WHITE SPARROWS

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Des Nachts im dunklen Walde

Lieber den weißen Spatz in der Hand, als die braune Taube auf dem Dach? Da gibt es keine Diskussion – so sehen es auch die WHITE SPARROWS aus dem beschaulichen Südhessen, die mit ihrem flotten Punkrock und klarer politischer Kante gegen rechts gerade für ordentlich frischen Wind im deutschsprachigen Punk sorgen. Die vier Mannen legen nun auf dem österreichischen Label Sbäm Records ihr brandneues Album „Zwischen Liebe, Hass und Suff“ vor, das nur so vor Mitsingmelodien strotzt. Mit Sänger und Bassist Nico sprachen wir über einsame Försterhütten im dunklen Wald, unerschütterlichen Optimismus trotz Krise sowie über eine der wichtigsten kulturellen Errungenschaften Hessens: den Äbbelwoi!

Ist Südhessen das neue Punkrock-Mekka der Bundesrepublik?

Ich denke, hier in der Gegend gibt es doch so einige großartige Punkrock-Bands. Ganz neu gegründete, aber auch alte Hasen. Wir müssen uns also nicht verstecken!

Euch gibt es ja schon recht lange und ihr musstet schon so einige Besetzungswechsel verkraften. Gib uns doch bitte einmal einen Einblick in eure Bandgeschichte.
Alles begann 2010. Wir waren Schulfreunde, alle so um die 15, und hatten einfach Bock, eine Band zu gründen. Da wir alle schon immer viel Punkrock hörten, war relativ schnell klar, wohin die Reise gehen würde. Als 2015 unser erstes Album erschien, entwickelte sich das Ganze dann doch recht zügig zu einem professionellen Projekt. Und so folgten leider auch die ersten Besetzungswechsel, denn nicht mit jedem Job lässt sich dieses Musikerleben vereinbaren. Für Martin, unseren Gitarristen, und mich als Übriggebliebene war relativ bald klar, dass diese Band nicht nur bloß ein Nebenprojekt sein sollte, sondern einen ganz wesentlichen Teil unseres Lebens ausmacht. Umso schöner, dass wir 2016 mit Gitarrist Domi und 2019 mit Drummer Max zwei super Freunde und Musiker gefunden haben, die das genauso sehen und zusammen mit uns diesen Weg gehen wollten. Drei Wochen im Sprinter zwischen Müllsäcken, Bierdosen und Gitarren wohnen, sich von Falafel-Dürüm ernähren und die alten Punk-Scheiben hören, während wir Kilometer um Kilometer durch die Republik und einige andere Länder donnern? Klar. Auf Los geht’s los!

Euer neues Album „Zwischen Liebe, Hass und Suff“ erschien gerade auf Sbäm Records, derzeit eine der Top-Adressen für melodischen Punkrock. Wie kam es dazu und wie fühlt es sich an, plötzlich in einem Roster mit solchen Koryphäen wie SNUFF, PULLEY oder NO FUN AT ALL zu sein?
Oh Mann, ja, für uns war das erst mal total surreal und schwer zu begreifen, nun mit den ganz Großen auf einem Label sein zu dürfen. Stefan und sein Team von Sbäm betreuen wirklich die eine oder andere Lieblingsband von uns. Und dass diese Leute nun auch mit uns die musikalische Zukunft planen, ist absoluter Wahnsinn! Ergeben hat sich das dadurch, dass unser Manager, Berater und Booker Michel uns wie immer mit gutem Rat und Tat zur Seite stand und uns bei diversen Labels vorstellte. Es gab mehrere Interessensbekundungen, aber als Sbäm Interesse zeigte, gab es für uns kein Halten mehr. Wir könnten nicht glücklicher sein mit dieser Entscheidung.

Dann kann man euch wahrscheinlich bald auf den ganz großen Bühnen bestaunen, wie beispielsweise dem Sbäm-Fest in Linz, oder?
Na, das wollen wir doch hoffen! Wir stehen schon in den Startlöchern und können es gar nicht mehr erwarten, endlich wieder loszulegen. Mehr Infos zum Tourplan, Festivals, etc. folgen natürlich bald.

Lasst uns einmal über das neue Album sprechen. Der Schreibprozess und die Aufnahmen fielen ja wahrscheinlich genau in die Zeit der Corona-Pandemie, oder?
Ein Großteil der Songs wurde tatsächlich schon vor der Pandemie geschrieben, da unser eigentlicher Plan darin bestand, dieses Album bereits 2020 zu veröffentlichen. Als abzusehen war, dass daraus nichts würde, haben wir einfach noch ein paar neue Songs geschrieben und uns mehr Zeit gelassen. Max nahm seine Drumspuren im Northroad Studio in Breidenbach bei Nils Enners auf. Den Bass und die Gitarrenspuren haben wir dann erstmals in Eigenregie bei uns im Studio aufgenommen, das war eine völlig neue Erfahrung. Philipp Lion, unser Freund und Produzent aus Bad Hall in Österreich, hat das Ganze dann schon mal soweit zusammengeschraubt, dass nur noch der Gesang und ein paar Finessen ergänzt werden mussten. Für den Rest haben wir uns schließlich eine alte Försterhütte gemietet und im tiefsten Wald, völlig abgeschnitten von der Außenwelt, die fehlenden Parts aufgenommen. Den Gesang natürlich auch, allerdings nicht in der Hütte, sondern wirklich draußen, mitten im Wald. Teilweise sogar nachts. Das war eine unglaubliche Atmosphäre und ich bilde mir ein, dass man das auf dem Album sogar merkt.

Das Live-Business steckt aktuell in einer wirklich schrecklichen Krise und immer mehr Bands müssen ihre Konzerte oder sogar ganze Tourneen absagen. Wie geht ihr mit dieser Situation um als Berufsmusiker?
Es ist einfach furchtbar. Die ganz dicken Fische verkaufen nach wie vor ihre Konzerte mit zigtausend Leuten aus, aber die kleinen Bands im lokalen Club dürfen sich erst das Gemecker anhören, weil sie zehn Euro Eintritt verlangen, und müssen zu guter Letzt ihre Show aufgrund fehlender Nachfrage ganz absagen. Das ist eine absolut verheerende Lage für die Musikszene. Da wir zumindest mit den WHITE SPARROWS in den Corona-Jahren kaum bis gar nicht live gespielt haben, kamen wir bislang mit einem blauen Auge davon. Wir hoffen natürlich nur das Beste und drücken die Daumen, dass die Zeiten dahingehend zumindest wieder etwas besser werden und auch Touren für kleinere Bands wieder flächendeckend möglich sein werden. Trotz allem bleiben wir optimistisch, es muss doch einfach wieder bergauf gehen!

Ist es unter diesen Umständen nicht ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um ein neues Album zu veröffentlichen?
Klar, zu jeder Platte gehört definitiv auch eine Tour, das geht ja allen Musiker:innen so. Für uns war das 2020 absolut nicht machbar, deshalb haben wir die Veröffentlichung unseres neuen Albums ja auch hinausgeschoben. Ich denke, die letzten beiden Jahre wären für uns – wie natürlich für alle anderen auch – extrem ungünstig verlaufen. Derzeit sind wir jedoch guter Dinge, dass sich unsere Pläne einigermaßen gut umsetzen lassen. Im Dezember folgt dann endlich die offizielle Releaseparty in unserem Lieblingsclub, dem Café Central in Weinheim. Und im neuen Jahr geht es mit neuer Platte und neuer Energie auf Tour.

Lass uns auch mal auf eure Texte zu sprechen kommen, in denen ihr euch klar gegen rechts positioniert und deutliche sozialkritische Töne anschlagt. Angesichts der aktuellen Zeitenwende, wie es so schön in den Medien heißt, gibt es sicher genügend Inspiration, oder?
Ja, da hast du recht, leider gibt es diese Inspiration immer. Gegen rechts Stellung zu beziehen, war für uns schon immer essentiell wichtig. Deshalb kriegen solche Typen natürlich auch auf dem neuen Album wieder ordentlich ihr Fett ab. Insbesondere beschäftigt uns das virulente Problem des Rechtsrucks. Ganz besonders auch mit der durch Corona aufkeimenden Schwurblerszene, dem ganzen Spießbürgertum und eben den ultrakonservativen Stammtischparolenschwingern. Leider muss man denen immer wieder die Stirn bieten. Aber das Album beschäftigt sich natürlich auch mit den sonstigen Facetten des Lebens. Mit Zwischenmenschlichem, mit der Liebe, aber auch mit Verzweiflung und Trauer. Insgesamt ist es ein sehr persönliches Album geworden, wahrscheinlich noch viel persönlicher als unsere vorherigen Platten.

Euer Album trägt ja schon im Titel den klaren Hinweis auf eure Trinkfreude, daher müssen wir noch einen kurzen Schwenk in eure Heimat machen: Die hessische Apfelweinkultur wurde 2022 auf die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes gesetzt. Ist das nun der hochverdiente Ritterschlag für euch Südhessen?
Ein Verweis, der jedoch mit einem zwinkernden Auge zu betrachten ist, denn es ist ja bekanntlich nicht immer alles Gold, was glänzt. Aber klar, zu einer ordentlichen Party sagen wir selten nein. Trotz allem schön zu hören, dass diesem eigenartigen Getränk nun doch noch höhere Weihen zuteil werden. Ich denke, wir handhaben das mit dem Äbbelwoi so wie mit dem Bier und anderen Getränken: Wir nehmen das, was gerade da ist.