CAN’T SWIM

Foto© by Karo Schäfer

Das Böse in uns

Ich erinnere mich noch gut an ein Wochenende vor etwa zwei Jahren, als mir eine Freundin schrieb und fragte, ob ich spontan eine Band für ein paar Nächte beherbergen könne. Ich hatte keine Zeit reinzuhören, willigte aber trotzdem einfach mal ein. Nachts um halb fünf standen dann vier Jungs aus New Jersey vor meiner Tür und klingelten mich aus dem Schlaf. CAN’T SWIM hieß die Band, die gerade ihre erste EP veröffentlicht hatte und im Opel Corsa ihre ersten Europa-Shows mit BOSTON MANOR bestritt. Seit dieser Nacht hat sich allerdings einiges bei den vieren getan. Mit „Fail You Again“ kam 2017 der erste Longplayer der Gruppe heraus und landete in diversen Jahresbestenlisten der Musikpresse. Auch ich habe inzwischen ihren Emo-Punk/Alternative-Rock-Sound zu schätzen gelernt. Nun steht mit „This Too Won’t Pass“ das zweite Album der Band in den Startlöchern.

Ihr habt in den vergangenen Jahren unfassbar viel gespielt und nächsten Monat steht eine weitere große US-Tour an, unter anderem mit TROPHY EYES. Wie oft schlaft ihr noch auf dem Fußboden fremder Leute?

Haha. Nicht mehr so oft, wie wir es früher getan haben. Aber der Fußboden dient uns trotzdem gelegentlich noch als Schlafplatz!

Ihr seid mittlerweile wahrscheinlich in einem etwas größeren Auto unterwegs als noch 2016. Was hat sich sonst in den letzten zwei Jahren bei euch verändert?
Oh Mann, wahnsinnig viel. Wir waren damals noch in der Findungsphase, was viele Dinge angeht. Mittlerweile haben wir uns, denke ich, ernsthaft auf dieses Projekt fokussiert und versuchen, die Band daraus machen, die wir alle wirklich sein wollen. Die Live-Show, die Musikvideos, die Songs an sich, alles ist viel kalkulierter und durchdachter geworden. Damals waren wir noch damit beschäftigt, das Ganze nicht komplett gegen die Wand zu fahren.

Ich erinnere mich noch daran, wie euer Gitarrist Danny, der damals noch Schlagzeug gespielt hat, mir erzählte, dass er eure erste EP sowie das Album komplett in Eigenregie produziert hat. Ist das bei „This Too Won’t Pass“ auch der Fall?
Ja! Das ist inzwischen ein elementarer Teil des Sounds unserer Band. Musikalisch habe meistens ich die erste Idee. Aber es klingt einfach nicht wirklich wie CAN’T SWIM, wenn Danny nicht irgendwie auch seine Finger mit im Spiel hat. Außerdem hat ein Producer einen großen Einfluss auf den gesamten Aufnahmeprozess. Ich glaube fest daran, dass niemand sich jemals so um eine Band und ihre Songs kümmern wird, wie sie es selber tut. Alles bandintern zu halten, gibt mir also wirklich das Gefühl, bei jedem Schritt einhundert Prozent zu geben.

Ihr habt drei Releases in drei Jahren herausgebracht. Schreibt ihr konstant neue Songs oder habt ihr zwischendurch mal eure Herangehensweise geändert?
Ich schreibe immer Songs. Seit dem Moment, in dem die Idee zu CAN’T SWIM aufkam, habe ich nicht damit aufgehört. Es ist für mich etwas, das mir immer noch wirklich Spaß macht, was ich aber auch als meine Pflicht und meinen Job betrachte. Mir neue Song­ideen einfallen zu lassen, ist nie ein Problem. Allerdings waren wir deutlich vorsichtiger bei der Entscheidung, welche Songs am meisten nach der Band klingen und es auf das Album schaffen. Manchmal fällt es viel schwerer, Songs zu verwerfen welche als zu schreiben.

Das Artwork des neuen Albums bricht stilistisch mit dem der ersten zwei Veröffentlichungen, auf denen beide Male ein Porträt derselben Frau zu sehen war. Wieso habt ihr jetzt ein anderes Konzept gewählt?
Inhaltlich habe ich mich deutlich mehr mit anderen Themen auseinandergesetzt. Die vorherigen Releases bezogen sich sehr auf die Frau auf dem Cover und es fühlte sich einfach nicht mehr richtig an, sie erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, wenn es nun mal einfach nicht mehr passt. Ich beschäftige mich auf dieser Platte viel mit dem Konzept des „Bösen“ und den negativen Dingen in der Welt, die mich umgibt. Die Oni-Maske als Symbol dafür machte dieses Mal deutlich mehr Sinn für das Cover.

Was genau bedeutet das für dich, dieses Böse?
Für mich ist es der generelle Ton beziehungsweise die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, die ich in letzter Zeit mehr und mehr wahrgenommen habe. Mir scheint, je älter ich werde, desto mehr belasten mich die Dinge, die ich getan habe, als ich jünger war. Egal auf welcher Seite du dich wähnst, auch du hast in deinem Leben in irgendeiner Form Böses getan. Sei es etwas, was du an dir selbst nicht leiden kannst oder wie du eine bestimmte Person behandelt hast. Die Menschen sind immer sehr schnell damit, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ich glaube, dass das eines der elementarsten Dinge ist, die wir alle gemeinsam haben.

Ich habe ein Statement von dir gelesen, in dem du sagst, dass deine Band eine Erinnerung an ebendieses Böse, das uns umgibt, aber auch Teil von uns ist, sein soll. Wieso denkst du, dass es wichtig ist, sich dieser Tatsache fortwährend bewusst zu sein?
Zuzugeben, dass du ein Problem hast, ist der härteste Part. Durch das Leben gehen und andere für ihre abweichende Meinung oder ihren andersartigen Lebensstil zu verurteilen, wird dir niemals Frieden bringen. Es ist ein schwarzes Loch, dessen Boden du niemals sehen wirst. Ich habe festgestellt, dass die Menschen, die die größten Probleme mit anderen haben, diejenigen sind, die mit sich selbst am wenigsten im Reinen sind. Niemand ist perfekt und je schneller du deine schlechten Eigenschaften erkennst, desto eher wirst du auch imstande sein, etwas daran zu ändern.

Ist „This Too Won’t Pass“ ein Konzeptalbum?
Nein, das würde ich nicht sagen. Obwohl viele Tracks thematisch recht ähnliche Fragen behandeln, habe ich es nie als ein Konzeptalbum betrachtet. Jeder einzelne Song ist individuell und losgelöst vom Rest entstanden.

Falls ich jemals in den USA bin, würde es dir was ausmachen, wenn ich drei Freunde mitbringe und mitten in der Nacht für ein Wochenende bei dir einziehe?
Wir haben ein paar astreine Fußböden in New Jersey. Du bist herzlich willkommen.

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Oni-Masken
Oni sind dämonenartige Wesen aus der japanischen Mythologie, deren Gestalt oft menschenähnlich und feuerrot ist. Außerdem tragen sie meist Hörner, raubtierartige Zähne und Krallen. Diese Ikonografie geht auf buddhistische Dämonengestalten zurück. Galten sie in den frühsten Legenden noch als gutmütige Wesen, die bösartige Geister abwehren konnten, übertrug sich diese Verbindung mit dem Bösen im Laufe der Zeit auf sie selbst. So wurden sie zum Symbol für Zerstörung, Unheil und Sadismus. Die Parallele zum christlichen Teufel ist nicht von der Hand zu weisen.