COUNTERPARTS

Foto

Definitiv nicht religiös

Im Melodic-Hardcore führt kein Weg an COUNTERPARTS aus Hamilton, Ontario vorbei. Ihre sechste Platte „Nothing Left To Love“ unterstreicht die Sonderstellung der Band um Sänger Brendan Murphy, der im Interview einen Einblick in die Bedeutung seiner Texte, aber auch in sein Seelenleben gibt. Was das alles mit richtigem und falschem Handeln zu tun hat, lest ihr hier.

Bei den zehn Songs auf „Nothing Left To Love“ drängt sich der Gedanke auf, dass du hier die eine oder andere gescheiterte Beziehung aufarbeitest. Wie gehst du normalerweise mit solchen Erfahrungen um, bevor du einen Text darüber schreibst?


Auf der Platte geht es tatsächlich um meinen Umgang mit verschiedensten Beziehungen, nicht ausschließlich Liebesbeziehungen. Manche Songs handeln von Freunden oder Geschäftspartnern, mit denen ich nichts mehr zu tun habe, und von dem Moment, wenn dir bewusst wird, dass diese Verbindungen dir eher schaden, als dir gutzutun. Wir müssen in solchen Situationen wohl alle mal eine harte Entscheidung treffen und ich lasse meiner Wut oder auch meinem Unverständnis in den Songs freien Lauf.

Ein paar Songs klingen so wie eine Mahnung an dich selbst, nicht noch mal dieselben Fehler zu machen.

Da hast du vollkommen recht. Manchmal schaue ich mir die Texte nach der Veröffentlichung einer Platte noch mal an und verspreche mir quasi selbst, mich in solchen Situationen künftig anders zu verhalten.

Willst du mir verraten, an wen du dich im letzten Track der Platte, „Nothing left to love“, richtest? Irgendwie liest sich der Text wie ein Abschiedsbrief.

Ich denke, er richtet sich an mich selbst. Dabei spreche ich auch Dinge an, die ich so wohl niemandem aus meinem Umfeld anvertrauen würde. Er dient mir zur Selbstreflexion und erlaubt vielleicht auch anderen, einen Zugang zu mir zu bekommen. Sobald Musik im Spiel ist, fällt es mir viel leichter, meine Gedanken zu artikulieren und mich zu öffnen.

Wie wichtig sind dir in solchen Momenten die Worte, die du wählst? Schließlich geht es auf „Nothing Left To Love“ um Situationen, die eher emotional und aufwühlend wirken.

Der Prozess des Texteschreibens sieht bei mir eigentlich immer so aus, dass ich erst Ideen sammle und diese dann so lange hin und her schiebe, bis ich mich für die interessantesten entschieden habe. Danach verbringe ich sehr viel Zeit damit, diese Dinge möglichst direkt und gleichzeitig auch sehr offen zu beschreiben. Ich muss mich dabei immer wieder selbst bremsen, denn sonst würden die Texte wohl nie rechtzeitig fertig. Aus diesem Grund schreibe ich die Songs auch erst, wenn wir schon ein Studio gebucht haben. Ich brauche diesen zeitlichen Druck, um gut arbeiten zu können. So laufe ich auch nicht Gefahr, mich zu sehr zu hinterfragen und in Selbstzweifeln zu ertrinken, wenn ich über meine Arbeit nachdenke.

Vermeidest du es gleichzeitig auch, dir im Nachhinein noch großartig Gedanken über einzelne Songs zu machen, die schon veröffentlicht wurden?

Ja, das würde auch keinen wirklichen Sinn ergeben. Natürlich gibt es alte Songs, die wir geschrieben haben, die mit unserer heutigen Erfahrung ganz anders klingen würden. Auch die Qualität der Aufnahmen war zu Beginn ja viel schlechter als heute. Sollte ich mir unsere Songs diesbezüglich noch mal anhören, würde ich wohl in die gleichen Zweifel verfallen wie mit meinen Lyrics. Da wir damals ja kaum Geld und schon gar keine Ahnung hatten, haben wir in relativ kurzer Zeit einfach losgelegt und uns nicht darum gekümmert, was schlussendlich daraus wird. Verstehe mich nicht falsch, ich bin sehr stolz auf das, was wir auch zum Teil schon mit 18 geschafft haben.

Würdest du also sagen, dass Geld doch eine Rolle dabei spielt, ob ein Album oder eine Band interessanter klingt?

Wenn Geld zur Verfügung steht, hast du einfach andere Möglichkeiten. Zum einen wäre da der Einsatz eines Produzenten, der sich quasi als Bindeglied zwischen Band und Außenwelt immer mal wieder einschalten kann und die Musik definitiv beeinflusst. Wie gesagt, zu Beginn unserer Karriere hatten wir nicht wirklich einen Plan von dem, was für uns gut funktioniert. Natürlich hatten wir Glück und ein gutes Riff klingt einfach gut – egal ob du es auf einer billigen Gitarre spielst oder einer teuren. Wenn da aber noch eine weitere Person am Start ist, die eine Menge Know-how mitbringt, kannst du als Band davon nur profitieren.

Lass uns zurück zu deinen Texten auf „Nothing Left To Love“ kommen. Mir ist aufgefallen, dass du auf dieser Platte stellenweise auch mit religiösen Zitaten oder Bildern spielst, wie zum Beispiel in „Paradise and plagues“ oder „Nothing left to love“.

Wir sind definitiv nicht religiös, um das hier noch mal ganz klar festzuhalten. Ich habe manche Wörter oder Themen aus der Bibel deshalb gewählt, weil sich darunter wohl die meisten etwas vorstellen können. Ich verwende religiöse Metaphern, um mit anderen Menschen meine Gedanken oder Emotionen zu teilen. Schließlich hat fast jeder von uns ein Bild vor Augen, wenn es um solche Dinge wie ein Kruzifix geht. Das Ganze soll dabei helfen, den Zugang zu meinen Gedanken zu vereinfachen.

Um wen geht es in „Your own knife“, wenn du singst: „I should have let you die / And I live with the regret of my decision“? Dieser Song birgt meiner Meinung nach auch eine politische Botschaft, wenn du über die Enttäuschung sprichst, nachdem deine Hoffnungen nicht erfüllt wurden.

Ich möchte hier ungern zu sehr ins Detail gehen. Der Song handelt von Leuten in meinem Leben, denen ich vielleicht nicht so sehr hätte vertrauen sollen. Irgendwann kam es mal zu seiner Situation, dass diese Personen etwas sehr Schräges und Gemeines mit einem meiner Freunde abgezogen haben. Ich habe damals einfach zu wenig dagegen getan und das bereue ich bis heute. Ich hätte einfach viel präsenter sein müssen und mich ganz klar dagegen positionieren sollen. Dazu kommt das Gefühl, dass ich meinen Freund durch meine Untätigkeit noch mehr enttäuscht habe. Das kann man jetzt vielleicht auch auf eine politische Situation übertragen, dass man sich vor allem jetzt in diesen komischen unruhigen Zeiten engagieren und für die eigenen Werte aufstehen sollte. Mich macht es enorm wütend, dass manche Menschen mit ihren Taten durchkommen und einfach ungestraft weitermachen können. Ich habe gelernt, dass es auch für einen selbst immer besser ist, aufzustehen und sich für andere einzusetzen.

Was steckt hinter Zeilen wie „I am the blade forced into my face / Rearranging features for the pleasure of perfection“ aus „Cherished“?

Als wir während der Produktion zu „Nothing Left To Love“ über diese Stelle gesprochen haben, kam unser Produzent Will zu mir und meinte, dass ich wie ein übergeschnappter Psychopath klingen würde. Dabei geht es in dem Song um die Probleme, die ich mit meinem eigenen Körper habe beziehungsweise wie ich mich in meiner eigenen Haut fühle. Dabei bin ich selbst das Messer, das mich so aussehen lässt, wie ich es gerne hätte und wie ich andere glücklich machen könnte. Im Refrain des Songs geht es darum, wie sehr ich mich manchmal aufgrund enormer Selbstzweifel verschließe und von anderen distanziere.

Würdest du also sagen, dass COUNTERPARTS für dich so etwas wie eine Therapie sind?

Durch die Band habe ich die Möglichkeit, mich zumindest für kurze Momente aus diesem Loch zu ziehen und mir auf Konzerten die Selbstbestätigung zu holen, die ich offenbar immer wieder benötige. Es gibt mir Kraft, in einem Raum zu sein, der voller Energie ist. Energie, die wir ausströmen und die andere ansteckt. Deshalb würde ich auch am liebsten nur vor Leuten spielen, denen COUNTERPARTS fast genauso viel bedeuten wie mir. Auf der Bühne geht es mir definitiv immer besser.