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FAKE NAMES

s/t

„Druckbetankung“ ist ein Ausdruck, den ich im übertragenen Sinn dafür verwende, mir Musik „aufzuzwingen“, um zu sehen, was passiert, was hängenbleibt. Im Vorfeld von Interviews greife ich zu dieser Taktik, denn die Erfahrung lehrt, dass – man verzeihe mir die Floskel – steter Tropfen den Stein höhlt. Bleibt was hängen? Taugen die Songs? Ist ein Album ein Blender oder ein Grower? Letzteres ist hier der Fall, und das bestätigt auch die andere Hälfte des Haushalts, die oft kritischer und gnadenloser urteilt als ich, sich nach der „Druckbetankung“ sogar zum Kauf der LP gezwungen sah. Schon der Opener „All for sale“ bleibt sofort hängen, „Driver“ und „Being them“ machen genauso eingängig weiter, „Brick“ lässt nicht nach, und nach knapp 28 Minuten und zehn Songs ist das Album schneller vorbei, als einem lieb sein kann. Ganze Arbeit also, die die „Supergroup“ da geleistet hat. Obwohl, „Punkrock-Supergroup“ – das klingt anmaßend und falsch, schließlich hat sich diese Szene immer schon der Heroisierung der Rock- und Popwelt verweigert und Stargehabe mit dem nötigen Misstrauen betrachtet. FAKE NAMES haben sich selbst nicht als „Supergroup“ bezeichnet, würden das wohl auch maximal mit einem gequälten, ironischen Anführungszeichen-Unterton tun, und so ist es wieder mal das Marketing, das zu so einem Begriff greift, denn was Epitaph-Boss Brett Gurewitz da spontan „eingekauft“ hat, muss natürlich auch verkauft werden, und das dürfte nicht so leicht sein in Corona-Zeiten und bei einer Band, die in ihrer ganzen Historie gerade mal ein (!) Konzert gespielt hat und auf absehbare Zeit auch nicht zu weiteren zusammenkommen dürfte. Die Besetzung der „Supergroup“ ist aber in der Tat exquisit, trifft man bei FAKE NAMES, deren Debütalbum und überhaupt erster Release das hier ist, doch auf gleich vier illustre Namen: Brian Baker kennt man von MINOR THREAT, DAG NASTY und BAD RELIGION, Michael Hampton war unter anderem bei S.O.A., EMBRACE und ONE LAST WISH, und Johnny Temple, wie erstere beide auch in Washington, DC aufgewachsen, war und ist bei SOULSIDE und GIRLS AGAINST BOYS und hat sich zudem als Verleger mit Akashic Books einen Namen gemacht. Vierter im Bunde und Sänger ist Dennis Lyxzén von REFUSED, THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY und INVSN. Nicht zu erwähnen vergessen sollte man Album-Drummer Matt Schulz. Aus einer Jam-Runde der Kinderzimmer-Kumpels Baker und Hampton entstand im Laufe von ein paar Jahren und einem zufälligen Aufeinandertreffen mit Lyxzén beim Riot Fest 2016 in Chicago so eine Band, die zwar nicht den Zusammenhalt von regelmäßigen Proberaumsessions hatte und hat, der man aber wünscht, dass sie jenseits dieses Albums Bestand hat und ihrer Vorliebe für THE DAMNED, THE RUTS und anderen frühen UK-Punk über den Umweg DAG NASTY, Schweden und 2020 freien Lauf lässt.