CALLEJON

Foto© by Chris Dohle

Bestandsaufnahme

Denkt man an deutschsprachigen Metal, kommt man nicht an CALLEJON vorbei. Der umtriebige Fünfer aus Düsseldorf ist kaum mehr aus der hiesigen Szene wegzudenken und eine der Speerspitzen des Genres. Dieser Tage steht mit „Eternia“ Album Nummer zehn in den Startlöchern und CALLEJON können auf zwanzig Jahre Bandgeschichte zurückblicken. Wir haben uns den sympathischen Sänger und Kreativkopf Bastian Sobtzick geschnappt, um das neue Album zu beleuchten und die letzten zwanzig Jahre Revue passieren zu lassen. Raus aus dem Beerdigungscafé, quer durchs Zombieactionhauptquartier, auf einen Abstecher nach Metropolis und schließlich hoch auf den Planeten Eternia. Einsteigen bitte: Einmal Zeitreise!

Zwanzig Jahre CALLEJON. Wie verrückt ist das bitte? Wie hat das eigentlich alles angefangen?

Ich glaube, bei uns lief es ganz klassisch. Wir sind ja eine Generation, die mit dem Musikfernsehen groß geworden ist und den großen Rockstars dieser Zeit. Irgendwann war da diese Wunschvorstellung: Ich will eine Band haben, ich will einmal auf der Bühne stehen. Das war so der erste Antrieb. Ich habe immer unendlich viel Musik gehört, aber ich war eigentlich nicht wirklich musikalisch. Ich habe zwar angefangen, Gitarre zu spielen, aber diese trockene Herangehensweise, wie man so ein Instrument damals lernen sollte, hat mich erst total abgeschreckt. Das war mir aber letztlich egal, da ich mir vorgenommen hatte, trotzdem Musiker zu werden. Wir haben schließlich mehr oder weniger als Schulband gestartet. Bernhard und ich waren uns damals, als die beiden einzigen Metalheads im Freundeskreis, sofort einig, wohin die Reise gehen sollte.

Die Vision und der Wille waren offenbar da. Eure ersten Schritte habt ihr also auch in den Kellern und Jugendzentren gemacht?
Zu allererst war die Vision viel größer als das eigene Können, wie so oft ... Damals war es ja auch noch so, dass du, um irgendwo live spielen zu können, irgendwelche Aufnahmen haben musstest. Also war klar, wir brauchen dringend ein Demo. Damals ging quasi nichts ohne, also haben wir etwas zusammengeschustert und mit den Songs im Gepäck angefangen, Shows zu spielen. Zu der Zeit gab es aber auch noch super viele Veranstalter, die in Jugendzentren oder kleinen Clubs Konzerte veranstaltet haben. Für die Art Musik, die wir vor zwanzig Jahren gemacht haben, gab es zwar noch keine große Szene und wir haben auch nicht so richtig in eine Schublade gepasst, aber spielen wollten wir trotzdem unbedingt.

Mit „Chronos“ und „Willkommen im Beerdigungscafé“ erschien aber schnell die erste EP beziehungsweise die erste LP. Von da an ging es quasi Schlag auf Schlag.
Wenn man überlegt, wie viel damals Aufnahmen gekostet haben, muss man wirklich mit dem Kopf schütteln. Heute kannst du so vieles im Homestudio machen, aber das war zu der Zeit ja noch absolut undenkbar. Da musstest du so ein Album in einer Woche reinknüppeln. Dafür hast du einen Pauschalbetrag gezahlt für die Aufnahmen, den Mix und das Master. Die Vocals hast du mal eben an einem Tag aufgenommen. Da war es vorprogrammiert, dass die Stimme nach zwei Songs im Eimer war. Dafür ist das alles echt noch ganz okay geworden.

Ihr habt euch aber bald einen Namen gemacht und auch aus der damaligen Szene herausemanzipiert. Half da der Stilmix?
Definitiv. Wir waren eine der wenigen Bands, die diesen Mix aus Hardcore und Metal mit deutschen Texten gemacht haben. Auch durch unsere bunten Cover, die es damals in der Szene gar nicht gab, haben wir uns damals von vielen anderen abgehoben. Wir haben CALLEJON aber schon immer als Gesamtkunstwerk betrachtet und mir war es sehr wichtig, das Ganze auch entsprechend zu visualisieren. Zu der Zeit haben wir damit begonnen, uns ernsthaft mit Labels auseinanderzusetzen, und dabei auch unsere eigenen Ziele korrigiert. „Zombieactionhauptquartier“ kam schließlich über Nuclear Blast raus und das war ein absoluter Meilenstein für uns. Plötzlich hatten wir ein Produktionsbudget und ganz andere Möglichkeiten.

Im Zuge dessen wurden auch die Shows immer größer und euer Sound hat sich stark verändert. Trotz allem habt ihr euch eine wundervolle Punkrock-Attitüde erhalten. Wie schafft man es, nicht die Bodenhaftung zu verlieren?
Das war wirklich eine verrückte Zeit. Zum ersten Mal in Wacken zu spielen oder im Nightliner zu touren, das sind schon absolute Highlights für eine junge Band. Man kann dabei nur auf dem Boden bleiben, wenn man dankbar ist und sich stets selbst hinterfragt. Wir sind aber auch Charaktere, die nicht zum Abheben neigen. Wir wissen, woher wir kommen und wie schwer aller Anfang ist. Da muss man einfach froh und glücklich sein, so lange man Erfolg hat. Das Musikgeschäft ist so unbeständig, morgen kann alles schon wieder vorbei sein.

Es folgten „Videodrom“ und „Blitzkreuz“. Seitdem seid ihr noch viel präsenter und es ging schnell steil bergauf. Was ist damals genau passiert?
Dank „Blitzkreuz“ konnten wir unser Hobby zum Beruf machen. Ich glaube, das unterscheidet das Album so stark von allem was wir davor gemacht hatten. Alles war nochmals professioneller und wir haben uns voll und ganz auf die Musik und die Umsetzung konzentrieren können. Wir sind quasi All-In gegangen und hatten mit „Blitzkreuz“ unseren ersten richtigen Charterfolg. Das war zu der Zeit absolut selten in unserem Umfeld, bis dahin hatten das nur HEAVEN SHALL BURN geschafft. Das war schon ein Meilenstein für uns und deswegen ist „Blitzkreuz“ für uns auch ein so wichtiges und richtungsweisendes Album.

An Meilensteinen und Erfolgen mangelt es in eurer Bandgeschichte nicht. „Man spricht deutsch“, „Wir sind Angst“, „Fandigo“ und „Hartgeld im Club“ haben eure nächsten Jahre geprägt. Wir könnten hier sicherlich noch gute zehn Seiten füllen. Dennoch springen wir ins Jahr 2020. Mit „Metropolis“ erschien da euer Corona-Album. Wie habt ihr die Pandemie erlebt?
In der Nachbetrachtung hat „Metropolis“ trotz aller positiver Rezensionen leider nie die Wertschätzung erfahren, die dieses Album verdient hätte. Das hat aber durchweg damit zu tun, dass wir es nicht live spielen konnten. Das haben wir aber ja mittlerweile nachgeholt. Trotzdem schade, gerade weil uns das Gesamtbild ja so immens wichtig ist, und da gehören natürlich die Live-Shows mit dazu. Für Kulturschaffende war das eine absolut harte Zeit und wir sind froh, dass wir hoffentlich den schlimmsten Teil der Pandemie hinter uns haben. Wir werden zwar noch eine ganze Weile mit den Folgen zu kämpfen haben, hoffen aber sehr, dass der Live-Betrieb nicht erneut eingestellt werden muss.

Mit „Eternia“ erscheint in Kürze euer zehntes Album, was können wir erwarten?
„Eternia“ ist die logische Konsequenz aus zwei Jahrzehnten CALLEJON. Eine Schlussfolgerung könnte man sagen. Das Ziel war es, unsere Stärken auszuspielen und uns ein Stückweit neu zu erfinden. Ich glaube, das haben wir diesmal sehr gut hinbekommen. Wir haben die härtesten Songs der Bandgeschichte auf „Eternia“ und trotzdem auch die melodischsten Refrains untergebracht. Nach zwanzig Jahren und zehn Alben war es uns extrem wichtig, uns nicht auszuruhen. Man sagt das zwar bei jedem Release, aber „Eternia“ ist das rundeste Album, das wir bislang gemacht haben. Alles greift ineinander und erzählt eine allumfassende große Geschichte, die ein wunderbares Bild der letzten zwanzig Jahre zeichnet. Wir freuen uns sehr, die Songs diesmal auch live präsentieren zu können.