PALISADES

Foto© by Lauren Schorr

The pain is here to tell me that I'm still alive

„Jeder hat sein Päckchen zu tragen“ ist eine super abgedroschene Floskel. Doch auch wenn keiner gern darüber spricht, sind wir alle – der eine mehr, die andere weniger – davon betroffen. Egal wie nichtig es für Außenstehende scheinen mag, letztlich ist ein Problem ein Problem. Das eine nervt nur kurz, andere erzeugen einen langfristigen Leidensdruck. Trennungskinder wünschen sich einen stärkeren familiären Zusammenhalt, andere denken mit Furcht daran, eines Tages ihre autistischen Geschwister pflegen zu müssen. Während einige am Überfluss ihrer Eltern verzweifeln, trifft andere deren Perspektivlosigkeit und Beschränktheit. Manche werden ihrem Freundeskreis nicht gerecht, während sich andere auch nur den kleinsten Hauch Zuwendung wünschen, um nicht regelmäßig zwischen Super Nintendo und Netflix zu versacken. Lange Rede, kurzer Sinn: Schmerz nervt. Schmerz gehört ausgelöscht. Davon können PALISADES nicht nur ein Lied, sondern mittlerweile auch ein ganzes Album singen. „Erase The Pain“ ist das vierte Album der Band aus New Jersey. Sänger Lou Miceli erklärt uns, was es mit Name, Cover und Inhalt der Neuerscheinung auf sich hat.

Der Titel „Erase The Pain“ wirkt auf Anhieb nicht allzu heiter. Wie viel reinigende Wirkung hatte das Schreiben, Aufnehmen und Produzieren des Albums auf euch?

Der ganze Prozess war absolut kathartisch. Uns lag viel auf der Seele zu Beginn des Schreibens und Aufnehmens. Wir haben alles in das Album reingesteckt. Ich habe das Gefühl, dass wir inhaltlich auf dieser Reise etwas wütender und aufgebrachter waren. Die Musik reflektiert das definitiv in all ihren Riffs und Worten.

Was denkst du, welche Art von Schmerz muss heutzutage ausgelöscht werden?
Jeder Schmerz. Alle gehen in ihren Leben durch ihren persönlichen Schmerz, egal wie groß oder klein. Wir dürfen diesen Schmerz nicht gewinnen lassen. Wir können daran nur wachsen.

Das Erste, das mir bei „Erase The Pain“ ins Auge stach, war das Coverartwork. Wie kamt ihr auf das Motiv?
Wir haben sehr viel Zeit damit verbracht, ein Moodboard mit allen Gefühlen zu füllen, die uns bewegten. Als wir nach einer Inspiration suchten, zog uns das Symbol des Uroboros an, die Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Wir schoben viel hin und her, bis wir komplett zufrieden mit dem finalen Motiv waren, das das Album repräsentieren sollte.

Was soll die Schlange bedeuten? So etwas wie „Facing what consumes you is the only way to be free“, um einmal HATBREED zu zitieren?
Wir, damit meine ich uns alle, sind die Schlange. Um zu wachsen, muss die Schlange ihre Haut abstreifen, um mit diesem Prozess der Wiedergeburt zu beginnen. Eine Schlange muss ihren Körper konstant durch harte, zerklüftete Oberflächen zwängen, um endlich ihre Haut ablegen zu können und in die nächste Phase ihres Lebens zu starten. Ganz gleich wie viel Schmerz du durchstehen musstest, du kannst immer ein neues Leben beginnen.

Inwieweit sind Titel und Artwork miteinander verknüpft und verflochten?
Der Uroboros symbolisiert die Unendlichkeit. Im Leben musst du das Gute sowie das Schlechte annehmen. Es wird Dinge geben, die dich brechen und dir das Gefühl geben, es gibt keinen Ausweg. Aber egal wie schwer es wird, du musst dich durchbeißen. Genau wie die Schlange, die ihre Haut abwirft, kannst du wachsen und dein Leben weiterleben.

Bei eurer Musik habe ich mich bis zu einem gewissen Grad an BRING ME THE HORIZON erinnert gefühlt, sie veränderten sich im Verlauf ihrer Alben auch von einem rohen und harten hin zu einem etwas poppigeren Sound. Als ich eure Diskografie das erste Mal durchhörte, vermittelte mir das einen ähnlichen Eindruck. Dabei denke ich an Lieder wie „Personal“ oder „Runaway“. BMTH erweiterten ihr Spektrum, indem sie einen festen Keyboarder in die Band aufnahmen. Gab es bei euch einen speziellen Moment, in dem euch klar wurde, dass ihr die Härte reduzieren wollt?
Wir spüren, dass wir mit jedem Album als Band sowie als Menschen vorankommen. Dinge, die uns wichtig waren, werden zweitrangig und neue Emotionen erwachen. Wir werden erwachsener und wie bei allen Menschen verändern sich unsere Geschmäcker. Unser selbstbetiteltes Album war ein frischer Startpunkt für unsere Band. Wir haben damit wirklich die Richtung der Band gefunden und uns von dieser Initialzündung aus weiterentwickelt. „Erase The Pain“ erscheint uns eigentlich eher aggressiver als der Vorgänger. Beim Zusammenstellen von neuem Material ist unser Hauptziel, dass wir uns damit selbst ausdrücken und durch die Songs eine Verbindung zu unseren Fans herstellen. Wir wollen einfach gute Musik machen, bei der man etwas fühlt, völlig unabhängig vom Stil.

Zum Abschluss noch eine private Anekdote: Als ich euch vor ein paar Jahren entdeckte, stieß ich zur gleichen Zeit auch auf „Death Of A Bachelor“ von PANIC! AT THE DISCO, das sofort eines meiner allerliebsten Pop-Alben wurde. An welchen Platten außerhalb des Post-Hardcore erfreut ihr euch, welche haben vielleicht gar „Erase The Pain“ oder PALISADES generell beeinflusst?
„Death Of A Bachelor “ ist eins der Lieblingsalben unseres Bassisten Brandon. Das hatte also definitiv einen Effekt. Ich persönlich bin inspiriert von Drake sowie THE NEIGHBOURHOOD. Wir alle in der Band hören eine Menge ganz unterschiedlicher Sachen. Wir haben uns niemals an irgendein Genre gekettet. Wir mögen einfach gute Musik.