ZSK

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Mehr Fragen als Antworten

Ende 2020 brachten sie mit „Das Ende der Welt“ ein Album heraus, dessen Titel wie die Faust aufs Auge zu der Zeit passte: Die Pandemie hatte gerade begonnen, nichts ging mehr. Und ZSK aus Berlin hatten irgendwie den Soundtrack zur Misere parat. Nun erscheint der Nachfolger. Und auch der trägt diese Aktualität in sich: „HassLiebe“ spielt an auf die verhärteten Fronten auf der Straße – und nicht zuletzt auf die Fronten, die uns im gleichsam Fluch und Segen bedeutenden Internet begegnen, das gefühlt zunehmend überkocht vor Wut und Pöbelei. Es ist ein Album, das die hohe Relevanz dieser Band im 25. Jahr ihrer Existenz untermauert. Und das Gespräch mit Frontmann Joshi beweist, dass sich ZSK dieser wichtigen Rolle nicht nur voll und ganz bewusst sind, sondern diese auch konsequent leben. Es findet statt backstage in der Düsseldorfer Mitsubishi-Electric-Halle, wo ZSK nach achtstündiger Anfahrt auf das gemeinsame Konzert mit RISE AGAINST am Abend warten.

Joshi, bitte kläre mich auf: Lautet der Titel eures neuen Albums – auf dem Cover vor rot-weißem Hintergrund mit halbem Herz und halbem Totenschädel geschrieben – nun „Hass und Liebe“, „HassLiebe“ oder „Hassliebe“?

Haha, da fängt’s schon an. Das ist alles so ein Wortspiel ... Deshalb haben wir auch diesen Blitz zwischen „Hass“ und „Liebe“ gesetzt. So wie wir es immer machen, wenn wir den Titel irgendwo schreiben. Es ist letztlich ein Spiel mit den Gegensätzen, das man sich selbst auslegen kann: Hass und Liebe. Leben und Tod. Und was wirklich krass ist: Das Cover haben sich jetzt schon mehrere Leute tätowieren lassen! Einer hat es sich sogar quer über die ganze Brust stechen lassen! Ich stelle mir dabei vor: Was ist denn los, wenn im Februar das Album rauskommt – und derjenige die Platte total scheiße findet, haha? Na ja, wird schon nicht passieren. Es ist letztlich einfach schön. Ein tolles Gefühl.

Gesetzt den Fall, du erblickst den erwähnten Fan mit dem Brust-Tattoo demnächst beim Konzert im Publikum: Holst du ihn auf die Bühne, um ihn für seinen Mut und seine Loyalität zu belohnen?
Haha, das weiß ich nicht. Es gibt so viele Leute mit ZSK-Motiven auf dem Körper – wenn ich die alle immer auf die Bühne holen würde, hätten wir da keinen Platz mehr. Aber es geht ja auch nicht nur um Albumcover. Wir reden ja auch von Zeilen und Akkorden der jeweiligen Lieblingssongs dieser Menschen, die da tätowiert wurden. Das ist so unglaublich! Ehrlich! Wobei man trotzdem nicht vergessen sollte, es sind ja nun auch andere Zeiten. Es ist heutzutage nicht mehr so verrückt, sich tätowieren zu lassen, wie es das vor zwanzig Jahren noch war.

Das hat ja auch nicht unbedingt etwas mit Verrücktheit zu tun. Es ist doch vielmehr charmant. Ein Zeichen von Wertschätzung.
Ich meine ja auch eher, es ist nicht mehr so ein krasser Schritt für junge Menschen. Dass sie das machen, ehrt uns auf jeden Fall. Aber wir haben nun wirklich sehr treue und sehr engagierte Fans, denen unsere Texte extrem wichtig sind. Wir bekommen auch viele, viele Mails und handgeschriebene Briefe. Und da stehen ganz tolle, herzzerreißende, bewegende Dinge drin.

Was meinst du, wird man durch genau solche Momente, durch solche Dinge als Band erst wirklich relevant?
Ja, das denke ich schon. Das soll jetzt zwar überhaupt nicht heißen, dass andere Bands schlechter sind. Aber es ist doch echt verrückt: Ich sitze zu Hause, denke mir einen Text aus. Dann machen wir Musik dazu. Dann nehmen wir das alles irgendwann auf Platte auf. Und dann wiederum sehe ich, was für einen Einfluss Worte, die ich mal gefunden habe, auf andere Menschen haben. Ich sehe mich dabei ja selbst nie als Künstler ...

Sondern?
Als Punk-Fan, der irgendwann eine Punkband mitgegründet hat. Und der auf einmal eben einen guten Einfluss auf Menschen hat. Ich meine, uns schreibt ja niemand: „Hey, ich verkaufe jetzt Drogen, weil ihr so tolle Songs macht!“ Überhaupt, was bekommen Rapper wie 187 STRASSENBANDE wohl für Mails? So was wie: „Ich habe meine Freundin zusammengeschlagen wegen eurer geilen Musik!“? Nein. Wir bewegen uns dank dieser Musik in einem Kreis von Menschen, in dem ganz viele Leute schlaue und progressive Gedanken haben. So wie RISE AGAINST, mit denen wir heute unterwegs sind. So eine coole, linksradikale Band. Und trotzdem, das möchte ich festhalten, feiern wir ja auch gerne. Machen Quatsch. Und nehmen nicht alles so bierernst. Das denken viele Leute ja immer. Dass wir da mit erhobenem Zeigefinger stehen. Die müssten alle mal zu unseren Konzerten kommen. Dann würden sie sehen, ZSK machen einfach eine lustige Show. Aber es gibt natürlich neben all dem diesen Grundkonsens, den man nicht vergessen darf.

Der wie genau lautet?
Um es mal cheesy zu sagen: Wir wollen die Welt ein kleines bisschen besser machen.

Bringt es nicht auch eine größere Verantwortung mit sich für euch als Band, wenn eure Fans die Texte so sehr lieben und sie sich so sehr zu Herzen nehmen? Da könnt ihr ja nicht einfach irgendwas raushauen.
Dazu hole ich mal etwas aus: Einmal im Jahr treten wir in Berlin auf, im SO36. Und jedes Jahr machen wir dabei auch ein Kinderkonzert – wir haben ja mittlerweile in der Band und im Freundeskreis sehr viele Kinder und irgendwann ist das ein Selbstläufer geworden. Es kommen immer mehr Anfragen diesbezüglich. Und der Ablauf ist jedes Mal so: Wir machen erst den Soundcheck zum abendlichen Konzert – und dann spielen wir nur für die Kleinen und deren Eltern. Alle bekommen Süßigkeiten. Und beim letzten Konzert waren da knapp hundert Kinder, vom Säugling auf dem Arm bis hin zum Sechsjährigen. Wir sagten uns, alles klar, spielen wir mal unseren Song „Die Kids sind okay“. Aber in dem heißt es ja am Ende: „Fickt euch, wir sind hier noch länger.“ Und da dachte ich im ersten Moment schon: Das kannst du doch jetzt nicht singen. Die sind doch noch viel zu jung dafür! Du hast doch eine Verantwortung! Aber ganz ehrlich, es ist doch alles gut. Wir machen ja nun keinen Scheiß. Und wir haben keine Scheißtexte. So ein einzelner Satz – das ist schon in Ordnung. Und letztlich kann man bezüglich der Verantwortung sagen: Wir tun seit jeher, was wir können. Wir helfen unseren Fans sogar in rechtlichen Dingen, wenn sie nach einer Demo oder so Probleme haben. Und wir versuchen ja auch immer wieder, Soli-Konzerte zu spielen.

Wie viele Anfragen bekommt ihr dafür?
Wir bekommen extrem viele Anfragen. Wir könnten quasi an hundert Tagen im Jahr solche Konzerte geben. Aber so gerne wir das auch machen würden: Das ist natürlich zu viel. Wir können nicht jeder Bitte nachkommen.

Man könnte sich ja mit anderen Bands zu einem Netzwerk zusammenschließen, das dann Acts an Veranstaltende vermittelt.
Auch das ist schwer. Es gibt zwar endlos viele Bands, die da mitmachen würden. Aber die Veranstaltenden von solchen Soli-Konzerten wollen natürlich immer möglichst eine der großen Bands bei sich haben. Mit den kleineren werden nicht so viele Tickets verkauft. Es gibt allerdings im Rahmen unseres Projekts „Kein Bock auf Nazis“ ein Netzwerk namens „Protest Sounds“. Darin sind kleinere Bands, die sich entsprechend gegen Nazis positionieren wollen, organisiert. Und die unterstützen sich untereinander, machen zusammen Konzerte, die wir dann mit „Kein Bock auf Nazis“ promoten. Und das ist cool. Es muss ja nicht mal unbedingt immer um Geld gehen. Es ist doch einfach schön und wichtig, dass etwas passiert.

Was nun passiert: Euer neues Album, wir nennen es jetzt mal „HassLiebe“, kommt raus. „Hass“ ist zwar ein sehr griffiges Wort. Aber auch ein sehr schweres, ein hartes Wort. Wenn meine Tochter zu Hause sagt, sie hasse dieses oder jenes, weise ich sie immer darauf hin, nicht so gedankenlos mit dem Begriff „Hass“ zu spielen.
Ja, ich kenne das, haha. Ich habe ja selber drei Töchter und sage in solchen Situationen immer: „Hey, ‚Hass‘ ist wirklich ein sehr starkes Wort, sag das nicht so daher.“ Aber das ist ja im Falle des Albums auch eine Beschreibung der Welt. In mehrfacher Hinsicht. Wir sind uns ja wohl einig: Hass ist derzeit genug da. An allen Ecken und Enden. Und es gibt ja diese anfangs erwähnte Doppeldeutigkeit: Einerseits der Hass, der rumgeht. Andererseits die Liebe, die positiven Sachen. Leute, die sich engagieren, die helfen, die sich gegenseitig unterstützen, sich solidarisch zeigen. Und dann ist da eben auch diese Hassliebe. Diesbezüglich geht es natürlich auch ums Internet und Social Media. Neun von zehn Leuten, die du fragst, sagen doch: „Oh ja, das hasse ich alles!“ Und trotzdem haben sie alle ihre Accounts. Was ich absolut verstehe. Uns als Band geht es doch genauso. Wir müssen ja auch dort vertreten sein. Dennoch: Wenn du dann wieder diese ganze Scheiße dort liest ... Neulich hatten wir ein Video ins Netz gestellt, in dem wir ein „Fuck AfD“-Banner auf der Bühne zeigen. Und Facebook liebt es in solchen Fällen ja, genau unter dieses Video die ganzen AfD-Fans zu locken. Denen geht es nur darum, dass möglichst viele Leute möglichst lange auf dieser Plattform verweilen. Und dafür sind hitzige Diskussionen ja geil. Je hitziger die sind, umso länger bleiben die Leute schließlich dabei. Und umso mehr Werbung sehen sie. Umso mehr kaufen sie hinterher. Der Algorithmus von Facebook und anderen Plattformen sorgt also für Zwietracht und Hass, weil Zwietracht und Hass gut fürs Geschäft sind. Er sorgt dafür, dass man trotzdem nicht runterkommt von der Plattform. Und dann gibt es natürlich die bekannten Reaktionen ...

Pöbeleien, Beleidigungen ...
Genau. Diese Leute, die da auf unsere Seite kommen, sind ja keine ZSK-Fans. Das sind Leute, die quasi zum Pöbeln dahin verwiesen wurden. Aber dann schreiben uns wiederum ZSK-Fans: „Was habt ihr denn für Fans?“ Und ich muss das dann richtigstellen. Um genau dieses Phänomen geht es bei „HassLiebe“. Nichts ist veränderbar. Es gibt nur harte Meinungen und Anschreien. Es wird auf keine Argumente eingegangen. Es findet keine Diskussion statt. Also wenn es nach mir geht: Internet verbieten. Ganz klar, haha.

Hand aufs Herz: Wie oft hast du auf der langen Fahrt hierher nach Düsseldorf im Bus auf dein Handy geschaut und die sozialen Medien genutzt?
Klar, oft. Ich mache unsere Social-Media-Sachen ja nun mal alle selbst – und manchmal nervt es mich auch, dass man da immer präsent sein muss. Es ist extrem. Aber umso mehr freue ich mich dann auch über die schönen Nachrichten. Und seien wir mal ehrlich, wenn wir Social Media nicht hätten und pflegen würden, würden wie hier womöglich auch nicht sitzen. Manchmal wünsche ich mir auch, dass ich einfach nur Songs zu schreiben und Konzerte zu geben hätte. Aber so ist es nicht. Weil wir eben alles mit Herzblut nach dem DIY-Motto selber machen. Von Social Media bis hin zum Merch, zum T-Shirt-Design, zum letzten Button. Das ist uns wichtig! Natürlich haben wir eine Promo-Agentur und dergleichen. Aber ich sag’s mal so: AC/DC betreuen ihre Internet-Accounts bestimmt nicht selber, haha.

Mit DIY habt ihr 25 Jahre durchgehalten. Das finde ich bemerkenswert. Du auch?
Ja, klar. Ich kann es ja mitunter selbst nicht glauben. Manchmal fragen mich Kids: „Wie alt bist du eigentlich?“ Ich sage dann: „Gerade zwanzig geworden.“ Das klingt dann zwar ein bisschen romantisch, aber ich fühle mich wirklich oft – und gerade an Tagen wie heute, wo wir hier mit RISE AGAINST auftreten, erster Tourtag und so – wie ein 16-Jähriger, der gerade den Punk entdeckt hat. Ich bin so glücklich und froh, dass wir damals an diese Musik geraten sind. Und heute sitze ich hier! Mit meinen Freunden! Kann meine Miete von dieser Musik bezahlen! Kann den Menschen etwas geben! Und wir machen das immer noch so wie früher. Klar, wir spielen unsere Instrumente geringfügig besser, haha. Aber ansonsten hat sich nicht viel verändert. Wir sind immer noch da. Und da bin ich ganz ehrfürchtig und demütig – und immer noch so aufgeregt, wenn die neue RANCID-Platte rauskommt, wie damals als Jugendlicher, haha. Ich liebe das total. Und mit Bands auf Tour zu gehen, die ich selbst höre, seitdem ich 15 bin, ist ohnehin das Größte. Auch weil man in den meisten Fällen merkt: Das sind ja wirklich total tolle Typen. Da bist du dann mit BAD RELIGION unterwegs, sitzt den ganzen Abend mit Brian Baker zusammen und sagst zu ihm: „Scheiß auf BAD RELIGION, Brian! Das interessiert mich gar nicht heute. Erzähl mir bitte alles über MINOR THREAT!“ Haha. Und: Er tut es! Und dann denkst du: Es ist letztlich doch gut und richtig, dass du alle BAD-RELIGION-Platten daheim im Schrank stehen hast.

Nette Idole sind nicht selbstverständlich ...
So ist es. Es kann ja auch nach hinten losgehen, haha. Hatten wir auch schon. Ich nenne jetzt keine Namen. Aber da sitzt man dann schon und denkt sich: Verdammt, die waren jetzt aber mal richtig scheiße! Letztlich mag ich es einfach sehr, schlaue, politische Leute zu treffen.

Zum Beispiel?
Menschen, die schlaue Ideen für die Welt und die Gesellschaft haben. Das sind oft Bands wie etwa ANTI-FLAG oder DIE TOTEN HOSEN. Mit Breiti rede ich beispielsweise viel über Politik. Aber ich spreche auch häufig mit Politaktivisten und unterhalte mich generell gerne mit angenehmen Leuten, die die Welt besser machen wollen. Da habe ich Freude dran. Natürlich erzählen uns Leute dann entweder: „Ihr seid viel zu politisch!“ Und die anderen: „Ihr seid nicht politisch genug!“ Aber ich denke mir dann immer: Mach doch, was du willst. Ich mache es auf meine Art. Ganz einfach!

Man könnte es so sagen: ZSK sind eine explizit politische Band.
Genau. Man kann sich da einfach nicht rausziehen. Unpolitisch – das geht nicht. Wobei wir ganz sicher niemanden bekehren wollen. Wir sagen einfach, wie wir zu gewissen Dingen stehen. Und wir werden ja selber auch vollkommen zu Recht kritisiert, weil wir nicht alles korrekt machen.

Wie meinst du das?
Na ja, wir fliegen mit dem Flugzeug auf Tour – wir waren ja beispielsweise in Israel unterwegs. Und dann schreiben uns Fridays for Future-Kids: „Was seid ihr denn für eine Band? Ihr nehmt das Flugzeug!?“ Und das ist auch ein vollkommen okayes Argument. Aber wir können eben nicht alles korrekt machen. Würden wir es streng nehmen, dürften wir ja auch keine Shirts mehr herstellen lassen. Oder keine Platten mehr pressen. Weil das alles Müll ist. Und man kann die Musik ja auch bei Spotify anhören – es gäbe also streng genommen auch gar keinen Grund, weiter Platten zu pressen. Aber ich finde, dann könnten wir gleich aufhören. Es gibt eben keine Band auf der Welt, die hier alles korrekt macht. Aber ich finde es am Ende auch wichtiger, einfach einen Grundkonsens zu haben, der besagt: Frauen werden nicht angetatscht. Oder: Nazis kriegen auf die Fresse, wenn sie zum Konzert kommen. Das ist eine gute Grundlage. Auch um dann weiter über andere Dinge, wie die gerade erwähnten, zu diskutieren.

Wenn man all das nun nimmt und sich vor Augen hält, dass ihr durch DIY und mit absolut konsequenten Überzeugungen in politischen, sozialen, gesellschaftlichen Dingen so weit gekommen seid, ohne euch zu verbiegen. Würdest du dann das eher negativ behaftete Wort „Stolz“ in den Mund nehmen? Bist du stolz auf das, was ZSK geschafft haben?
Ich weiß nicht. Wir sind da zu ehrfürchtig. Ich sehe das eher als Mischung aus Glück und harter Arbeit. Überhaupt: Viele denken ja, ZSK sind so supergroß. Die leben ja seit Jahren davon! Aber wir haben viele, viele Jahre vor fünfzig Leuten gespielt und auf dem Boden gepennt. Wir haben die harte Schule des Punkrock durchlaufen. Und ich finde das cool. Wir haben wahnsinnig viel dabei gelernt. Und das lasse ich mir auch von niemandem madig machen. Es gibt ja heutzutage viele Bands, die es versuchen und die dann, wenn es nach zwei Jahren nicht geklappt hat, mit dem Masterplan, aufhören. Das war jedoch nie unser Verständnis von Musik. Wir machen Musik um des Musikmachens Willen. Weil es uns wahnsinnig viel Spaß macht. Und nicht als Geschäftsmodell. Klar, wir haben mittlerweile auch eine große Verantwortung anderen Menschen gegenüber. Das hat sich ja gerade erst in der Pandemie gezeigt, bei der Crew um uns herum. Ich will ja, dass die weiter Geld bekommen für ihre Arbeit. Und damit muss man sich nun auch auseinandersetzen. Aber alle bei uns und in unserem Team lieben diese Musik und dieses Unterwegsein. Das ist nicht nur ein Job nach dem Motto: Ach, jetzt muss ich wieder mit ZSK auf Tour.

Du erwähnst die Pandemie. Ich greife sie kurz auf und frage: Hätte es „HassLiebe“ als Album auch ohne die so gegeben? Die Songs sind ja währenddessen entstanden.
Wir haben ja mitten in der Pandemie das letzte Album veröffentlicht, „Ende der Welt“, als wir dachten, 2021 ist das alles wieder vorbei ... Und der normale Lauf wäre natürlich der gewesen, dass wir erst mal mit dieser Platte touren. Und auf Tour bin ich schlecht darin, Songs zu schreiben. Insofern wäre das neue Album tatsächlich erst später rausgekommen.

Warum bist du auf Tour schlecht im Songschreiben? Keine Zeit?
Zum Songschreiben brauche ich Ruhe. Aber auf Tour bin ich zu aufgeregt. Wir können überhaupt alle nicht stillstehen, haha. Schau uns doch an! Uns fragen sogar Leute, ob wir Drogen nehmen. Und dann sage ich immer: „Ey, jetzt schau mich doch mal an: Ich bin so thrilled und auf 180 bei Konzerten! Was meinst du, was passieren würde, wenn ich jetzt auch noch Kokain nehmen würde?“ Nein, nein. Nennt mich unpunkig, aber ich trinke mal irgendwie ein Bier oder einen Sekt, doch Drogen interessieren mich überhaupt nicht. Ich finde das ganze Punk- und Konzerte-Ding auch so maximal aufregend und geil! All das befeuert mich extrem. Ich mag es, live mit dem Publikum durchzudrehen. Wenn die Leute mitsingen und mich anschreien, dann explodiere ich innerlich. Ich hätte also gar keine Notwendigkeit, Drogen zu nehmen. Mein Leben ist so schon aufregend genug. Ich meine, Freunde von mir, in meinem Alter, die arbeiten in was weiß ich für einem langweiligen Job. Ich dagegen kann machen, was ich will. Selbst wenn ich morgen in Japan auftreten wollen würde ... Wobei, okay, das wäre dann doch zu kurzfristig, haha. Aber du weißt, was ich meine. Ich bin die ganze Zeit über mit meinen Freunden im Tourbus. Geiler geht’s doch nicht!

Guter Punkt. Ist die Frage nach Drogen eigentlich diejenige, die dich bei Interviews am meisten nervt – oder doch die nach dem Bandnamen?
Na, die nach dem Bandnamen ist schon schlimm, haha. Das war ja auch ein Riesenfehler. Ganz ehrlich: Da fühle ich so richtig die BROILERS, haha. Denen geht es doch genauso. Oder ITCHY POOPZKID – wobei die sich ja wenigstes noch umbenannt haben. Ist blöd gelaufen bei uns, haha. Gerne gestellt werden auch Fragen wie: „Was ist besser: Festival oder Clubshow?“, „Wie läuft die Tour?“, „Wie schreibt ihr die Songs?“ Oder auch: „Was sind eure fünf Lieblingsalben?“ Da nenne ich übrigens immer fünf andere, um die Leute zu verwirren, haha. Und wir werden bis heute auf unseren Auftritt angesprochen, den wir vor knapp zehn Jahren oder so mal im Kinderkanal hatten. Für 300 Euro Aufwandsentschädigung.

Noch mal zurück zu eurem Bandjubiläum. Wenn man zurückblickt, hat man doch das Gefühl, draußen in der Welt wird’s immer schlimmer. Also ihr singt seit 25 gegen den Mist an – und er hört nicht auf. Frustrierend, oder?
Ich frage mich, ob es tatsächlich immer schlimmer wird – oder ob es nicht immer schon so schlimm war. Damals dachten die Leute ja, dass jeden Moment ein Atomkrieg losgehen könne. Es gab rassistische Pogrome. Opfer rechter Gewalt. Natürlich ist da jetzt dieser Krieg in der Ukraine, der extrem schlimm ist. Aber ist das nicht trotzdem eine verzerrte Wahrnehmung? Zudem sind ja seit damals und bis heute auch viele Dinge progressiv vorangetrieben worden. Es sind viele gute Dinge passiert. Und man muss sich auch diese guten Sachen und die guten Menschen anschauen. Die guten Kräfte unterstützen. Denn sonst können wir aufhören! Ich gebe zu, manchmal fällt es mir schwer, so zu denken. Aber es hilft alles nichts.

Es gibt Menschen, die bekommen aufgrund des Kriegs, des Klimawandels, des Rechtsrucks handfeste Depressionen. Wie sehr läufst du als politischer Künstler Gefahr, selbst in eine solche zu rutschen?
Das verstehe ich absolut. Deshalb schreibe ich ja auch traurige, wütende Lieder. Aber ich denke dann trotzdem, auch wenn es sich kitschig anhört: Ich kann den Kids da draußen jetzt nicht sagen, dass ich aufgebe. Ich muss für die standhaft bleiben! Man darf ja auch nicht vergessen: Wir haben das große Glück, dass wir keine Band sind, zu deren Konzerten nur ältere Leute gehen. Nein, bei uns wachsen Fans nach. Wir haben viele junge Fans im Publikum. In den ersten Reihen stehen seit Jahren immer Fünfzehn- bis Zwanzigjährige. Das ist total geil! Und ich kann diesen jungen Leuten, die ja selbst in einer Phase ihres Lebens sind, in der sie oft zweifeln, doch nicht sagen, dass alles keinen Sinn mehr hat.

Fragen wir mal anders: Was hat sich deiner Meinung nach seit damals, in den letzten 25 Jahren geändert?
Es ist alles komplexer geworden. Man kann nicht mehr alles nur in Schwarz und Weiß unterteilen. Es gibt einige Themen, die nicht mehr so einfach abzuhandeln sind mit „Ich bin dagegen!“ Das fängt schon beim Umgang mit querdenkenden Leuten an. Ich will auch nicht jedem Impfgegner gleich eine reinhauen. Ich will die doch überzeugen, dass ihre Einstellung Quatsch ist. Ich beneide da die Rapper. Die haben so viel Text, den sie in Songs unterbringen können. Ich habe nur die paar Zeilen pro Lied. Da fällt es schwer, komplexe Dinge unterzubringen. Antworten auf schwierige Fragen zu geben – die ich ja mitunter selbst nicht habe. Aber so ist die Welt: Es gibt mehr Fragen als Antworten.