STAKE

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Kein Plan, kein Konzept

Das belgische Quartett – bestehend aus Brent, Joris, Jesse und Cri – änderte seinen Bandnamen 2018 von STEAK NUMBER EIGHT in STAKE, nun erscheint das erste Album, „Critical Method“. Am Sound hat sich grundsätzlich nichts geändert, es gibt weiterhin Post-Metal und Sludge, kreativ gestaltet und energetisch vorgetragen. Wir sprachen mit Sänger Brent Vanneste.

Ist „Critical Method“ für dich das fünfte Album der Band oder das erste von STAKE?


Da sind wir etwas zwiegespalten Wir haben viel miteinander erlebt, viel Musik gemacht und haben nun das Bedürfnis, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Besonders der Trauerprozess, den ich wegen des Todes meines Bruders durchlaufen habe, hatte einen großen Einfluss. Es war dringend nötig, einen Abschluss zu finden. Auch bei meiner Mutter hat das immer wieder Wunden aufgerissen, wenn es in Interviews um meinen Bruder ging. Also entschlossen wir uns, den Namen zu ändern.

Hatte dein Bruder damals nicht auch die Idee zu dem Bandnamen STEAK NUMBER EIGHT?

Ja, genau. Aber auch das Bedürfnis, im Hinblick auf unsere Kreativität die nächste Stufe zu erreichen, war ein Entscheidungskriterium. Die neuen Songs sind etwas grober und irgendwie auch weniger emotional. Bei uns läuft immer alles sehr spontan ab und jetzt STAKE zu heißen, fühlt sich einfach richtig an.

Die Transformation, die ihr im Hinblick auf die Namensänderung angekündigt habt, bezieht sich auch auf die Musik. Was hat sich innerhalb der Band verändert?

Es geht jetzt mehr um uns alle und nicht mehr so sehr um mein Seelenleben. Ich war immer sehr introvertiert mit dem Musikmachen beschäftigt, habe dann alles zu den Proben mitgebracht und wir haben dann gemeinsam etwas daraus gemacht. Aber jetzt schreiben wir auch mehr zusammen. Letztendlich sind es schon meistens meine Riffs, aber die komplette Entstehung der Basis läuft jetzt gemeinschaftlich ab. Das ist besser für alle. Jetzt im Moment spreche ich mit dir, aber eigentlich haben wir es so verabredet, dass wir uns abwechseln wollen. Mir gefällt es nicht so, wenn die ganze Aufmerksamkeit auf mir liegt. Das gehört sicher zu den Aufgaben eines Frontmanns, aber ich mag es trotzdem nicht, haha.

Ihr kennt euch schon so lange, seid gut befreundet, und Freunde verstehen sich oft auch ohne Worte. Läuft bei euch viel über nonverbale musikalische Kommunikation?

Gute Frage, denn wir reden wirklich nicht sehr häufig über ernste Sachen. Wobei sich das jetzt auch langsam ändert, weil wir merken, dass es ernster wird mit unserer Musik. Manchmal reden wir jetzt also über das Geschäft, aber davor ging es eher ums Pissen und Furzen, haha. Man kann das eigentlich in unserer ganzen Arbeit sehen, dass bei uns alles sehr intuitiv passiert. Wir tun es erst und denken dann. Manchmal geht das gut und manchmal läuft es dumm für uns. Aber trotzdem ist das für uns der richtige Weg. Man muss nicht immer alles so sehr überdenken und zerkauen.

Sogar einige der Texte auf „Critical Method“ wirken improvisiert, bei „The absolute center“ bin ich mir ziemlich sicher. Wie viel entstand spontan während des Aufnahmeprozesses?

Schön, dass dir das aufgefallen ist. Natürlich gab es Texte, aber die waren nicht fertig, als wir ins Studio gingen. Teilweise habe ich die noch hinter dem Mikro geschrieben, das hört man sicher, aber immerhin sage ich irgendwas, haha.

Darum geht es doch auch, den Moment einzufangen, oder?

Ja, das ist der harte Teil, aber auch irgendwie cool. Es erzeugt natürlich auch Druck, wenn man so arbeiten will. Man hat für das Studio bezahlt, will mehrere Wochen dort sein und wenn dann nichts kommen würde, wäre es schlecht. Aber im Vergleich zu „Kosmokoma“ war das dieses Mal ein großer Unterschied. Die Lieder waren schon fertig, aber komplett offen dafür, jederzeit verändert zu werden. Besonders der Gesang war sehr spontan.

Wenn man das Album am Stück hört, fühlt es sich wie das Ende der Welt an. Das war also diese traurige Stimmung, die dann spontan kam?

Das nehme ich als Kompliment, haha. Es gab keinen Plan, kein Konzept. Ich habe so zwanzig, dreißig Songs geschrieben und diese kamen dann letztendlich in die engere Auswahl.

„Human throne“ eruptiert zu einer Art Wutrede, wie kam es dazu?

Da gab es eine Leerstelle und wir wussten, dass da was rein muss. Es kam dann zu dieser Rede, wir haben auch gleich den ersten Versuch genommen, auch wenn ich da gar nicht mehr im Takt der Musik bin. Trotzdem haben wir es so belassen, weil es einfach cool klingt und die Wut sehr gut spürbar ist.

Bist du manchmal über dich selbst überrascht, wenn du improvisierte Szenen hörst und damit auch, was tief in dir steckt?

Ja, und immer wenn wir ein Album fertig haben, hasse ich es generell die nächsten sechs Monate. Vor einer Woche habe ich mir neue Kopfhörer gekauft, zum ersten Mal ohne Kabel, und das Album darüber gehört. Ich war so überrascht von dem Klang und hatte den Eindruck, dass ich es zum ersten Mal richtig höre. Das war toll und ich war stolz. Das war das erste Mal, dass ich es gehört habe, nachdem ich es letzten Sommer aufgenommen habe. Also zwölf Monate später kann ich jetzt anfangen, es zu lieben. Das läuft immer gleich ab. Ich tauche so tief in den Entstehungsprozess ein, dass ich mein eigenes Album hasse. Beim Mixen bin ich manchmal richtig deprimiert.

Du brauchst wohl einfach die Distanz zu deiner Arbeit?

Ich bin immer noch auf der Suche danach, wie es mir gelingen kann, ein Album zu erschaffen und Freude daran zu haben, haha. Aber letztendlich macht das wohl auch unseren Sound aus.

Dein Gesang ist deutlich besser geworden, achtest du auf deine Stimme?

Nein, ich bin einer der Glücklichen, die sich darum wohl nicht kümmern müssen. Ich wärme mich nicht auf, mache immer Party nach der Show und während der Show. Es ist mir während einer Tour noch nie passiert, dass meine Stimme schlechter wurde. Wenn ich zu wenig Schlaf bekomme, geht mir die Puste aus, aber mit der Stimme läuft alles gut.

Wer hat das Artwork gemacht?

Ein Typ aus Amerika, dem ich auf Instagram folge und dessen Arbeiten ich ganz toll finde. Wir haben das Bild gekauft und dann gefragt, ob wir es für ein Albumcover nehmen können. Die Gestaltung des Innenteils haben Freunde von uns gemacht, also inklusive mir haben dieses Mal vier Leute daran gearbeitet. Das ist für mich immer ein harter Teil der Arbeit. Wenn es darum geht, die Optik zu gestalten, bin ich schon in meinem Tief. Dieses Mal war es besonders chaotisch, haha, aber es gefällt mir sehr gut.

Was bei dem Frontcover auffällt, ist die Tatsache, dass man aus der Nähe gar nicht so viel erkennt und eigentlich einen Schritt zurückgehen muss. Eine schöne Metapher auf alle Probleme im Leben.

Ja, das ist uns auch gleich aufgefallen, je näher man kommt, umso weniger erkennt man. Das mag ich auch daran. Es war eine Art Hassliebe.

Eure Shows sind sehr intensiv. Es macht den Eindruck, als ob ihr wollt, dass jeder Gig für alle Beteiligten eine physische Erfahrung wird. Was bedeutet Musik für dich?

Schwer zu beantworten. Ich glaube, dass ich es wirklich sehr, sehr, sehr brauche. Ich untersuche immer meinen kreativen Kern und versuche herauszufinden, wie ich mich mit Musik ausdrücken kann. Das läuft meistens gar nicht über STAKE, ich mache sehr viele Dinge, auch viel Techno im Moment. Das hat etwas Beruhigendes, man muss nicht so viel nachdenken. Wenn ich dann aber wieder ein halbes Jahr am Stück Techno gemacht habe, dann zieht es mich zur Akustikgitarre. Wenn es also um den kreativen Part geht, wäre das meine Antwort. Aber emotional ist das kaum zu beantworten.

Ich kenne deine Technomusik, ein Teil davon ist wohl in „Doped Up Salvations“ gewandert, hast du dich davon beeinflussen lassen?

Nicht bewusst, aber sicher unbewusst, haha.

Aber STAKE werden immer eine Rockband bleiben?

Auf dem neuen Album finden sich schon einige Loops, such sie. Es gibt ja schon immer Samples, Pads und elektrische Spielereien.

Was war die beste Show, die du je gesehen hast?

SUNN O))). Ich sah sie live und kannte sie vorher nicht, es war ein Jahr, nachdem mein Bruder gestorben ist. Nach vierzig Minuten saß ich total fertig auf dem Boden, ich war wie paralysiert. Meine Mutter war auch dabei, haha, sie und mein bester Freund waren sehr besorgt um mich.

Nadine Schmidt