KVELERTAK

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Erlends und Kjetils Erbe

Den Sänger einer Band zu ersetzen, heißt das Gesicht einer Band zu transplantieren. Und nicht nur das: die Texte, die Bühnenshow, alles anders. Das kann auch gewaltig in die Hose gehen. Siehe PENNYWISE und Zoli Téglás. Im Fall von KVELERTAK scheint es eine echte Verbesserung zu sein. Dabei ging es Schlag auf Schlag. Mitte Juli 2018 verkündete Sänger Erlend Hjelvik seinen Ausstieg. Gerade mal eine Woche später wurde sein Nachfolger präsentiert: Ivar Nikolaisen, Sänger von THE GOOD, THE BAD AND THE ZUGLY. Mit ihm zusammen haben die Norweger inzwischen ihr viertes Studioalbum „Splid“ aufgenommen, erzählt uns Gitarrist Vidar Landa.

Warum ist Erlend nach elf gemeinsamen Jahren ausgestiegen? Und wie habt ihr Ivar gefunden?


Erlend wollte einfach raus. In so einer großen Band zu spielen, ist einfach sehr zeitraubend. Auf Tour gehen, Alben aufnehmen und alles, was es mit sich bringt, ist einfach richtig harte Arbeit. Erlend hatte Lust auf andere Dinge und wollte nicht mehr so viel Zeit für die Band opfern, wie wir anderen das tun. Wir wollten als Band aber weitermachen. Deshalb haben wir einen neuen Sänger gebraucht und die Wahl ist auf Ivar gefallen.

Der Wechsel ist ja sehr schnell gelaufen. Man könnte meinen, ihr hättet das schon länger geplant.

Erlend war schon seit ungefähr einem Jahr hin- und hergerissen und hatte mehrfach angekündigt, dass er aussteigen will. Wir hatten also schon eine ganze Weile überlegt, wer ihn ersetzen könnte. Ivar hat damals schon lange in unseren Hinterköpfen eine Rolle gespielt. Schon ewig stand fest, wenn Erlend geht, nehmen wir Ivar. Als es dann soweit war, hatten wir Ivar aber noch gar nicht gefragt. Deshalb waren wir ziemlich happy, als er sofort zugesagt hat. Wir hatten ziemlich Schiss vor der Situation, wenn er uns abgesagt hätte. Er war so ziemlich der Einzige, mit dem wir uns eine Zukunft mit KVELERTAK vorstellen konnten.

Ivar ist ja eine echte Rampensau. Ich habe ihn mal mit seiner anderen Band THE GOOD, THE BAD AND THE ZUGLY gesehen.

Ivar ist ein großartiger Bühnen-Performer. Wir kennen ihn schon eine ganze Weile. Wir haben früher Bands supportet, in denen er gesungen hat. Er war einer der ersten, den wir um Gast-Vocals auf unseren frühen Demos gebeten haben. Wir sind schon viele Jahre Fans von ihm. Wir finden es also extrem cool, dass er jetzt Teil unserer Band ist.

Wie macht er das parallel zu THE GOOD, THE BAD AND THE ZUGLY? Die haben ja gerade auch ein neues, großartiges Album veröffentlicht.

Das ist nicht anders als bei anderen von uns, die noch weitere Bands nebenbei haben. Man muss die unterschiedlichen Termine eben miteinander vereinbaren. TGTBATZ spielen auch lange nicht so viele Konzerte wie wir. Sie planen eine kleine Tour zum neuen Album und eine Handvoll Festivals. Aber einige in der Band haben ganz normale Jobs und können gar nicht so viel spielen. Das Meiste läuft an Wochenenden und im Januar. Mitte Februar kommt dann unser Album raus. Ich denke, der neue Job macht Ivar richtig Spaß, und wenn man etwas gerne macht, findet man auch Zeit dafür.

Was ist anders mit Ivar?

Das kann ich noch gar nicht so richtig sagen. Wir haben erst eine Handvoll Shows zusammen gespielt. Er ist einfach ein ganz anderer Typ als Erlend. Irgendwie fühlt es sich an, als hätten wir wieder die Energie unserer Anfangstage. Sein erster Auftritt mit uns war auf einem kleinen Festival etwa eine Stunde Fahrt entfernt von Oslo. Dort in der Nähe ist er aufgewachsen. Ivar hat in Norwegen einen sehr guten Ruf, weil er schon in so vielen coolen Bands gesungen hat. Und viele freuen sich, ihn jetzt öfter auf der Bühne zu sehen, denn vor KVELERTAK hat er die meiste Zeit als Zimmermann gearbeitet. Seine erste kleine Tour war mit MASTODON Anfang 2019 und die Fans haben sehr positiv auf ihn reagiert. Selbst diejenigen, die ihm skeptisch gegenüberstanden, hatte er nach diesen Shows wohl überzeugt. Ich kann aber gut verstehen, dass es für manche Leute hart ist, wenn der ursprüngliche Sänger eine Band verlässt.

Was macht Erlend jetzt? Habt ihr noch Kontakt?

Als er ausgestiegen ist, hat sich von allen anderen völlig isoliert. Ich weiß, dass er inzwischen geheiratet hat und sein eigenes Ding macht. Wer weiß, vielleicht taucht er irgendwann mit einer anderen Band wieder auf. Wenn man etwas so lange wie Erlend gemacht hat, ist es schwer, dauerhaft etwas anderes zu machen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Haben sich die Texte von KVELERTAK mit Ivar verändert?

Wir alle haben eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie Texte von KVELERTAK aussehen sollen. Diesmal haben wir ein bisschen tiefer in lokalen Mythen und Geschichten gekramt. Themen, die auch auf alten KVELERTAK-Alben eine Rolle gespielt haben. Epische Geschichten, die typisch für Heavy-Metal-Bands sind. Einige von Ivars Texten sind aber auch persönlicher als die von Erlend. Und irgendwie auch direkter und unverblümter.

Es gab ja noch einen anderen Wechsel bei KVELERTAK. Drummer Kjetil hat ebenfalls die Band verlassen. Warum?

Bei Kjetil war es letztlich ähnlich wie bei Erlend. Er wollte schon lange Zeit aussteigen und wir haben ihn mehr oder weniger gezwungen zu bleiben. Für ihn war die Entscheidung wirklich hart, weil ihm die Zeit mit KVELERTAK immer viel Spaß gemacht hat. Gleichzeitig wollte er immer mehr Zeit zu Hause verbringen. Als wir das neue Album geschrieben haben, hat er den richtigen Zeitpunkt gesehen, die Reißleine zu ziehen. Das war zwar sehr traurig, aber irgendwie auch eine Erleichterung für ihn, weil es ihm einfach nicht mehr so gut ging, wie es ihm eigentlich gehen sollte mit uns. Seine andere Band, TEMPEL, in der auch seine Brüder Inge und Espen sind, hat er übrigens auch verlassen. Momentan engagiert er sich sehr leidenschaftlich für den Erhalt der Wälder in der Gegend, in der er wohnt.

Dann gibt es mit BEACHHEADS nur noch ein weiteres Seitenprojekt von KVELERTAK-Jungs. Die Indiepop-Band von Marvin und dir. Was passiert da gerade?

Unser Sänger hat Zwillinge bekommen. Marvin ist auch Vater geworden und hat zwischen den Touren viel Zeit zu Hause verbracht. Außerdem waren wir natürlich mit KVELERTAK sehr beschäftigt. Deshalb war es schwer, einen Termin für ein neues Album zu finden. Aber wir sind voll motiviert und haben schon etwa die Hälfte der Songs für ein neues Album geschrieben. Bis zu dessen Release wollen wir noch ein paar Singles rausbringen, aber einen verbindlichen Zeitplan gibt es noch nicht.

Zurück zu KVELERTAK. Warum habt ihr euch entschlossen, im Studio wieder mit Kurt Ballou von CONVERGE zu arbeiten? Euer letztes Album „Nattesferd“ hattet ihr ja selbst produziert.

Bei all den Veränderungen hat es sich einfach richtig angefühlt, zu Kurt zurückzukehren. Er hat bei unseren ersten beiden Alben hervorragende Arbeit geleistet und wir wollten wieder anders klingen als auf „Nattesferd“. Ich mag dieses Album und es hat mir auch sehr gefallen, alles live aufzunehmen, aber Kurt ist wirklich die beste Option für uns. Er arbeitet unglaublich strukturiert, das ist eine große Hilfe bei sechs Musikern. Das war sehr wohltuend, nachdem wir das letzte Album selbst aufgenommen hatten. So konnten wir uns wieder mehr auf die Musik konzentrieren. Abgesehen davon, wie großartig er vor allem mit Gitarrensounds umgeht, macht es einfach riesigen Spaß, mit ihm zu arbeiten.

Wofür steht der Albumtitel „Splid“? Übersetzt heißt das Zwietracht.

Die englische Übersetzung heißt „Discord“. Das beschreibt, wie wir unsere Welt heute sehen. Es geht um die westliche Maßlosigkeit und Unersättlichkeit, unsere eigene Dummheit und den Abgrund, an dem unser Planet steht. Es geht aber auch um die zunehmende Polarisierung, um die Trennung zwischen Licht und Dunkelheit. „Splid“ fasst einfach die verschiedenen Themen auf dem Album gut zusammen.

Leider kann ich kein Norwegisch. Gib mir doch mal ein paar Beispiele, worum es in den Songs geht.

Bei der ersten Single „Bråtebrann“ geht es zum Beispiel um den alten Brauch in Norwegen, im Frühjahr auf dem Land alten Kram im Garten oder im Hof zu verbrennen. Daraus entwickeln sich ziemlich oft üble Waldbrände. Das ist ziemlich oft in der Gegend passiert, in der Ivar aufgewachsen ist. Deshalb wurde er oft verdächtigt, dafür verantwortlich zu sein. „Rogaland“ ist dagegen ein kritischer Song über die Gegend rund um Stavanger, wo wir uns gegründet haben. Die Stadt gilt als Öl-Hauptstadt von Norwegen. Im Song „Tevling“ wiederum geht es um Wettbewerb. Das ist ein altes Wort, das eigentlich kaum noch benutzt wird. Ein Wettbewerb wie die Olympischen Spiele. Für viele Menschen fühlt sich das Leben wie ein Wettlauf an. Wenn man da nicht mithalten kann, wird es schnell ziemlich dunkel.