MASTODON

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So lange wie möglich

Bill Kelliher ist ein glücklicher Mensch. Glücklich, weil er nach zwei Jahrzehnten noch immer ein Teil von MASTODON ist, wie er im Interview erzählt. „Wir sind nach wie vor dieselben vier Typen, die damals angefangen haben, Musik zu machen. Die meisten Bands kommen gar nicht auf zwanzig Jahre Bandgeschichte.“ Neben dieser Wertschätzung spricht er über „Medium Rarities“, technisch-versierte Musik, die Sehnsucht nach Konzerten und warum MASTODON noch lange nicht genug haben.

Nach der Veröffentlichung von „Emperor Of Sand“ haben MASTODON knapp drei Jahre getourt und 2019 die Standalone-Single „Fallen torches“ aufgenommen. Eigentlich plante das Quartett vor der Pandemie eine kreative Pause, um ein neues Album aufzunehmen und die Zeit mit dieser Single zu überbrücken. Doch mit dem Lockdown wurden die Pläne für ein neues Album ausgebremst. Stattdessen entstand die Idee, eine Platte mit Raritäten zu veröffentlichen, um die Fans bei Laune zu halten.

Neben „Fallen torches“ enthält sie hauptsächlich Live- und Instrumentalversionen bekannter MASTODON-Tracks, die nach zwei Kriterien ausgewählt wurden. „Wir haben geschaut, welche Songs live am besten klingen und welche auch instrumental spannend genug sind. ‚Jaguar god‘ ist beispielsweise ein Track, der so viele Variationen und technische Riffs bietet, dass er spannend bleibt, auch wenn der Gesang fehlt“, erklärt Bill. „Es gab eine ganze Reihe Stücke, aus denen wir wählen konnten.“ Am Ende ist „Medium Rarities“ eine 16 Tracks umfassende Veröffentlichung, die ein abwechslungsreiches Potpourri der Bandgeschichte darstellt.

Zur richtigen Zeit
In diesen zwanzig Jahren Bandgeschichte ist viel passiert. Doch noch immer sind MASTODON in derselben Besetzung unterwegs wie im Jahr 2020. Einzig Sänger Eric Saner, der die Band bereits nach wenigen Monaten verließ und nur auf einem Demo zu hören war, ist als ehemaliges Mitglied gelistet.

„Wir haben zur richtigen Zeit angefangen mit dem, was wir machen, haben hart dafür gearbeitet, viele Platten veröffentlicht und verdammt ausgiebig getourt. Unser Einsatz hat sich am Ende gelohnt“, reflektiert Bill. Er hätte nichts anders gemacht und hat auch kein Bedürfnis, etwas zu verändern. Auch wenn ihm bewusst ist, dass man manche Sachen hätte optimieren können. „Auf den alten Platten gibt es ein paar kleinere Fehler, manches hätte man sicher besser spielen können. Aber das zu ändern wäre auch nicht gut. Vielleicht würde es dann für mich persönlich besser klingen, aber die Fans kennen ja nur das Original.“

Technischer Anspruch
Beim Gedanken daran, dass MASTODON schon seit zwanzig Jahren aktiv sind, fühlt Bill sich alt. Dass er irgendwann zu alt sein könnte, um die technisch anspruchsvollen Songs von MASTODON zu spielen, befürchtet er aber nicht. „Ich glaube, dass wir das immer spielen können. Nur Brann, obwohl er der Jüngste ist, fragt sich bisweilen schon, wie er manche Fills gespielt hat, haha.“ Dennoch verbringt Bill seine Zeit damit, in Form zu bleiben, wie er witzelt. „Ich habe keine Lust, mit über sechzig auf der Bühne zu stehen und mit zu enger Hose und einem Bierbauch unsere Songs zu spielen.“

Ein Aspekt hat sich im musikalischen Geschehen von MASTODON nicht geändert, nämlich dass es ihnen nie darum ging, einen auf dicke Hose zu machen. „Ich denke, dass wir immer nur das geschrieben haben, was wir selbst in unseren Herzen fühlen konnten. Zumindest mache ich das, wenn ich etwas schreibe. Ich versuche nicht, etwas super Technisches zu schreiben, nur um cool zu sein. Das habe ich vorher in anderen Bands gemacht und so was brauche ich mittlerweile nicht mehr.“ Stattdessen geht es Bill darum gute Songs zu schreiben, mit denen die wachsende MASTODON-Fangemeinde etwas verbinden kann.

Ein Ziel für die Zukunft
Diese Verbundenheit kann aktuell nicht auf Konzerten entstehen, wie Bill anführt: „Ich würde liebend gerne wieder Shows spielen und ich vermisse die ganze Atmosphäre auf einer Tour. Das Leben im Bus, jeden Morgen in einer Stadt aufzuwachen und insbesondere die Festivals fehlen mir. Festivals in Deutschland sind immer wie eine große Outdoor-Party. Es gibt gutes Catering, jeder Zweite ist betrunken und hat die beste Zeit des Jahres. Dazu spielen befreundete Bands, die du lange nicht mehr gesehen hast, das ist einfach großartig!“

Doch auch nach zwanzig Jahren, etlichen Touren und einem Grammy haben MASTODON noch längst nicht alles erreicht. „Ein Hauptziel ist es, dass wir so lange weitermachen, wie wir können. Wir werden nicht aufgeben, bis es endgültig Zeit für uns ist aufzuhören. Natürlich ist es cool, respektiert zu werden und einen Grammy zu gewinnen, aber es ändert nicht viel.“ Zudem gibt es noch etliche Länder, in denen MASTODON noch nie live gespielt haben. Bill möchte unbedingt mal nach China, Korea, Neuseeland und auf die pazifischen Inseln, um seinen Fans auch dort die Möglichkeit zu geben, ein MASTODON-Konzert zu sehen.

Diese Aussage zeigt aber auch, dass MASTODON das Ende ihrer Karriere noch lange nicht erreicht haben, was Bill bestätigt: „Ich glaube nicht, dass wir es jemals sein lassen können. Schau dir die ROLLING STONES an, die sind über achtzig und rocken immer noch.“

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Foodporn
MASTODON lieben es zu essen, wie Bill Kelliher durchblitzen lässt. Kaum ein Musiker hat in einem Fuze-Interview wohl öfter betont, wie wichtig gutes Essen auf Tour ist und in welchen Ländern was auf den Teller kommt. Wenn es um ihre Vorlieben geht, steht insbesondere Curry bei den vier Musikern ganz hoch im Kurs. Ihr Talent, selbst etwas zu kochen, haben MASTODON erst vor kurzem auf ihren Social-Media-Kanälen unter Beweis gestellt. Insbesondere Bills „Rock Chips“-Rezept können wir euch ans Herz respektive den Magen legen, denn Bill arbeitete vor seiner Karriere als Gitarrist sogar mal als Koch in einem Restaurant. Vor ein paar Jahren überlegte er bereits, ein Kochbuch mit gesunden und schnellen Rezepten für den Tourbus zu schreiben. Vielleicht wird die Pandemie ihm die Zeit geben, diesen Plan in die Tat umzusetzen ...