STOMPER 98

Foto© by Christian Thiele

Das Ego bleibt vor der Tür

STOMPER 98 also. Ungefähr zur gleichen Zeit aktiv und bekannt geworden wie BROILERS und LOIKAEMIE. Wie diese mit Wurzeln in der Skinhead-Szene der 1990er, irgendwann aber aus deren Schatten getreten und seitdem eine Marke in Sachen Punkrock. Mit treuen Fans einerseits bei den alten Fans, schon längst aber vielfältiger aufgestellt und entspannter unterwegs. Im Vordergrund klar ihr Sänger Sebi, mit seinen markanten Tattoos schon optisch ein Bruder von Lars Frederiksen von RANCID, der in der Vergangenheit immer mal bei STOMPER 98 aushalf und seit dem neuen, titellosen Album ein fester Teil der besetzungsmäßig runderneuerten Band aus Göttingen ist – auch ohne Umzug dahin. Ende Juli saßen Sebi und Bassist Sille zum Interview auf der Ox-Gartenbank. STOMPER 98 anno 2023 sind Sebastian „Sebi“ Walkenhorst, Silvio „Sille“ Schlesier, Stefan Herz, Holger Bergemann, Thomas „Tommi“ Rademacher und Lars Frederiksen.

Ihr seid beide aus Göttingen. Wann habt ihr euch das erste Mal bewusst gegenseitig wahrgenommen?

Sille: Das war 2008, als Wölfi von DIE KASSIERER seine Doku machte über Punkrock, dafür hat er auch ein paar Bands interviewt. Ich war mit meiner Band dabei und wir haben uns in Göttingen auf dem Friedhof getroffen. Sebi hatte eine wunderschöne Domestos-Hose an und ein kariertes Hemd.
Sebi: Da sind wir uns das erste Mal über den Weg gelaufen und haben uns gleich verstanden.
Sille: Sebi ist halt bekannt wie ein bunter Hund. Auch wenn man sich noch nicht persönlich kannte, den Namen kannte man schon seit Jahren. Göttingen ist nicht die größte Stadt, da kennt jeder jeden.

Sille, ist der Sebi, wie er heute hier sitzt, noch der gleiche Typ?
Sille: Da müsste man erst mal definieren, welcher Ruf ihm vorauseilte. Da kann ich für mich sagen, er ist ein lebenslustiger Mensch, der immer geradeaus ist. Natürlich gab es auch ein paar Stimmen, die sagten, leg dich nicht mit dem an. Er feiert gerne, lacht gerne, ist ein sehr ehrlicher Mensch – und ich mag ehrliche Menschen generell. Aber er ist einer, dem kommt man besser nicht blöd. Es gibt Menschen, die haben eine kurze Lunte, und dazu gehörte Sebi damals wohl auch. Er strahlt sehr viel Lebensfreude aus, was ich total positiv finde, was mir viel gibt und auch vielen anderen Menschen, die sich in seinem Umfeld bewegen. Er ist ehrlich und geradeaus, das hat sich nicht geändert. Aber wir sind alle ruhiger geworden, wir werden älter und besonnener und überdenken gewisse Situationen zwei, drei Mal. Vor zwanzig Jahren hat man eher nicht nachgedacht. Das ist heute nicht mehr so. Da lächelt man und sucht das Gespräch, bevor es eskaliert.
Sebi: Das klingt jetzt ein bisschen dramatisch. Wir haben meistens, als wir jünger waren, eher reagiert als agiert. Es ging immer auch um Provokation und Außenwirkung, gerade bei uns in der Clique. Wir haben uns viel im Juz Göttingen bewegt, das war eine Szene von Skins und Punks. Bei uns in der Region gab es so 1994, 1995 eine große Szene mit vielen Punk- und Ska-Konzerten, STAGE BOTTLES und Co. haben immer wieder da gespielt. Und natürlich waren wir ein wilder Haufen. Die Band wurde damals gegründet, weil die Hälfte von uns Bewährung hatte und wir gesagt haben, wir müssen irgendwie Mucke machen und kreativ sein, wir haben immer nur Stress. Wir haben es eben gelebt, diesen Lifestyle, mit Fußball und so, und am Ende war es uns egal, mit wem es Stress gab. Es wurde dankbar angenommen, wenn es Nazi-Alarm gab, da haben wir uns nicht zurückgehalten. Wir haben eben eine wilde Jugend gehabt.

Wie viel Glorifizierung steckt in so einer Erzählung? Heute sitzt man selbst nicht mehr am Brunnen in der Fußgängerzone und wirft Flaschen kaputt, sondern ist von solchen Leuten genervt.
Sebi: Das war damals bei uns kein speziell Skinhead-bedingtes Ding, das war eine Gruppendynamik: Skins und Punks am Brunnen, an der Gänseliesel in Göttingen, am Wilhelmsplatz. In jeder Stadt gab es diese Plätze. Der Blick von der Gesellschaft auf diese Leute, auf uns junge Leute, war noch komplett anders als heute. Als ich mir die Haare abgeschnitten hatte und vorher, als ich sie noch bunt hatte, da wurde ich angespuckt und die alten Opas ließen Sprüche los wie „Frisur fürs KZ hast du ja schon“ und „Früher hätte es das nicht gegeben!“. Natürlich haben wir, gerade wenn wir besoffen waren oder wenn Drogen wie Speed im Spiel waren, über die Stränge geschlagen. Und es gab auch Situationen, wo wir uns wie totale Idioten verhalten haben. Nichtsdestotrotz bin ich heute eher nicht von wilden Jugendlichen genervt, sondern ich bin froh, dass es das noch gibt. Meine Kids sind 14, 16, 18, 21, die laufen tatsächlich viel entspannter und gerader durch die Gegend als ich damals, worüber ich sehr glücklich bin. Ich denke mir immer, was wir damals machten, das gehört eben dazu zum Jungsein, sich ausprobieren und ausleben. Der eine schlägt eben mehr über die Stränge als der andere, aber ich glaube, bösartig waren wir nie. Aber das müsste man wohl die Leute fragen, die mit uns Stress hatten ... Heute erwischt man sich manchmal beim Bahnfahren angesichts mancher Kids beim Gedanken: Könnt ihr euch nicht einfach mal zusammenreißen?
Sille: Da bin ich ganz bei dir. Meiner Tochter wird jetzt 13, da merke ich schon, die hat einen sehr eigenen Kopf, und das gefällt mir. Ich finde es gut, dass die Jugend rebelliert und das offen zeigt, egal, ob uns das gefällt oder nicht. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Das ist wichtig.
Sebi: Mein Nils sympathisiert mit der Letzten Generation. Und der ist in der Schule so drauf, dass er auch andere Kids zurechtweist, weil ihm wichtig ist, dass man vernünftig redet. Der eckt damit an, aber ich bin stolz auf ihn. Und diesen jungen Leuten von Letzte Generation, die sich auf der Straße festkleben, denen schlägt mehr Hass entgegen als der Wirtschaft und der Politik, die undichte Atommüllfässer vergraben. Das ist total grotesk. Aber die Welt dreht sich immer weiter. Ich glaube, ich bin ganz gut am Puls der Zeit geblieben, so dass ich Verständnis dafür habe. Das kommt davon, dass man viel mit jüngeren Menschen zu tun hat, durch meine eigenen Kinder und deren Freunde, und bei Sille ist es auch noch beruflich bedingt. Meine Kinder kommen mit ihren Sachen zu mir, ich weiß was über meine Kinder. Meine Eltern hingegen haben überhaupt nichts gewusst über mich in dem Alter, die hatten keine Ahnung, was ich mache, geschweige denn, dass es sie interessiert hat.
Sille: Das ist genau die Erfahrung: Den Kindern Raum zu geben zur Entfaltung, dass sie sich trauen, alles zu sagen, und kein schlechtes Gewissen haben. Es gibt Kinder, die trauen sich nicht, zu ihren Eltern zu gehen und gewisse Themen zu besprechen. Furchtbar. Das ist etwas, das wir, das du aus deiner Erfahrung heraus anders gemacht hast. Manche Leute sagen ja immer, wenn ich älter bin und Kinder habe, mache ich das und das anders. Ob sie es dann tun, das wird sich dann zeigen. Ich glaube, was einem selbst massiv auf die Eier gegangen ist in der Jugend, das nimmt man mit für seine Kids. Das machst du, Sebi, und ich mache das auch. Dieser Raum für eine Rebellion und für eine zukünftige Revolution muss immer da sein.

Spannend, was ihr da sagt. Einer anderen Band hatte ich im Interview die Frage gestellt: „Wann sind wir eigentlich so reflektiert geworden?“ Was ihr da sagt, ist ja sehr vernünftig und reflektiert, doch inwiefern steht so was im Widerspruch zu dem, wie man sich mit der Band und auf der Bühne gibt? Die Slogans, die Schlagworte der Punk- und Skinhead-Szene, die wurden ja zu einer Zeit geprägt, als die Akteure zwischen 15 und 25 waren, und wenn Menschen mit 45 oder 50 das bringen, hat das immer auch etwas von einer Inszenierung – oder wie seht ihr das?
Sebi: Das ist nichts für Skinheads spezifisches. Hör dir G.B.H an, DISCHARGE, BLITZ, frühe DIE TOTEN HOSEN, DIE GOLDENEN ZITRONEN ... Der Humor, die Texte sind teilweise auch deftig. Da mache ich keinen Unterschied zwischen Punk, Oi! und Hardcore, gerade in England war das alles eine Suppe, nur in Deutschland nehmen wir diese Historie eher getrennt voneinander wahr. Ich bin sehr reflektiert im Alltag, ich achte genau auf das, was ich sage, was ich mache. Nichtsdestotrotz bin das ja ich, der da singt. Die Texte sind eine Mischung aus Erfahrungen und dem, was ich um mich herum sehe. Ich sauge das alles auf. Ich beobachte die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre. Aktuell würden 18,6 Prozent der Menschen in Deutschland die AfD wählen, eine Nazi-Partei. Das sind bei 60 Millionen Stimmberechtigten elf Millionen Menschen, die der Meinung sind, sie müssten jetzt, wenn Bundestagswahl wäre, die AfD wählen. Das sind die Zustände, die wir gerade haben. Und in meiner Musik, in unserer Musik, in den Texten, da erzähle ich Geschichten, da lebe ich mich aus. Ich bin kein „tough guy“. Ich bin fast fünfzig Jahre alt. Ich habe gar keine Lust mehr auf das, was manche Kumpels machen. Die gehen zum Fußball, die machen dasselbe, was sie mit zwanzig gemacht haben. Weißt du, ich will Musik machen. Ich will die Gesellschaft verändern. Meine Welt, in der ich lebe, soll schön sein. Mit Sprache und mit Musik kannst du gerade im Punk viel sagen. Und dieses „Die gegen uns“-Ding ... das haben schon 7 SECONDS gemacht. Das kann man nicht auf Oi! und Skinheads runterbrechen. Ich glaube, das ist einfach ein Lebensgefühl. Und die Kids heutzutage haben das auch. Wenn ich die Rap-Sachen meiner Kinder höre ... Ich dachte immer, man kann mich mit nichts schocken, aber wenn ich diese Texte höre, dann ist das teilweise stumpfer als stumpfer Punk, ein ausgestreckter Mittelfinger gegen alles und jeden.
Sille: Auf deine Frage, ob das noch ehrlich ist, antworte ich, ja, ist es. Jedes Album, das Sebi und ich zusammen gemacht haben mit verschiedenen Bands, ist ja nur eine Momentaufnahme. Aber was man ja nie vergessen darf, alles, was da textlich, was da im Arrangement von Songs passiert, das ist immer noch das Kind mit 14, 15, 16, 17, 18. Das sind die Erfahrungen von damals, nur in einem anderen Wortgewand. Und natürlich sind wir reflektierter, weil wir seitdem tausende Situationen durchlebt haben und wissen, was gut und was weniger gut war. Das kann man heute super textlich verarbeiten, deshalb würde ich sagen, das ist alles pur und ehrlich. Und auch die neue Platte ist pur und ehrlich. Wir haben uns vorhin auf der Fahrt hierher noch darüber unterhalten, dass ich zu jedem Song für mich meine persönliche Geschichte habe. Ich gehe dazu auf meine kleine Reise in verschiedene Situationen, die ich durchlebt habe. Und ich hoffe, dass das auch bei allen anderen, die das Album hören werden, genauso passiert. Ich erwische mich immer wieder dabei, wenn ich einen Song höre, dass ich automatisch zurückgehe in diese Situation, wo ich den das erste Mal gehört habe oder wo was Besonderes passiert ist und dieses Lied lief. Und das ist für mich das, was einen als Musiker am stolzesten machen kann, also wenn Menschen wichtige Situationen mit unserer Musik verbinden können.

Das neue Album entstand ja unter erschwerten Bedingungen. Ich habe gesehen, wie du hier reingehumpelt bist ...
Sebi: Das neue Album war echt schwierig, weil ich im November 2022 einen schweren Unfall hatte und Tommi die meiste Musik für das Album gemacht hat. Wir haben trotzdem gesagt, wir nehmen jetzt das neue Album auf. Zeitlich passte alles, aber ich lag im Krankenhaus von November bis Ende Januar. Anfang November bin ich auf der Arbeit mit einem Gabelstapler umgekippt: Die Palette ist verrutscht. Ich habe seit über zwanzig Jahren den Staplerschein. Ich war natürlich angeschnallt. Safety first. Ich habe mal als junger Mann in der Spedition von Weitem gesehen, wie einer damit umkippt. Der war nicht angeschnallt ... Also ich war angeschnallt, ich war alleine im Lager, habe noch schnell was erledigt, und dann ist eine große Palette in Überbreite verrutscht, der Kipppunkt hat sich verändert. Ich wollte gegenlenken, doch dann bin ich mit dem Stapler umgekippt und durch die Fliehkraft ist mein linker Fuß rausgefallen und dann lag ich auf der Seite mit dem vier Tonnen schweren Stapler und mein Fuß war drunter. Zum Glück hatte ich mein Handy in der Tasche und konnte Hilfe rufen. Die Kollegen kamen mit einem Stapler, hoben meinen Stapler an, zogen mich raus und riefen den Notarzt. Es war ein Drama. Not-OP. Zwei Wochen lang wussten sie nicht, ob der Fuß überhaupt dranbleiben kann, weil der so schwer verletzt war. Ein junger Arzt hat dann gesagt: Okay, ich mache die OP. Nach vier Wochen bin ich nach Hause gekommen. Es war die Hölle: Schmerzen, Krankenhaus, das ganze Drumherum. Posttraumatische Belastungsstörung. Ich den ersten Wochen war ich immer, wenn ich die Augen zumachte, in diesem Unfall. Ich habe relativ schnell die Schmerzmittel abgesetzt, weil ich merkte, das ist nicht gut. Bis Ende Januar habe ich im Rollstuhl gesessen, habe dann langsam wieder angefangen aufzutreten.Aber ich kann nicht mehr schnell laufen. Und ich war ja immer ein begeisterter Läufer, Marathon, Ultramarathon. Laufen kann ich nun gar nicht mehr schnell. Ich fahre viel Fahrrad, gehe ins Fitnessstudio, mache Physiotherapie, war auf Reha fünf Wochen. Keiner macht eine Prognose, ob es jemals wieder so wird wie vorher. Aber ich bin auf zwei Beinen unterwegs, der Fuß ist dran. Und ab August geht es wieder mit Konzerten los. Vielleicht stelle ich einen Hocker an die Seite, um mal eine Pause zu machen.

Was hat dir geholfen das durchzustehen?
Sebi: Diese eine Sache vom Punk. Dieses ... never surrender. Das hört sich total mackermäßig an, aber das ist, was ich aus diesem ganzen DIY-Lifestyle mitgenommen habe. Wenn die eine Tür zugeht, dann geht eine andere auf. Das hat Punk immer ausgemacht. Wenn das nicht geht, dann probier mal das. Natürlich hatte ich auch Tiefpunkte, aber ich habe ja meine Leute gehabt, meine Familie, meine Partnerin, Freunde, die Band, alle waren da, auch weltweit. Die Leute haben Anteil genommen und klar kannst du dir davon am Ende nichts kaufen, aber es war schön zu wissen, die wollen dich wieder auf der Bühne sehen.

Was sagen die Berufsgenossenschaft und die Krankenkasse dazu, dass du offensichtlich ab einem gewissen Zeitpunkt wieder mit der Band aktiv warst? Es gab ja im Frühjahr Videodrehs und so weiter.
Sille: So lange der Arzt dich nicht bettlägerig krankschreibt, ist das okay.
Sebi: Mein Job ist ja körperlich sehr anspruchsvoll, es geht da um Logistik mit Lkw-Reifen, da muss man schwer heben. Ich kann noch nicht länger als zwei, drei Stunden am Stück stehen, geschweige denn, dass ich dann so eine Arbeit ausführen könnte. Aktuell bin ich krankgeschrieben bis auf weiteres. Mein Arzt sagt immer nur: Sport, Sport, Sport den ganzen Tag. Und zum Thema Musik sagt er: Nicht gerade drei Stunden rumspringen. Aber alles, wo ich mich in einem gesunden Rahmen bewege, alles, was mir guttut, ist okay. Ich habe dieses Kompartmentsyndrom, einen schweren Verlauf, und der Fuß schwillt immer noch an, die Gefäße und die Muskeln sind immer noch angegriffen. Das heißt, ich habe Anspruch auf eine Umschulung. Aber ich kann momentan auch gar nichts machen. Ich kann nicht lange stehen oder sitzen, irgendwann muss ich mich hinlegen.

Was ist mit Touren?
Sebi: Wir haben aufgrund des Unfalls unsere US-Tour an der Westküste auf 2025/26 verschoben. Auch Kolumbien, Mexiko, Südamerika waren geplant, aber die Vorstellung, neun, zwölf, sechzehn Stunden im Flieger zu sitzen ... das geht nicht. Also haben wir gesagt, bis Ende 2024 machen wir nur Deutschland, Österreich und Schweiz. Ich will wieder dahin kommen, wo ich mal war, und daran arbeite ich hart. Wir hatten immer viele Einladungen ins Ausland, hatten das Glück, dass wir viel reisen konnten mit der Band und haben eine Menge verrückte Orte gesehen. Das sparen wir uns nun auf, bis ich wieder richtig fit bin.

Das ist alles auch eine Frage, welchen Status so eine Band im Leben hat.Wenn die Band tatsächlich der Lebensunterhalt ist, ist so eine Situation wie deine existenzbedrohend. Nun ist die Band nicht euer Beruf, aber doch weit mehr als nur ein Hobby mit ein paar Auftritten im Jahr.
Sille: So wie das bei uns ist, ist das die schwierigste Situation, die man haben kann. Wenn du eine Hobbyband bist, dann hast du deinen Frieden damit gemacht und gehst halt arbeiten. Und wenn du Profi bist und kannst davon leben, hast du auch deinen Frieden gemacht. Etwas dazwischen zu sein, bedeutet für mich, für uns maximalen Aufwand in Sachen Organisation und Zeitmanagement. Dass da nichts auf der Strecke bleibt, ist unfassbar anstrengend. Aber, haha, es war noch nie anders.
Sebi: Es ist halt mein Leben. Ich habe irgendwann gemerkt, ich kann nur irgendwelche Shitjobs machen, um all dem gerecht zu werden, mit Kindern und so weiter. Sille hingegen hat jobmäßig seine Berufung gefunden, Holger ist Berufsschullehrer und Tommi ist der Gitarrentechniker von SODOM, von BETONTOD und von Sammy von den BROILERS. Und seine eigene Band TOXPACK hat er auch noch. Immerhin haben wir jetzt schon bis Ende 2024 alle Termine fix, alle Konzerte, Studio, das nächste Album. Wir haben jetzt ein Zeitmanagement, das es einfach total entspannt macht. Das brauchst du, wenn du sechs Leute unter einen Hut kriegen willst. Der eine wohnt in Berlin, einer in Potsdam, wir beide in Göttingen und Lars in Kalifornien. Fucking hell!

Und das besprecht ihr bei einem Gläschen Bier? Das heißt ... du trinkst ja nicht.
Sebi: Nee, ich trinke nicht. Und Lars auch nicht. Bei uns wird tatsächlich sehr wenig Alkohol getrunken, weil wir die Zeit lieber nutzen, um Musik zu machen.

Spulen wir doch mal ein Stück zurück. Du erzähltest vorhin, dass ihr gerade dabei wart, euch um die Aufnahmen zu kümmern für das Album, als dein Unfall passiert ist.
Sebi: Wir waren beim Songwriting, Tommi hatte gerade angefangen. Der Mann hat ein unfassbares Händchen für catchy Songs, das hat er bei dem Album wieder unter Beweis gestellt. Leute, die die Platte gehört haben, sagen, das klingt ja wie früher, aber irgendwie auch wie DIE TOTEN HOSEN, wie die BROILERS.

Schön, dass du das sagst. Das war auch mein erster Eindruck. Es „host“ hier und da ganz gewaltig.
Sille: Also ich nehme das als Kompliment.
Sebi: Tommi wird es wahrscheinlich auch als Kompliment sehen, ja wir alle. Tommi ist Jahrgang ’79, dann haben wir ’81, ’75, unser Drummer Herzchen ist ein bisschen jünger, Holger ist ’70 geboren. Der wuchs in der DDR auf, der war 19, als die Mauer fiel. Natürlich haben DIE TOTEN HOSEN in unserer Sozialisierung, was Musik und Punk betrifft, eine Rolle gespielt. Ich glaube, bei niemandem in der Szene war das nicht einer der Erstkontakte mit Punk. Wir waren bei RANCID in Wiesbaden, Campino und Andi waren auch da, und wir hatten einen netten Abend zusammen, haben die Show geguckt und uns alle gut unterhalten. Mein erstes Hosen-Album, das ich mit elf oder zwölf von meiner älteren Schwester bekommen habe, war 1986 „Never Mind The Hosen Here’s Die Roten Rosen“, diese Schlagerplatte. Und dann „Opel-Gang“, „Unter falscher Flagge“ und die Live-Platte. Ich hatte dieses Sprühschablonen-Logo auf meiner Harrington-Jacken, wofür die Älteren mich ausgelacht haben.

Also ist das alles kein Zufall ...
Sebi: Nee. Tommi hat mich im Studio ganz schön gequält, was den Gesang betrifft. Wir haben eine echt gute Produktion, wir haben uns ein richtig geiles Studio gesucht. Wir haben gesagt, dadurch, dass wir es jetzt alles selber machen, auf dem eigenen Label, alles selbst finanzieren, machen wir das jetzt exakt so, wie wir das wollen. Wir haben über die Songs vorher nicht gesprochen, Tommi hat einfach angefangen, der hat immer gute Ideen für Phrasierungen. Und ich habe mein Handy voll mit Notizen und Texten. Ich bin eigentlich nur am Texten, notiere mir ständig irgendwelche Reime. Eine Band mit Singalongs waren wir schon immer und das haben wir jetzt noch mal betont.

Wer hat euch aufgenommen – oder produziert?
Sebi: Aufgenommen hat uns Mark Wüstenhagen. Unser Produzent ist Tommi, der weiß genau, was wir brauchen. Und der macht es mir so einfach. Wir machen das seit 2004 zusammen, das sind fast zwanzig Jahre. Sille ist 2019 eingestiegen und Herzchen auch. Tommi ist ständig auf Festivals und Konzerten unterwegs, der sieht so viele Bands, der hört so viel Musik, und das hilft natürlich. Wir alle hören viel Musik, aber es ist ja nicht so, dass wir den ganzen Tag zu Hause sitzen und nur COCK SPARRER, BLITZ und LAST RESORT hören. Oder NOFX und BAD RELIGION. Ich etwa gehe musikalisch immer weiter zurück und irgendwann lande ich bei irgendwelchen Sixties-Sachen und denke einfach nur, fuck, die haben das, was wir heute machen, schon damals gemacht. Sogar viel besser und mit einfacheren Mitteln. THE BEATLES! ROLLING STONES! „Sympathy for the devil“ – unglaublich!

Wie habt ihr das Album ganz praktisch hinbekommen mit dir im Krankenhaus?
Sebi: Ich habe vom Krankenbett aus am Album gearbeitet, das war meine Therapie.
Sille: Das hat ihm definitiv über die Zeit geholfen – auch um psychisch wieder stabil zu werden. Das war schon sehr hart für uns alle und sehr emotional. Es war wichtig, dass Sebi sich auf die Texte konzentrieren musste, sich fokussieren. Das lenkt einen ab von der Situation. Wir hatten ein Wochenende vor dem Unfall drei Demos gemacht bei mir im Studio, aber noch in dem alten, in unserem Proberaum. Mittlerweile habe ich mit Dennis Poschwatta von GUANO APES ein Studio, das ist alles ein bisschen semiprofessioneller geworden. Die Stimmung an dem Wochenende war klasse, die Zusammenarbeit super, es gab überhaupt kein Ego. Und das ist ein Geheimrezept: Das Ego bleibt vor der Tür. Hier geht es um die Musik.
Sebi: Früher habe ich tatsächlich gefightet, um Dinge im Studio durchzusetzen. Jetzt geht es nur darum, was dem Song gut tut. Tommi und ich probieren viel aus, aber alles ganz entspannt.

Wenn wir uns mal in dem musikalischen Sektor umschauen, in dem ihr euch tummelt ... da muss man klar sagen, dass das noch eine starke Männerdomäne ist, mit Ines von den BROILERS als eine von ganz wenigen Ausnahmen. Wie nehmt ihr das wahr?
Sille: Es gibt ja hervorragende Bands mit Frauen, aber natürlich hast du recht, das ist immer noch eine Männerdomäne. Ich hoffe, dass sich das noch mehr ändert, die INTERRUPTORS zum Beispiel erleben ja einen riesigen Hype, ohne diese Frontfrau wären sie nicht so groß geworden. Die hat eine unfassbar geile Stimme, die performt live tierisch und die schmeißt den Laden.
Sebi: Ich verfolge die Diskussion in den letzten Jahren und du kannst ja in den sozialen Medien sehen, wie zerstritten die Menschen darüber sind. Für mich ist die Diskussion ein bisschen müßig. Ich habe eine Tochter. Ich habe eine Freundin, ich habe eine Ex-Frau, ich habe eine Mutter, ich habe eine Schwester. Ich möchte, dass die genau all das, was ich mache, auch machen können und die Möglichkeiten haben, die auch auch hatte. Wenn meine Tochter eine Band gründen möchte, dann sage ich, go ahead, such dir coole Leute, mach das, ich unterstütze dich dabei. Was STOMPER 98 betrifft, so gab es nie jemanden aus unserem Freundeskreis, also eine Frau, die Interesse gezeigt hätte, bei uns zu spielen.

Nicht als Vorwurf, sondern als Frage: Ist vielleicht das, was und wie ihr Musik macht, einfach nicht so attraktiv für Frauen? Ich sehe schon einen ganz klaren männlichen Aspekt an dieser Art von Musik, dieser Art des Auftretens.
Sebi: Punk, Hardcore und Metal sind auf jeden Fall absolut männlich bestimmt und immer noch trieft das Patriarchat an allen Ecken und Enden raus. Neulich war ich in Berlin auf einem Konzert von FATIGUE und SPLISS, ein ganz kleiner Gig, 100 Leute. FATIGUE sind eine Band weiblich gelesener Menschen, bei SPLISS sind es drei und ein Mann. Das Publikum war total gemischt. Und so habe ich das in den letzten Jahren bei uns auch erlebt, dass wir heute schon ein anderes Publikum haben als noch vor zehn Jahren. Als wir 2022 am Ostermontag im SO36 spielten, waren da 600, 700 Leute und es war wirklich durchmischt. Klar haben wir immer noch 40% Skins, dann Punks, Hardcore, normale Leute und sehr viele junge Frauen. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir eine Band sind, die für alte Leute spielt, aber vielleicht bin ich da ein bisschen betriebsblind. Unsere Musik ist immer frisch geblieben, ich bin gerne am Puls der Zeit. Ich lebe nicht in der Vergangenheit.

Bands wie BROILERS, FEINE SAHNE FISCHFILET, 4 PROMILLE, LOIKAMIE, ihr ... Es ist schon interessant zu sehen, dass diese Bands mit einem mal mehr, mal weniger dezidierten Skinhead-Background heute so große Konzerte spielen. Eure Gedanken dazu?
Sebi: Ich finde es teilweise crazy, denn in den Neunzigern, als die von dir genannten Bands und wir ja auch anfingen, da waren wir auf eine gewisse Art so Enfants terribles.

Da sprechen manche von den „Baseballschläger-Jahren“, es gab eine Menge rechter Glatzen, und der schlechte Ruf von damals hing Skinhead-Bands sehr lange nach.
Sebi: Ja, und vor allem darfst du auch nicht vergessen, dass einige der Protagonisten aus den Bands, die du gerade genannt hast, auch eine Vergangenheit hatten, die nicht so schön ist. Viele der Leute gerade aus meiner Generation sind in ihren Teenagerjahren ja auch welche von den „anderen“ Skinheads gewesen, aus dem damaligen Zeitgeist heraus, Stichwort: Mölln, Solingen etc. Als das dann offen neonazistisch und radikal wurde, merkten wir, dass wir nur Skinheads sein und unser Ding machen wollten. Ich habe lange gebraucht, bis ich mich von Holger habe breitschlagen lassen, okay, wir machen jetzt unser Ding, im positiven Sinne. Ich hatte keinen Bock mehr darauf, dass ich mich immer wieder dafür rechtfertigen muss, was ich mit 16, 17 gemacht habe. Aber um auf deine Frage zurückzukommen, warum diese Bands so beliebt sind: Vielleicht weil die Musik einfach ehrlich ist, weil man das Gefühl hat, da stehen Typen wie du und ich, die erzählen dir keine Geschichten, sondern davon, was sie selbst erlebt haben. Schau dir Thomas von LOIKAEMIE an, oder Sammy von den BROILERS. Die hatten immer schon was zu sagen.
Sille: Der Schlüssel dazu ist tatsächlich, dass es ehrlich ist. Ich glaube, das ist auch ein gesellschaftliches Phänomen, dass die Leute in der heutigen Zeit nach etwas suchen, das Bestand hat, und nicht was Neues und noch mal was Neues. Das kennen wir ja alle. Du verlierst dich in zig Sachen, tagtäglich. Und dann gibt es eben eine Kleinigkeit im Leben, die wirklich der Fels in der Brandung ist. Und das kann auch relativ spät im Leben noch geschehen. Ich war ja nie so tief drin in der ganzen Oi!-Sache, obwohl ich die jetzt liebe. Ich habe früher nur Punk gehört, NOFX, MILLENCOLIN, und so weiter. Und DIE TOTEN HOSEN. Oi!-Musik hat später ganz viele Türen geöffnet für Menschen, die Halt gesucht haben für sich. Und das ist etwas, das diese Musik leisten konnte, weil sie auf Deutsch gesungen wird. Die Menschen verstehen die Texte, sie können sie anders nachvollziehen als bei englischen Songs, sie können sich damit leichter identifizieren. Und dann ist da der Musikanspruch der Bands. Ich will keinem zu nahe treten, aber für mich ist der Anspruch von Oi!-Bands gewachsen. Wenn ich die neuen Alben höre von diesen Bands, ist das unfassbar, was die für geile Aufnahmen machen, wie ausgecheckt das ist. Also nicht, dass es geplant ist, sondern einfach gut gemachte Musik. Und damit öffnet sich das natürlich auch für ein anderes und jüngeres Publikum.
Sebi: Und wir dürfen auch nicht vergessen: Wir leben im kapitalistischsten Deutschland, das wir jemals hatten. Die Leute haben geschnallt, dass du damit Geld verdienen kannst. Geld öffnet jede Tür. In den frühen Zweitausendern, da hat es schon sieben, acht, fast zehn Jahre gegeben, bis wir auf einmal Zuschauerzahlen hatten, wo wir dachten: What the fuck, was ist denn hier jetzt los? Was ist denn jetzt anders? Wir haben aber immer noch für 400 Euro Gage gespielt, bis wir dahinter gekommen sind, dass das Geld jemand anders einsteckt. Heute ist alles fairer für die Bands geworden, es gibt entsprechende Veranstalter, Labels, Strukturen. Und eigentlich geht gerade überall diese Musik durch die Decke, in Frankreich, in England, in Deutschland. Die hat was vom Punk der frühen Neunziger, das hat noch was Rebellisches, glaube ich. Und wenn du auf so ein Konzert gehst, musst du nicht irgendwer sein, das spielt vielleicht auch eine Rolle. Neulich war ich in Berlin bei RIXE, BRUX und MÄSH, da waren 450 Leute im Clash, ausverkauft. Junge Skins, Punks, Hipster ... alle hatten eine mega geile Zeit und es war einfach wow. Das hätte es vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren nicht gegeben, dass so viele Menschen mit so unterschiedlichem subkulturellen Hintergrund zu so einer derart auf den Punkt gebrachten, aggressiven Musik so krass feiern, ohne sich die Schnauze einzuschlagen. Ich bin happy darüber, dass es diese ganzen jungen Bands gibt. Wir haben damals ja auch nur aufgegriffen, was andere vorgemacht haben. Wenn THE OPPRESSED und BLITZ das können mit den drei Akkorden, dann können wir das auch. DIY eben. Und heutzutage ist es ganz genauso, nimm nur LION’S LAW aus Frankreich als Beispiel, jetzt spielen die 250 Konzerte im Jahr weltweit. Crazy. Ich finde es toll. Und man fühlt sich ernst genommen.

Im Vorfeld des Albums hieß es, Lars Frederiksen von RANCID, mit dem ihr ja schon lange kooperiert, sei jetzt fester Teil der Besetzung geworden. Wie verhält sich das?
Sebi: Nachdem Flacke 2015 aus gesundheitlichen Gründen ausgestiegen ist, hatte Lars mitgekriegt, dass wir einen Rhythmusgitarristen suchen. Wir waren damals schon gut befreundet. Mit Phil aus den USA als Drummer hat das ja auch ewig geklappt, dachten wir uns, warum soll das mit Lars nicht klappen? Die Platte von 2018 haben wir dann dreimal betourt mit Lars, da war der komplett mit dabei. Aber aufgrund der Tatsache, dass Lars in Kalifornien lebt und mit RANCID voll beschäftigt ist, haben wir noch einen „Backup-Gitarristen“. Die Band ist eher eine Community, wir haben immer schon Leute gehabt, die einspringen, wenn einer mal nicht kann – auch Sille spielte immer mal bei uns Bass, und wenn Phil nicht konnte, hatten wir auch jemanden, etwa Jens von den EASTSIDE BOYS. Wenn wir jemanden brauchen, haben wir genug Freunde, dass jemand da ist. Das hat die Band immer schon ausgemacht. Wenn Lars kann, ist er da. Und wenn nicht, dann halt nicht. Als wir jetzt die Platte aufgenommen haben, war er im April eine Woche in Göttingen zum Videodreh. Für nächstes Jahr haben wir schon alles festgelegt, so dass wir alle Zeit haben. Und dann wollen wir wieder ein neues Album machen und da ist er auch voll dabei. Die Außenwirkung, die er auf andere Menschen hat durch RANCID, ist das eine. Das andere ist, dass er für mich eben immer mein Kumpel Lars ist, seit ich ihn über OLD FIRM CASUALS kennen gelernt habe. Da spielten RANCID eigentlich keine Rolle. Dass er für viele Menschen so was Besonderes ist, habe ich zuerst gar nicht wahrgenommen. Für mich ist er auch etwas Besonderes, wie jeder meiner Freunde, mit denen ich Musik mache, weil es einfach tolle Menschen sind. Lars ist total down to earth, völlig tiefenentspannt. Und wir sind froh, dass er dabei ist. Warum er bei uns spielt? Wir sind Freunde und er steht auf unseren Sound, von Anfang an. Und es passt eben menschlich. Er bringt sich auch gut ein, mit allem. Von ihm habe ich viel gelernt in vielen Bereichen, was die Band betrifft.
Sille: Er bringt eine Menge Erfahrungen mit. Bei Fehlern, die wir eventuell noch gemacht hätten, sagt er dann schon vorgreifend: Moment, kenne ich, lass uns das mal lieber so und so machen.

Ihr bringt das Album nun erstmals selber raus, auf eurem eigenen Label, nachdem ihr zuvor bei DSS, Sunny Bastards und Contra wart. Wie kommt’s?
Sebi: Wir hatten das Glück, schon früh einen Plattenvertrag zu bekommen. Das war zu Beginn bei DSS/Der springende Stiefel von Michael aus Linz. Dann waren wir lange bei Sunny Bastards und zuletzt und jetzt weltweit bei Pirates Press aus San Francisco. Wir hatten jetzt Bock drauf, das mal selber auszuprobieren, weil es ja viele andere Bands schon vorgemacht haben. Da ist Neugierde dabei und der Drang, sich neue Aufgaben zu stellen. Ich habe das immer schon als ein bisschen befremdlich empfunden, nach der ganzen Arbeit im Studio und am Artwork alles an andere abzugeben. Klar haben wir festgestellt, dass das alles noch mal ein ganzes Stück mehr Arbeit ist, weil wir jetzt bis auf Vertrieb und Verkauf alles selber machen. Das ist Neuland, aber es macht tierisch Spaß. Es ist eine mega geile Arbeit.

Und die Leute, die bisher eure Platten gemacht haben, die sind nicht angepisst?
Sebi: Guter Einwand. Wir machen die Platte in Deutschland, Österreich und Schweiz. Weltweit aber bringt Pirates Press die Platte raus. Dadurch haben wir die Freiheit, uns in der Welt, in der wir uns bewegen und wo wir uns auskennen, selbst zu kümmern. Aber England, Frankreich, Spanien, USA – was soll ich da machen? Oder Schweden, Norwegen, Israel, Japan, da haben wir auch viele Platten verkauft bislang. Und das können Skippy und seine Leute bei Pirates Press besser. Um die Pressung wiederum kümmert sich Christian von Sunny Bastards, ein langjähriger Freund, der auch als Vinylbroker arbeitet. Und der freut sich, dass er für seinen Mailorder eine eigene Vinylfarbe bekommt. Negatives Feedback kam von keinem. Vielleicht machen wir es auch nur dieses eine Mal. Vielleicht geht es ja komplett in die Hose. Wir haben viel Geld in die Hand genommen – alles, was da war, ging für diese Produktion drauf. Die LP wird als Gatefold erscheinen, wir machen CDs, und wir machen auch eine Box. Ich hatte gar nicht mitgekriegt, dass das so ein Riesending ist, diese Boxen. Viele sammeln das, da haben wir gesagt: Okay, was machen wir? Wollen wir das bedienen? Eine kleine Auflage kommt nun, 300 Stück, da ist dann noch eine Fahne für die Wand und ein Tape drin. Unser Schlagzeuger Stefan Herz betreibt ja das Tapelabel Fuck The Mainstream We Are The Mainstream Records. Der hat in den letzten Jahren alle unsere Platten auf 98 Stück limitiert als Tapes rausgebracht. Die waren jedes Mal in wenigen Stunden weg. Da dachten wir uns, wenn wirklich so viele Menschen diese Tapes haben wollen, dann machen wir diese 300 Stück. Ich bin ja eher der Typ, der sich fragt: Würde ich mir das kaufen? Aber wenn die Leute Spaß dran haben, schön. Und ich habe die Tapes ja auch alle zu Hause und freue mich darüber. Es gibt für jedes Bandmitglied immer eine extra Edition mit extra Nummer und dazu eine Sammelbox mit Foto drauf. Stefan ist da echt ein Nerd.