als Band geschrieben. Jeder trug seinen Teil dazu bei. Das haben wir nicht mehr seit unseren Tagen als Garage-Band gemacht. Für die neue Platte haben wir jetzt mit mehr Leuten als sowieso immer gearbeitet und irgendwie war jede erdenkliche Art, wie wir bislang an Songs und Alben herangegangen sind, auch beim Aufnahmeprozess zu ‚You’re Welcome‘ vertreten. Jeder aus der Band hat zu verschiedenen Songs die Grundidee geliefert. Dabei kamen so um die vierzig Titel heraus, die wir in einem wirklich gründlichen Prozess auf die Auswahl, die du jetzt auf dem Album hören kannst, reduziert haben. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Ich denke, das sind wir alle.“

Und wie fühlt es sich an, nach der langen Zeit wieder ein neues A DAY TO REMEMBER-Album zu schreiben und aufzunehmen? „Das ist eine gute Frage, haha. Ich war nie inspirierter als heute und das ist ein großartiges Gefühl. Und ich gehe die Dinge anders an als in den Anfangstagen. Ich meine, ich starte oft einen Aufnahmetag oder einen, an dem ich schreibe, mit dem Gedanken: Heute will ich einen guten Song schreiben oder aufnehmen. Nicht mehr und nicht weniger. Alles andere ist erst einmal zweitrangig. Oft fühlt es sich auch so an, als hätten wir uns aus der Glaskuppel an Erwartungen befreit, die über uns schwebte, und trotzdem haben wir, denke ich, eine Menge Songs geschrieben, die auch älteren Fans lieben werden.“
„You’re Welcome“ deckt eine ordentliche Bandbreite des Schaffens der Band ab. Man findet sowohl die poppigen Experimente als auch die Breakdowns alter Scheiben. Alles existiert auf dem neuen Album friedlich nebeneinander. Wie kann man die DNA der neuen Platte definieren? „Die Einflüsse meinst du? Wow, das sind echt eine ganze Menge. Wie du schon sagst, da sind echt einige unterschiedliche Sachen herauszuhören. ‚Fuck you money‘ zum Beispiel, das ist meine Version eines Tom Petty-Songs. ‚Viva la Mexico‘ hingegen hat einen grungy Vibe und jede Menge Einflüsse aus den Neunzigern oder eben Bands wie VIOLENT SOHO, gerade im Pre-Chorus. ‚Bloodsucker‘ klingt für mich so, als ob eine Heavy-Rock-Band einen Song mit einer EDM-Struktur schreiben würde. Es sind echt eine Menge Elemente auf dem Album und das Wichtigste war für mich, dem Ganzen insgesamt eine modernere Struktur zu verpassen.“
Und was gibt es zum Schreib- und Aufnahmeprozess zu erzählen? „Alles, was wir anders machen konnten, wurde dieses Mal anders gemacht, haha. Wir hatten einen neuen Producer und mit ihm natürlich eine ganz neue Herangehensweise an die Platte. Er arbeitet völlig anders als jeder, mit dem wir zuvor gearbeitet haben und so kam es, dass wir uns ganz intensiv damit beschäftigt haben, einen eigenen, einzigartigen Sound zu finden. Wir haben viel Zeit investiert, um mit Setups, Amps und Sounds generell zu experimentieren. Weißt du Metal-Producer zielen alle auf einen bestimmten Sound und eine präzise Aufnahme ab. Dadurch, dass wir mit einem Genre-fremden Producer arbeiteten lernten wir auch seine eigene Herangehensweise an ein Album kennen. Ihm ging es mehr um das Grundgefühl als um die musikalische Präzision und das hat uns sehr weitergebracht. Ich finde, es klingt dadurch alles interessanter und nicht einfach so, wie man es im Vorfeld erwarten würde. Daraus haben so viele Entscheidungen ergeben, die wir aus Gewohnheit sonst nicht so getroffen hätten, und das ist eine gute Sache und bringt frischen Wind in das Ganze. Das Resultat ist wirklich einzigartig geworden. Für mich ist es immer wichtig, dass ein Album für sich allein steht und einen ganz bestimmten Zeitpunkt bei einer Band perfekt einfängt.“ Mir fällt direkt „Homesick“ als Beispiel dafür ein. „Oh ja, definitiv ‚Homesick‘! Da stimme ich dir zu. Das war eine dieser Platten. ‚Homesick‘ war wirklich ein sehr gutes Zeitdokument, welche Band wir damals waren. Doch die Einflüsse ändern sich, das Mindset ändert sich und man darf auf keinen Fall in einer Phase steckenbleiben. ‚You’re Welcome‘ repräsentiert sehr gut, was für eine Band wir genau jetzt sind.“

Auch nach einigen Verschiebungen wird es für das neue Album wohl keine allzu baldige Release-Tour geben. „Ja das ist wirklich ein ganz schöner Dämpfer, aber Live-Shows werden zurückkommen. Und ich finde, wir klangen live niemals besser. Früher habe ich oft versucht, außerhalb meines Registers zu singen, und dadurch auch nicht mein volles Potenzial ausgeschöpft. Ich habe gelernt, mich innerhalb meiner Range zu bewegen und wirklich hart gearbeitet. Wir alle haben hart gearbeitet, um uns zu verbessern. Wenn du dir Bands wie CIRCA SURVIVE oder CHIODOS zum Vorbild nimmst und dich in deren Tonlagen versuchst, dann bist das einfach nicht du selbst, auch wenn das wirklich großartige Künstler sind. Gerade live ist das oft schwierig und auch wenn ich diese Bands immer noch zu meinen Einflüssen zähle, ist es mir wichtig, jetzt innerhalb meiner natürlichen Stimmlage zu bleiben. Da habe ich auch viel ausprobiert, was wirklich zu mir passt und was nicht, und solche Dinge hört man auch live. Bei den Soundchecks auf unserer letzten Tour ist mir wirklich aufgefallen, dass wir niemals besser klangen. Auch während der Aufnahmen zum neuen Album. Ich kann es also kaum abwarten, wieder auf die Bühne zu kommen.“

Gibt es eine Band, die Jeremy gerne mit auf Tour nehmen würde, sobald das wieder möglich ist? „Da fallen mir vor allem ARCHITECTS ein. Ich liebe ihren Sound und ich denke, das ist eine Band, die ein ähnliches Ziel hat wie wir: Metal-Sound moderner zu machen. Dann wären da noch SPIRITBOX. Hör dir den Song ‚Holy roller‘ an. Großartig. Es wäre echt cool, mit ihnen zu touren. Ein Crossover aus der Fanbase von Machine Gun Kelly und unserer eigenen wäre sicherlich auch interessant. Da gibt es bestimmt einige Überschneidungen. Es gibt wirklich keine bessere Möglichkeit, ein Genre wachsen zu lassen, als den Sound auf einem Festival einer großen Hörerschaft näherzubringen. Oh, ich kann die Festivals gar nicht mehr abwarten! Aber da müssen wir sehen, was passiert. Immerhin werden die Veranstaltungen überhaupt geplant aktuell und das ist das richtige Zeichen und eine gute Sache! Es ist wirklich sehr hart, aktuell nicht spielen zu können.“

Gibt es einen Künstler, mit dem Jeremy gerne mal zusammenarbeiten würde? „Da fallen mir vor allem ein paar Country-Musiker ein. Mein Dad hat viel Country gehört und so bin ich quasi damit aufgewachsen. ‚A Rock‘ von Hardy wäre so was. Die Art, wie er Geschichten erzählt. Er ist wirklich ein großartiger Songwriter. Er ist cool, kreativ und gerade ein sehr großer Einfluss für mich. ‚Sand in my boots‘ von Morgan Wallen ist auch einer dieser Songs. Wirklich wunderschön. Mit ihm würde ich auch gerne arbeiten.“