SBÄM

Foto

Natürlich muss es Punkrock sein

Nein, das ist kein Spam, es ist SBÄM! SBÄM, das ist Stefan aus Linz in Österreich. Grafiker. Konzertveranstalter. Festivalmacher. Labelbetreiber. Einer, den man eher über seine Arbeit wahrnimmt, über seine Poster- und Coverartworks, als über seine Person. Ich wollte wissen, was derzeit so geht und ansteht und wie seine Prognosen sind, sein 2020 coronabedingt abgesagtes Festival 2021 nachholen zu können.

Stefan, für das April-Heft 2020 sprachen wir über dein SBÄM Festival, das im Sommer stattfinden sollte, größer und mit einem feineren Line-up als je zuvor. Dann kam alles ganz anders ... Wie hast du die Zeit im Frühjahr erlebt, das Bangen und Hoffen und letztlich die Enttäuschung, dass es nichts wird?

Das war eine schreckliche Zeit ... natürlich hofft man bis zum Schluss, dass das doch noch alles klappt, aber Anfang April war schon ziemlich klar, dass das SBÄM Fest verschoben werden muss. Wenn ich daran zurückdenke, schmerzt das noch immer ziemlich. Ich habe auch erst vor kurzem das Poster vom vierten SBÄM Fest im Büro abgenommen – und das auch nur, weil wir gerade in ein neues Räume übersiedeln. Für mich war es das bis dato beste Line-up. An einem Tag Acts wie ME FIRST & THE GIMME GIMMES, VANDALS, SUICIDE MACHINES, STRUNG OUT, FLATLINERS, FACE TO FACE ... Frank Turner live erleben zu können – und das in einer intimen und persönlichen Atmosphäre – ist wohl eher selten. Aber nach kurzfristiger Frustration ging die Arbeit weiter für den Nachholtermin im Herbst 2020. Und es sah ja für kurze Zeit ganz gut aus, dass es klappen könnte. Das Booking für Oktober gestaltete sich aber schon ziemlich schwierig. Keine geplanten Touren, der Großteil des Line-ups bestand also aus One-offs beziehungsweise Fly-ins wie etwa für PULLEY, STRUNG OUT, FRENZAL RHOMB, SNUFF und es waren ja noch MILLENCOLIN und Frank Turner geplant. Dann kam die nächste Absage. Unzählige Stunden Arbeit waren umsonst und dann kommt auch noch die ganze Sache mit den Ticketrückgaben dazu – vom finanziellen Schaden mal ganz abgesehen. Aber wir machen natürlich trotzdem weiter und das SBÄM Fest „Stoked For The Summer“ wird 2021, sofern es stattfinden darf, die größte und beste Ausgabe ever werden. Fingers crossed!

Wie geht man damit um, auch finanziell? Und hast du noch eine geheime „bürgerliche“ Existenz oder ist SBÄM das, was die Miete zahlt?
Der Schaden ist natürlich enorm. Das Festival hat bis zuletzt 70% der Einnahmen ausgemacht. Und jeder kann sich wohl vorstellen, was das bedeutet, wenn diese Einnahmequelle einfach wegbricht. Und um deine Frage zu beantworten: Nein, es gibt keine bürgerliche Existenz mehr. SBÄM muss die Miete zahlen. Ich habe zwar bis vor eineinhalb Jahren noch als Art- beziehungsweise Creative Director gearbeitet, habe mich aber dann endlich entschieden, SBÄM hauptberuflich zu machen. Ich liebe es einfach, mit Bands zusammenzuarbeiten, Festivals zu veranstalten, Artworks zu machen, usw. Es war also nur eine Frage der Zeit ...

Warum sollte sich jemand aus dem Westen Deutschlands 800 Kilometer Autofahrt bis in die österreichische Provinz nach Wels bei Linz antun, „nur“ um ein paar Punkbands live zu sehen?
Da gibt es viele Gründe. Zum einen die familiäre Atmosphäre. Bei uns gibt es fast keine Band, die sich backstage versteckt, sondern alle mischen sich ins Publikum oder hängen am Merchstand ab. Dann kommt noch dazu, dass es von der Kapazität her und im Vergleich zum Groezrock oder PRH ein eher kleineres Festival ist respektive war, aber bis auf große Acts wie OFFSPRING oder FLOGGING MOLLY oft ein ähnliches Line-up hat. Ich versuche einfach, große Acts in einer intimeren Atmosphäre unterzubringen. Das kommt wahrscheinlich daher, dass ich Club-Shows über alles abfeiere. Das SBÄM Fest ist sozusagen ein Club-Show-Festival. Was auch noch dazukommt, ist die Tatsache, dass das ganze Team einfach wie eine Familie ist und jeder die Musik und die Szene liebt und lebt. Mir ist es einfach wichtig, dass alles sehr persönlich abläuft.

Wie groß oder klein ist SBÄM? Grafik, Label, Festival ... eine One-Man-Show oder sind Helfer:innen um dich herum?
Ohne Helfer:innen würde es SBÄM auf keinen Fall geben. Aber abseits des Festivals war das schon die meiste Zeit eine One-Man-Show. Ich habe ja SBÄM damals, 2015, rein als Grafikbude gegründet. Da gab es noch keinen Gedanken an Festival oder Label. 2017 kamen dann das Festival und die Club-Shows und 2018 noch das Label dazu. Mittlerweile ist das alles ziemlich gewachsen und ich habe sozusagen mein Hobby zum Beruf gemacht. Die Pandemie hat aber bewirkt, dass wir uns neu aufstellen und somit den Fokus viel mehr auf Shop und Label legen mussten. Also war nicht alles an der Pandemie schlecht. SBÄM Records ist seit Mitte letzten Jahres enorm gewachsen. Wir haben mittlerweile Leute in Deutschland, Großbritannien und den USA, die für SBÄM arbeiten. Und wir profitieren auch stark von den ganzen Connections, die mit der Zeit zustande gekommen sind. Tom beispielsweise ist seit einiger Zeit ein nicht mehr wegzudenkender Teil von SBÄM. Dass er mit Packaged Sounds auch noch ein eigenes Plattenpresswerk besitzt, ist natürlich ziemlich geil. Oder auch Mike, der sich seit einigen Monaten um die ganze Distribution weltweit kümmert, und Nick um die Promo, Kristin, Dominik um Social Media, und und und. Priorität Nummer eins ist also das Label. Und wir haben damit verdammt viel vor.

Da du dich statt aufs Festival 2020 offenbar mehr auf die Labelarbeit konzentrierst, wie viele Releases waren es letztlich? Und was waren deine Favoriten der letzten Monate?
Ja, wie erwähnt liegt der Fokus total auf SBÄM Records. Ich liebe es, neue Bands zu signen und Alben zu veröffentlichen. Das Team muss mich da immer etwas bremsen. Am liebsten würde ich jeden Tag eine neue Band rausbringen. Es gibt einfach zu viele geile Bands, die nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie eigentlich verdienen. Leider. Bei SBÄM Records hatten wir bis jetzt gut fünfzig Releases. Aber dieses Jahr kommt noch so einiges – geplant sind bis jetzt etwa zwanzig Veröffentlichungen. Favoriten gibt es so einige, zum Beispiel THE DEAD KRAZUKIES, BRACKET, THE DETECTORS ...

Wie kommst du auf die Idee zu neuen Releases und Bands, wie gehst du bei der Umsetzung vor?
Ich bin einfach ständig auf der Suche nach neuen Acts. Viele Acts entdecke ich durch Playlists, Empfehlungen, oder ich hatte sie schon vorher auf dem Radar. Wenn mir eine Band gefällt oder ich merke, dass eine Band Potenzial hat, schreibe ich sie einfach an. Durch das jahrelange Hausieren und Anklopfen wegen der Artworks bin ich das schon ziemlich gewohnt. Und ich kann auch sehr hartnäckig sein. Es gibt schon so circa zehn Gespräche mit Bands pro Woche.

Vinyl, CD, digital ... wie handhabst du das? Speziell international wird es ja immer teurer, Bestellungen zu verschicken, das schießt einem doch voll in die Beine, oder?
Shipping ist der Horror. Was wir in den letzten Monaten hier mitgemacht haben, ist wirklich schrecklich. Viele Pakete sind einfach total zerstört angekommen oder eben gar nicht. Und du bist da irgendwie machtlos und auch selbst betroffen. Es dauert einfach Wochen, bis du vom Paketdienstleister Feedback bekommst. In der Zwischenzeit musst du dir aber was einfallen lassen, um deine Kunden nicht zu verärgern. Es ist wirklich nicht einfach. Auch Release-Dates verzögern sich so. Natürlich verstehe ich, dass das jetzt eine Ausnahmesituation ist ... aber wie gesagt, nicht easy. Und wie du bereits gesagt hast, wird Versand immer teurer. Wir sind also ständig auf der Suche nach günstigen Alternativen.

Bei deinem Label gibt es ja zwei Schwerpunkte, zum einen viele alte Klassikerbands aus dem Melodic-Punk-Bereich mit Rereleases und/oder Raritätensamplern, zum anderen neue Bands. Ist das so ungefähr das SBÄM-Konzept?
Du hast vollkommen recht, das ist aber nicht unser Konzept. Das mit den Rereleases hat sich einfach so ergeben. Wenn du die Chance hast, Platten von deinen Lieblingsbands neu zu veröffentlichen, fällt es schwer, nein zu sagen. Unser Ziel ist es aber, zum Großteil neues Material auf den Markt zu bringen, aber ab und an auch Rereleases beziehungsweise Alben, die es noch nie physisch gab.

Wie sieht das „Konzept“ des Labels aus, also was machst du bevorzugt, was sicher nie?
Natürlich muss es Punkrock sein. Aber hier sind wir natürlich offen für alles. Sei es Ska, Skatepunk, Hardcore, Crustpunk ... wichtig ist nur, dass es uns gefällt beziehungsweise dass wir Potenzial darin sehen. In der Anfangszeit lag unser Fokus wahrscheinlich mehr auf Skate- und Melodic-Punk, aber die Releases 2021 werden zeigen, dass wir auf keinen bestimmten Stil festgelegt sind. 2021 steht einiges auf dem Programm. Zum einen der Umzug in unser neues Office, mit Shop und monatlichen Akustikkonzerten. Als Kooperation mit American Socks. Am besten viele, viele Club-Shows. Dann wird es hoffentlich zwei Festivals geben, zum einen das Stoked For The Summer Ende Juli und das SBÄMoween Ende Oktober. Geplant sind auch einige Art-Shows in Österreich, Deutschland, England, Italien und den USA. Und zahlreiche Veröffentlichungen von Bands, wie PULLEY, GUTTERMOUTH, NOT ON TOUR, DFL, DAYS N’ DAZE, VICTORY KID, FRENZAL RHOMB, BRACKET, REHASHER, KRANG und vielen mehr.

Bei vielen, aber nicht allen Releases gestaltest du auch das Artwork. Wie funktioniert das kreativ? Also wie kommen Release und Band und Motividee zusammen?
Viele Bands denken immer, das sei so ein Muss bei SBÄM Records. Ist aber nicht so, wollte ich nur mal kurz anmerken. Das mit den Releases, für die ich auch das Artwork mache, funktioniert meistens ganz einfach. Ich höre mir die Songs an und dann entsteht eigentlich sofort eine Idee, die ich und die Band geil finden. Stilistisch weiß ich irgendwie immer, was zu einer Band passen könnte. Aber das geht nur mit Musik. Ich liebe es einfach, Plattencover, Poster oder Shirts zu gestalten. Es vergeht eigentlich fast kein Tag, an dem ich nicht versuche, eine Idee zu visualisieren.

Als wir dich 2017 in der „Punk Art“-Reihe vorstellten, bist du gerade erst durchgestartet. Seitdem sind eine Menge mehr Motive dazugekommen. Wie arbeitest du, fragen die Bands und Veranstalter dich oder bietest du Bands deine Kreationen an?
Das hat sich schon ziemlich gewandelt. Ich frage heute nur noch selten Bands an – außer ich will unbedingt etwas für die machen. Aber zum Großteil kommt die Anfrage direkt von der Band, von Booking-Agentur, Label oder Veranstalter. Manchmal ist das schon noch etwas surreal, wenn dich plötzlich Fat Mike anruft und fragt, ob du nicht Bock hättest, das Cover für eine neue Platte zu machen.

Pop Art nanntest du damals als wichtigen Einfluss, mittlerweile erkennt man deine Handschrift schnell, du bist zur „Marke“ geworden. Was macht diese aus?
Das mit der „Marke“ finde ich jetzt sehr schmeichelhaft, vielen Dank! Ich sehe das selbst noch gar nicht so. Mein Stil ist ja sehr von Pop Art und diversen Retro-Comics geprägt und ich versuche einfach, eine Brücke von der kommerziellen Kunst wie der Pop Art hin zu Punkrock zu schlagen. Ich kann das schwer analysieren. Ich bin einfach ein sehr visueller Mensch und lasse mich von allem inspirieren. Für mich war damals als Teenager schon das Cover einer CD oder LP mitentscheidend, wenn nicht ausschlaggebend, ob ich mir die Musik anhöre oder nicht. Ich habe einfach ein gutes Coverartwork immer mit einem musikalisch guten Album assoziiert. Klingt jetzt vielleicht etwas oberflächlich. Wahrscheinlich zeichne ich deswegen jetzt auch selber Plattencover und signe Bands beziehungsweise versuche, das möglichst zu verbinden. Gute Musik sollte auch eine gute Verpackung haben.

Jenseits der Pop-Art-Größen, gibt es da auch Punk-Artists, die dich beeinflusst haben?
Nicht wirklich. Ich versuche, mir meine Inspirationen überall zu holen, nicht lediglich nur im Punk. Aber es gibt natürlich schon Künstler, die ich sehr schätze, wie zum Beispiel Frank Kozik, Jimbo Phillips ...

Leider ist die Grafikszene in Sachen Punkrock wohl auch eine ziemliche Männerdomäne. Welche Frauen kennst du und möchtest du empfehlen?
Da hast du vollkommen recht! Wen ich sehr abfeiere, das ist Jennie Cotterill. Außerdem fallen mir spontan noch Jentrois aus den USA und Miss Felidae aus Linz ein.

Apropos: In letzter Zeit wird die Dominanz von Männerbands auch auf Festivals diskutiert. Siehst du dich da herausgefordert, das Booking diverser zu gestalten?
Auf jeden Fall, wir werden in Zukunft natürlich darauf reagieren. Und das nicht nur in puncto Booking. Wir versuchen, auch als Label da gegenzusteuern. Ziel ist es, in den nächsten Jahren den Anteil von female und male Bands auszugleichen. Und damit haben wir auch schon begonnen. Beispielsweise mit geplanten Signings/Releases von NOT ON TOUR, BAD COP BAD COP, DAYS N’ DAZE, CF98, THE DEAD KRAZUKIES, THE RUMPERTS, THE BOMBPOPS ... Das Thema liegt uns sehr am Herzen.