CUTTHROAT BROTHERS

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Haare schneiden macht Spaß

Die Namen der beiden Barbiere: Jason Cutthroat (Gesang, Gitarre) und ... Donny Paycheck (Drums). Donny Paycheck? Der wohlinformierte Rockmusikfan sollte jetzt aufmerken: genau, der einstige ZEKE-Drummer, der bei der Reunion neulich fehlte, taucht hier wieder auf, ist also auch noch musikalisch aktiv – abends, nach dem Barbieren. Jason ist ein alter Kumpel von Donny, man beschloss irgendwann, zusammen Musik zu machen – und buchte für diese Premiere gleich Studiozeit bei Jack Endino, überraschte diesen mit dem Bekenntnis, noch nie zusammen gespielt zu haben. Der ließ sich schnell besänftigen, nahm einfach auf und das Ergebnis in Form des titellosen Albums von 2018 kann sich hören lassen: Mit der Reduziertheit, die so eine Duo-Besetzung mit sich bringt, wandeln die beiden Messermänner auf den Spuren von THE GUN CLUB und THE JESUS AND MARY CHAIN. Das tun sie auch auf dem zweiten Album „Taste For Evil“ und so war es Zeit für ein Friseurgespräch.

Wie habt ihr euch kennen gelernt – war das als Musiker oder als Friseur?

Donny:
Wir haben uns Anfang der Neunziger Jahre kennen gelernt, als unsere Bands zusammen spielten, aber so richtig kam das erst über unsere Liebe zu Hawaii und dem Friseurgewerbe. Er hat eine Produktlinie rausgebracht und ich habe sein Shampoo gekauft, als er hier in Tacoma war und Promo dafür machte. So haben wir uns wiedergetroffen, das war sechs oder sieben Jahre bevor wir jemals daran dachten, zusammen Musik zu machen.

Ich kenne Donnys musikalischen Hintergrund – ZEKE –, was ist mit dir, Jason?

Jason:
Ich war in einer Band namens THE MAN, als ich in Los Angeles lebte. Wir hatten ein paar Auftritte und spielten mit Bands wie BLACK LIPS, THE CHERRY VALENCE, AUTOLUX, LORDS OF ALTAMONT oder METRIC. Die hatten alle gerade erst angefangen, es war schon eine lustige Zeit. Ich hatte ein paar Bands während und nach der Highschool, mit Namen wie KRUSTY PUP ... Typischer Pacific-Northwest-Sound.

Es scheint, dass Punkrock-Barbiere „öffentlich“ nicht wirklich zu ihrem Job stehen. Bei Derek von DEFEATER zum Beispiel wurde nur zufällig bekannt, was er im wahren Leben macht, und das habe ich schon öfter mitbekommen.

Donny:
Ich denke, einige wollen sich ihr Rockstar-Image bewahren. Ich verstehe das, aber an diesem Punkt in meinem Leben muss ich einfach ehrlich sein. Ich habe früher nur Musik gespielt und mir davon meinen Lebensunterhalt finanziert, aber es ist schwer, über die Runden zu kommen, besonders wenn Mitglieder deiner Band nicht 250 Tage im Jahr touren können, weil sie Kinder haben oder verheiratet sind. Jason und ich sind eigentlich Friseure, wir erzählen nur unsere Geschichte und ich denke, die Leute können sich damit identifizieren. Wir arbeiten hart, um die Rechnungen zu bezahlen und dann gehen wir raus, spielen Musik und machen Platten aus Spaß. Wir haben das Beste aus beiden Welten: Haare schneiden macht Spaß, Musik machen macht Spaß, auf Hawaii herumhängen macht Spaß.

Jason: Ich verstehe nicht, warum man das verschweigen sollte. Bei uns ist es einfach so, dass die Band wirklich nur das ist, was wir als Menschen sind. Wir wurden schon mal gefragt, ob es sich um eine Art Inszenierung handelt, aber das ist es nicht. Offensichtlich schneiden wir bei der Arbeit keinem Menschen die Kehle durch, dieser Teil ist Theater, aber Haare schneiden ist nun mal das, was wir tun. Also sehe ich auch keinen Grund, nicht darüber zu reden. Das alles passt auf eine blutige, lustige Art und Weise zusammen.

Ihr spielt mit dem Friseur-Image – der Name eurer Band, die blutigen Hemden auf eurem Debütalbum-Cover, die Rasierklinge auf dem neuen Album, das Backcover ... Sind da noch weitere Aspekte?

Donny:
Ja, das sind alles wir, bis auf die blutigen Hände, die sind Quatsch, alles andere ist wahr. Es gibt so viele Motive, die mit Friseurhandwerk und Musik zu tun haben, dass wir nicht lange nach Inspiration suchen müssen, sondern einfach auf unseren Job zurückgreifen können. Der Name kam uns nach etwa fünf Minuten, als wir uns am Telefon unterhielten. Wir hatten ähnliche Vorstellungen. Ich schlug etwas vor und dann platzte es aus Jason heraus: THE CUTTHROAT BROTHERS! Ich würde gerne für einer Show mal eine große Bühne inszenieren, auf der wir Friseurstühle aufstellen, im Hintergrund ein Bild aus dem Inneren eines Friseursalons. Die Bühne unter uns bestünde aus Schädeln und dann erledigen wir unseren Job im blutigen „Sweeney Todd“-Style.

Jason: Zum Glück mussten wir nicht allzu lange überlegen, um Ideen für den Namen oder das Artwork zu finden, weil wir beide in dieser Branche tätig sind. Die lange Liste der möglichen Bandnamen, die jede Band herumliegen hat, ist irgendwie ein schmerzhafter Prozess, nicht wahr? Dass sich unsere Musik in dunklere Gefilde verlagert, macht es, was das Künstlerische angeht, noch besser. Nochmals, es ist wirklich nur das, was wir als Menschen sind. Mike Watt, bekannt durch MINUTEMEN und STOOGES, hat beispielsweise Bassspuren für die neue Platte aufgenommen, diese aber später als erwartet geliefert. Wir überlegen noch, wie man diese auch rausbringen kann. Aber stell dir Mike Watt vor verkleidet als blutiger Barbier für eine Show oder ein Fotoshooting! Es funktioniert nicht, oder? Er müsste wohl erst mal aufs Barber College gehen, bevor wir diese Idee umsetzen können.

In Deutschland ist der Friseurberuf ein unterbezahlter Job, der meist von Frauen ausgeübt wird, da man eine Familie nicht mit einem Verdienst im Bereich des Mindestlohns ernähren kann. Also ist es schwer zu überleben, wenn man keinen eigenen Salon hat. Wie sieht es in den USA aus?

Donny:
Das Friseurhandwerk geht auf die frühen Tage zurück, als Friseure noch hoch geschätzt wurden, denn die Reichen waren die einzigen Menschen, die sich einen Friseur leisten konnten. Barbering ist in den USA wieder auf dem Vormarsch. Ich denke, dass du bekommst, wofür du bezahlst. Wenn du ein Mann bist und gut aussehen willst, besuche einen Friseur.

Jason: Das ist interessant. Barbering hat hier in den USA eine Renaissance erlebt, eine neue Popularität bei Männer und Frauen. Mit Social-Media-Plattformen ist es ziemlich einfach, seine Arbeit sichtbar zu machen. Ein Rasiermesser an das Gesicht von jemandem zu halten, ist unbezahlbar.

Habt ihr einen eigenen Salon, seid ihr auf etwas spezialisiert?

Donny:
Ich besitze den Supernova Barbershop, dort wurde übrigens auch das „Kill 4 U“-Video gedreht. Ich bin spezialisiert auf Herrenhaarschnitte, Bartpflege und klassische Rasuren.

Jason: Ich habe einen mobilen Friseursalon auf Hawaii, wo ich auch lebe. Für mich ist es einfach, zwischen zwei Terminen einen Abstecher zum Strand einzuschieben. Ich werfe nur meine Ausrüstung in den Jeep und fahre los. Ich hatte auch einige Jahre lang einen eigenen Laden, aber ich genieße jetzt meine Freiheit.

Ihr habt mit Jack Endino aufgenommen. Nun, ich verehre ihn als Produzent und als Musiker, ich habe SKIN YARD geliebt und die 1991 oder so mal live gesehen. Was hat euch dazu gebracht, mit ihm aufzunehmen?

Donny:
Ich habe schon viele Platten mit Jack aufgenommen, er weiß, wie ich klingen will. Ich habe mit ihm sicher schon bei zehn oder mehr Aufnahmesessions zusammengearbeitet, und so dauert es jetzt gerade mal eine Stunde, um den richtigen Drumsound hinzubekommen. Wir stimmen auf die gleiche Weise und hören die Sounds auf die gleiche Weise, wir sind Freunde und das macht es auch einfach, mit ihm zu arbeiten. Jack hat die Fähigkeit, das Besten aus mir herauszuholen und uns dazu zu bringen, noch mehr zu tun, wenn wir denken, dass wir schon fertig sind. Er presst den letzten kreativen Tropfen aus dir heraus. Außerdem ist er sehr schnell – er bearbeitet, während wir aufnehmen, und macht Sachen, die mit jemand anderem viele zusätzliche Stunden kosten würden. Außerdem ist er ein großartiger Kerl, ich liebe es, mit ihm abzuhängen, er ist ein Freund.

Jason: Jack weiß alles über Musik. Er ist perfekt für Anfänger. Er kann einen Gitarrenverstärker von Grund auf neu bauen. Er macht keinen Schwachsinn, kein Rumgeeier. Er hasst es, Zeit zu verschwenden. Jack ist schon eine Nummer für sich. Aber so konnten wir in drei, vier Tagen ein komplettes Album aufnehmen und abmischen. Er drängt auch ständig auf mehr Songs. „The king is dead“ ist der letzte Song, den wir für „Taste For Evil“ aufgenommen haben. Mir waren die Ideen ausgegangen, aber Jack und Donny machten Druck, also schrieben wir es im Studio. Ehrlich gesagt war ich zu dieser Zeit so erschöpft, dass ich mich nicht mehr erinnere, es aufgenommen zu haben, aber es ist mein Lieblingsstück auf der neuen Platte. Das ist der Raum, in dem Jack zu gedeihen scheint, wenn alles leer zu sein scheint, und dann holt er noch mehr raus. Es grenzt fast an Magie.

Arbeitet ihr bewusst als Duo oder war das mehr Zufall?

Donny:
Das hat sich so ergeben. Jason, meine Frau und ich sind seit sechs oder sieben Jahren befreundet, weil wir alle unsere eigenen Salons besitzen. Meine Frau hat auch ihren eigenen Salon und Jason hatte einen Laden auf Hawaii. Wir sprachen nie darüber, Musik zu machen, wir hingen einfach am Strand herum und beschwerten uns darüber, wie schwer es ist, der Chef zu sein. Eines Tages, Anfang 2018, rief mich Jason an und sagte: „Hey, ich wollte ein paar Songs mit ein paar Freunden aufnehmen, aber sie haben kalte Füße bekommen und da kam ich auf dich, ich dachte, ich könnte dich ja mal anrufen und fragen, ob du mit mir aufnehmen willst.“ Ich sagte zu, ich hatte seit meinem Ausstieg bei ZEKE nichts mehr gemacht. Ich fragte ihn, ob er mit Jack aufnehmen würde, und er sagte ja. So einfach war das, ich schrieb Jack an und buchte das Studio. Als Jason im März 2018 hier auftauchte, hatten wir noch nie eine Note zusammen gespielt. Er hatte mir einige Skizzen von Liedern in Form von iPhone-Aufnahmen geschickt, und das ist alles, woran ich mich orientieren konnte. Als wir beim Soundhouse auftauchten, fragte Jack: „Habt ihr alle eure Songs zusammen?“ Jason antwortete: „Nein, wir haben noch nie zusammen gespielt.“ Jack verdrehte nur die Augen, was wohl heißen sollte „Was zum Teufel!?“ Ich versprach ihm, das wäre schon alles „okay“, und drei Tage später hatten wir unsere erste LP im Kasten.

Jason: Als wir anfingen, wussten wir nicht, was es werden würde. Im Laufe der Zeit dachten wir, dass wir keine weiteren Mitglieder mehr brauchen und dass es für uns gut klingt, also beließen wir es bei einem Duo. Für uns fühlt es sich richtig an. Wir streiten uns nicht und es geht bei uns im Gegensatz zu einigen Bands, wo immer jemand auf der Bremse steht, immer nach vorne.

Welche Bands sind die musikalische Grundlage eurer Band? Ich habe GUN CLUB und THE JESUS AND MARY CHAIN in meinem Review erwähnt ...

Donny:
Ich liebe EAGLES OF DEATH METAL, THE HIVES, THE STROKES, THE CRAMPS, MUDHONEY, NIRVANA ... ich mag catchy Songs, THE BEATLES, die Stones, WEEZER, DEAD BOYS, RAMONES und meine Lieblingsband MOTÖRHEAD.

Jason: Für mich ist „Fire Of Love“ von GUN CLUB meine absolute Lieblingsplatte. Ich liebe auch Brian Wilson, ich habe ihn live gesehen und bei dem Gesang schmolz ich einfach dahin. Donny und ich spielen uns gegenseitig auch gerne eingängige Songs vor, alles, was als Ohrwurm taugt oder gut geschrieben ist. THE CRAMPS und ihr früher Sound. In letzter Zeit auch oft Eddie Cochran. Von den neuen Sachen mag ich THE ATOM AGE, ihr Album „Cry ’Til You Die“ ist gerade erschienen. Wir sind im Seattle der Neunziger Jahre groß geworden, wir werden diesen dreckigen Garage-Sound nicht nicht mehr los, das haben wir einfach im Blut.

Dem Album liegt ein Büchlein bei, das wie eine satanische Bibel aussieht. Es finden sich viele kleine Symbole neben deinen Texten, woher kommen sie, was bedeuten sie?

Jason:
Das sind magische Siegel. Ich bin durch eine „Disinformation“ des schottischen Comicautors Grant Morrison darauf gekommen. Es ist eine wirklich einfache und grundlegende Form des Zauberns. Dir zu verraten, was sie bedeuten, würde den Zauber natürlich ruinieren, also sorry! Die Bibel ist eine große Inspirationsquelle für meine Ideen, aber wahrscheinlich nicht so, wie du dir das vorstellst. Mein Vater war Prediger und meine Kindheit war geprägt von allen möglichen grausamen Bildern, mit denen ich durch meine Erziehung konfrontiert wurde. Siegelmagie ist eine amüsante Möglichkeit, die Kräfte des Universums zu lenken. Ich kann es dir nur empfehlen.

Donny: Es sind geheime Zeichen, die dazu bestimmt ist, eine magische Wirkung auf eine Person oder Gegenstände auszuüben. Die Zauberformel kann gesprochen oder gesungen werden, eine Beschwörung kann auch während zeremonieller Rituale oder Gebete durchgeführt werden. In der Welt der Magie wird das Zauberern, Hexen und Feen zugeschrieben.