CREEPER

Foto© by Andy Ford

Biss and die Grenzen des guten Geschmacks

Will Gould oder besser William von Ghould, wie sich der Frontmann der britischen Band in seiner Inkarnation als Vampir nennt, ist gut auflegt. Es wird viel gescherzt und gelacht, so wie man die sympathischen CREEPER auch schon früher kennen gelernt hat. Auf ihrem dritten Album „Sanguivore“ geht es vordergründig natürlich wieder ziemlich düster zu. Dahinter steht allerdings eine Band, die sich mit blutrünstigen Vampirgeschichten amüsiert, während sie musikalisch Referenzen von THE DAMNED über MEAT LOAF bis Céline Dion verarbeitet. In CREEPER schlummert definitiv mehr Punk-Attitüde als in den meisten selbsternannten Punkbands.

Beim Hören von „Sanguivore“ bekommt man das Gefühl, dass eine begleitende Graphic Novel mit blutigen Vampirgeschichten absolut passend wäre. Habt ihr über so etwas auch mal nachgedacht?

Beim letzten Album haben wir auch schon über eine Graphic Novel gesprochen. Am Ende haben wir aber einfach so viel gemacht, dass zu viele Projekte in der Schwebe waren. Trotzdem, ja, es wäre wirklich eine tolle Sache. Wir schreiben häufig auf eine Weise, als ob wir einen Film vertonen würden. Das war schon immer so, aber bei diesem Album hat sich das noch mal gesteigert. Die Idee war, dass es ein Bild in deinem Kopf malt, aber trotzdem fände ich die Idee eines CREEPER-Comics sehr reizvoll. Ich habe früher viele Comics gelesen und wahrscheinlich stammt ein Großteil unserer Ideen unbewusst daher. Genauso liebe ich es, Musikvideos zu machen. Wenn es nach mir ginge, würden wir einen Film zum Album drehen oder ein Buch dazu schreiben. Aber bei all diesen Dingen sind die Faktoren Zeit und Geld immer entscheidend, besonders in dieser Branche heutzutage.

Ihr tragt auf „Sanguivore“ eure musikalischen Einflüsse noch viel offensichtlicher zur Schau als zuvor. Stimmst du mir diesbezüglich zu?
Ja, absolut. Aber vor allem gehen sie bei diesem Album in eine einheitlichere Richtung. Bei der letzten Platte haben wir mit einigen Britpop-Elementen gearbeitet, diese jedoch durch eine Americana-Brille betrachtet. „Sanguivore“ ist ein ebenso vielfältiges Album mit einigen Wendungen, aber die Einflüsse liegen näher beieinander, auch hinsichtlich des Jahrzehnts, aus dem sie stammen. Es ist ein Achtziger-Jahre-Album, vielleicht auch Siebziger. Wenn das Album punkig ist, ist es Punk aus den späten Siebzigern, so wie bei THE DAMNED oder frühen MISFITS. Es geht um die Brachialität dieser Musik. Wenn es wirklich groß und opulent ist, dann sind es MEAT LOAF, ­ORCHESTRAL ­MANOEUVRES IN THE DARK und Céline Dion. Natürlich haben wir bei den Balladen an „Murder Ballads“ von NICK CAVE & THE BAD SEEDS gedacht und es standen auch DANZIG und SISTERS OF MERCY bei den neuen Songs Pate. Auf unserem letzten Album haben wir uns auf Dinge bezogen, die aus den Siebzigern stammen, gemixt mit Einflüssen aus den Neunzigern. Zwischen diesen Sounds klaffte ein großes Loch. Das ist bei „Sanguivore“ nicht der Fall. Vieles davon geht auf Tom Dalgety zurück, der das Album produziert hat. Er ist bekannt für seine Arbeit mit GHOST. Er hat es geschafft, eine Menge unserer Ideen konsequent zu halten. Natürlich findet sich in fast jedem Song eine Anspielung und ein Augenzwinkern. Wenn du ein Ohr für so etwas hast, kannst du dich auf die Suche nach diesen Dingen machen. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass junge Leute, damit eine ganze Menge alter Musik entdecken.

Großartig, du hast wirklich alle Bands genannt, die einem beim Hören der Songs in den Sinn kommen. Als ich das Album zum allerersten Mal gehört habe, musste ich laut loslachen, als „Lovers led astray“ begann, denn ich hatte sofort „Mother“ von DANZIG im Kopf.
Ja, der ist lustig, weil es gewissermaßen zwei Songs in einem sind. Es beginnt mit diesem sehr offensichtlichen Tribut an „Mother“, dann geht es in einen elektronischen Bass-Sound über – der ist vielleicht das Tanzbarste, was wir bisher gemacht haben. Wie gesagt, immer mit einem Augenzwinkern. Es ist großartig zu hören, dass wir diese Reaktionen bei dir auslösen . Als ich das Album zum ersten Mal meiner Freundin vorgespielt habe, musste sie bei „Further than forever“ ebenfalls lachen. Sie meinte, der Song sei so großartig albern und der ganze Text voller kleiner Gags, zum Beispiel „I’m Jesus in a stripclub giving head“. Es geht darum, wie weit man gehen kann, ohne dass es zu einer Parodie wird. Das ist ein wichtiger Teil des Spaßes dabei.

Ihr habt auch eure Präsenz in den sozialen Medien neu definiert und lasst jetzt den fiktiven Charakter Darcia an eurer Stelle sprechen. Was steckt dahinter?
Das kommt von der Schwierigkeit, eine Band im Jahr 2023 zu sein. Ich habe angefangen, es zu hassen, wie andere Bands mit Social Media umgegangen. Da erzählt jeder ständig dasselbe. Da ist dieses Betteln und diese Falschheit in allem. Wir ertragen es nicht, so was zu tun. Wir wollen niemanden dazu nötigen, etwas vorzubestellen oder sich etwas anzuhören. Vor allem möchte ich die Leute nicht wie Idioten behandeln. Jeder weiß, dass Bands das tun. Wenn du durch deine Timeline scrollst, landest du in dieser Art Vakuum von Leuten, die alle auf dich einreden und dich anschreien: „Kauft diese Platte! Wir gehen auf Tour!“ Wir dachten uns: Wäre es nicht viel interessanter und unterhaltsamer für alle, wenn wir, anstatt den Leuten etwas vorzugaukeln, etwas machen, das offensichtlich gefaket ist? Darcia ist ein erfundener Charakter, der über uns und die Dinge lacht, die wir selbst an uns lustig finden. Ich habe das Gefühl, dass sie unseren Inhalten ein wenig mehr Wahrhaftigkeit verleiht. In meinen Augen steigert das den Punk-Faktor und es ist auch echter, weil es eben ganz offen gefaket ist. CREEPER sind eine Band, die sich fast ausschließlich mit Fantasy-Themen befasst, und so ergibt es Sinn, eine ausgedachte Darcia as Sprecherin zu haben. Und die Leute lieben sie! Sie haben den Witz verstanden. CREEPER haben für mich Ähnlichkeit mit etwas, das du auf einer Comicmesse oder so findest, wo es Cosplay gibt. Alle wissen, dass es sich um Verkleidungen und Spaß handelt. Wir sind etwas, das man eher auf einer Horror-Convention sieht als an einem Ort, wo traditionell Musik stattfindet.