ALL TIME LOW

Foto© by Ashley Osborn

Moderne Liebe

Die vier Jungs aus Maryland sind mit ihrem neuen Album „Tell Me I’m Alive“ nach sechs Jahren Pause auch endlich wieder auf deutschen Bühnen zu sehen. Wir treffen uns mit Sänger Alex Gaskarth in Köln, um über die lange Phase der Stille, moderne Liebe und gebrochene Herzen zu sprechen.

Es ist schon eine ganze Weile her, dass ihr das letzte Mal in Deutschland wart, das war 2017! Wie fühlt es sich an, zurück zu sein?

Wirklich großartig! Großartig ist natürlich eine Untertreibung, bei allem, was in der Welt passiert. Es waren ziemlich schwierige Zeiten und wir konnten nicht auf Tour gehen und all die Dinge tun, die wir früher getan haben. Wir haben mit „Wake Up, Sunshine“ einen ganzen Albumzyklus verpasst, also gab es eine Menge Aufbauarbeit für uns, um zurückzukommen und Konzerte spielen zu können. Es hat sich wirklich unglaublich angefühlt zurück zu sein, und weißt du, was schön war, ist, dass wir ... Also heute Abend ist es nicht ganz so intim, aber es gab eine Menge intimer Shows, und ich denke, das war besonders cool in dem Sinne, dass wir so lange weg waren und jetzt sind wir in diesen wirklich vollen Räumen mit einer großartigen Energie.

Die letzten zwei Jahre waren ziemlich hart für euch. Ihr seid nicht mal mehr wirklich aktiv auf Twitter. Wie hofft ihr, jetzt mit dem neuen Album weiterzumachen, und was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Ja, es war wirklich schwierig, damit umzugehen, und ich glaube, wir freuen uns einfach darauf, dass neue Musik herauskommt, und ich glaube, das Wichtigste für uns ist, dass das echte Leben für uns zählt, nicht das, was die Leute im Internet sagen. Jeder kann alles sagen und in der heutigen Zeit ist das sehr beängstigend. Wir sind wirklich glücklich, neue Musik herauszubringen, aber auch auf Tour zu gehen, Shows zu spielen und alle diese netten Leute zu haben, die kommen und mit uns singen. Das war schon immer das Wichtigste für uns. Also freuen wir uns einfach darauf, das zu tun und weiterzumachen.

Ihr bringt bald ein neues Album raus, es heißt „Tell Me I’m Alive“, was ein bisschen deprimierend klingt. Kannst du mir den Titel erklären?
Ich weiß nicht, ob es so deprimierend ist, es ist eher wie schon „Wake Up, Sunshine“ eine Art Aufruf zum Handeln, aber diesmal im umgekehrten Sinne. Ich denke, bei all dem, was die Welt mit der Pandemie und dem Lockdown durchgemacht hat und nachdem uns diese Annehmlichkeiten des täglichen Lebens genommen wurden, die Dinge, die Gemeinschaften verbinden, fühlte sich für uns in unserer kleinen Bandblase so an, als ob die Dinge stagnieren und wir irgendwie ein bisschen tot sind, ein bisschen flach. Und so ist diese Idee von „Tell Me I’m Alive“ entstanden. Ich bin immer noch hier, ich bin immer noch bereit, Sachen zu machen, bereit, mich selbst zu zeigen. Ich denke, das ist sozusagen die allgemeine Botschaft der Platte.

Einige Songs auf dem neuen Album haben mich an eure alten Sachen erinnerten, der Titeltrack „Tell me I’m alive“ zum Beispiel endet in so einer Pop-Punk-Explosion, in „Modern love“ taucht der Name „Stacy“ auf, was mich an Stücke wie „Stella“ oder „Holly (Would you turn me on?)“ erinnert hat.
In der allerersten Fassung hieß er tatsächlich „Stella please“.

Warum habt ihr es geändert?
Den Song „Stella“ gibt es ja schon, aber ich mochte den Klang von „St“ im Refrain sehr, also brauchte ich einen anderen Namen und so wurde „Stacy“ der Name des Charakters. Es ist ein anderer Song über eine andere Sache, also hatte ich das Gefühl, dass es funktioniert. Außerdem gibt es einen kleinen „Blinzeln und du verpasst es“-Moment – „What would your mother say?“ bezieht sich auf „Stacy’s mom“. Es ist eine kleine Hommage, denke ich.

Hattet ihr damit das Gefühl, zu euren Wurzeln zurückzukehren?
Ja, ich glaube, das war irgendwie absichtlich so. Die Platte soll eine Reise sein, die sich im Laufe der Zeit entwickelt, und ich denke, es sind viele unserer verschiedenen Sounds in der Platte enthalten. Wir fangen also mit etwas an, das sich groß und theatralisch anfühlt, um die Platte zusammenzufassen, und enden dann mit etwas, das sich stark an Pop-Punk anlehnt, um dann direkt in „Modern love“ überzugehen, das sehr in diese Richtung geht, was sich wie die Anfänge unserer Band anfühlt und daher irgendwie Sinn macht.

Thematisch scheint das neue Album viel von Liebe und Herzschmerz zu handeln – was hat euch beim Schreiben der Songs inspiriert?
Ich glaube, das Album handelt in vielerlei Hinsicht von Verlust und der Bewältigung von Verlust. Es gibt einige Songs, in denen es um Romantik geht, aber ich denke, es geht auch um den Umgang mit Verlusten im Allgemeinen. Ich glaube, nach „Wake Up, Sunshine“ ging es irgendwie in diese Richtung. Wir haben „PMA“ und „Once in a lifetime“ herausgebracht, und damit begann die Geschichte, wie man sich von den größten Verlusten im Leben erholt, und ich denke, dass diese Platte viele dieser Themen aufgreift, wie auch den Versuch, auf den Füßen zu landen, nachdem man so etwas durchgemacht hat. Die Idee war, dies immer ein bisschen unterschiedlich und auf spezifische Art und Weise anzusprechen, aber auch in diesem größeren Sinne, was wir alle gerade global durchgemacht haben.

Bei eurer Single „Modern love“ zum Beispiel geht es ja darum, dass die moderne Liebe zu kompliziert ist, und ihr habt das Musikvideo am Valentinstag veröffentlicht. Kannst du mir erklären, warum du denkst, dass die moderne Liebe zu kompliziert ist?
Nun, das ist nicht unbedingt meine eigene Meinung. Der Song soll eine Karikatur sein. Im Wesentlichen geht es um eine Person, die eine ideale Vorstellung davon hat, was Liebe für sie bedeutet, eine Art Leinwandvorstellung davon, was Liebe ist: Oh, im Film klappt das immer, aber in der realen Welt funktioniert das nicht wirklich. Es geht um eine Person, die mit dieser Erkenntnis ringt und versucht, diese „Stacy“ davon zu überzeugen, dass sie füreinander bestimmt sind, obwohl „Stacy“ im Grunde gar nicht für dieses Leben gemacht ist. Es geht um Verzweiflung. Es ist eine verzweifelte, hoffnungslose, törichte Romantik.

Hast du irgendwelche Tipps für alle Menschen mit einem gebrochenem Herzen da draußen?
Sei einfach du selbst. Verlass dich nicht auf jemand anderen, um dein Herz zu bestätigen, bestätige es selbst.

Ihr seid gerade in Europa auf Tour, aber euer neues Album ist noch nicht erschienen – wird Europa also noch eine Albumtour bekommen?
Ja, auf jeden Fall.