EGOTRONIC

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Die richtige Einstellung?

Wenn stampfende Füße und rauhe Kehlen auf „Wir haben euch etwas mitgebracht!“, die Ansage des zur Zeit charmantesten Propagandaministers, mit infernalischem „Bass! Bass! Bass!“ antworten, dann ist das nicht der Schwarze Block, sondern ein EGOTRONIC-Konzert: Für die einen die Erhörung stiller Wünsche, der verkopften und entkörperten Linken mit fettem Bass den riesigen Stock aus dem Arsch zu ziehen und sie dem eigenen Lustprinzip näher zu bringen, für die anderen ein Grund, die Mao-Bibel entsetzt sinken zu lassen und laut Kommerzialisierung anzuprangern, sowie die Angst, dem teuflischen Hedonismus Tür und Tor zu öffnen. Denn wer ravet, hat kein Gewissen, wer Drogen nimmt, denkt nicht, und wer Spaß hat ... ja, was ist eigentlich mit denen?

Torsun, was unterscheidet euch, abgesehen von der Musik an sich, eigentlich von einer Deutschpunk-Band? Ihr seid ja auch ziemlich plakativ.

Ich komme ja vom Punkrock/Hardcore und habe früher in der Band KALTE ZEITEN gespielt. Darauf hatte ich aber nachher keinen Bock mehr, da ich fand, dass die Möglichkeiten bei elektronischer Musik viel größer waren. Von der Attitüde her passt das aber schon.

Ihr seid also eine Deutsch-Elektro-Band ...

Ich fand den Begriff Deutschpunk damals eigentlich schon ziemlich daneben. Deutsch-Elektro von daher also auch. Man kann das vom Prinzip her aber schon vergleichen. Wir haben sowieso festgestellt, dass alle, die bei EGOTRONIC mitgespielt haben oder noch mitspielen, vom Punk kommen. Deswegen haben wir live zum Beispiel auch keine Visuals, sondern machen es so, wie wir es früher auch gemacht haben.

Wollt ihr denn die Punks für elektronische Musik begeistern oder eher das Publikum, welches sonst nur zu elektronischer Musik feiert, politisieren?

Das Lustige ist, dass beides bei uns funktioniert. Unser erstes Konzert war damals in Leipzig und das war ein Punk-Konzert, wir waren zwischen fünf Punkbands eingebettet. Und mittlerweile habe ich auch viele Mails bekommen, in denen Leute schreiben, dass sie durch uns zu elektronischer Musik gekommen sind. Ich will Leute nicht beeinflussen, sondern singe nur über die Dinge, die mich beschäftigen. Politik gehört da nun einmal dazu. Ehrlich gesagt, ist mir die Musik aber schon wichtiger. Natürlich finde ich es lustig, wenn Sachen provozierend wirken. Gerade letztes Jahr, bei der „Ten German Bombers“-Geschichte, da haben sich schon einige Leute auf den Schlips getreten gefühlt. Das hat dann schon was von Punkrock.

Welche Bands/Projekte haben dich denn vom Punk zur elektronischen Musik gebracht?

Ich hatte schon relativ früh Bock auf elektronische Musik. Ich bin 1993 ins Milk in Mannheim gegangen oder 1994 ins Frankfurter Omen. Bin also schon immer zweigleisig gefahren. Einschneidende Momente waren dann allerdings die letzten beiden Andreas Dorau-Platten. Die haben mich damals total geflasht. Das andere Ding war, dass ich keinen Bock mehr auf Bands hatte. Ich wollte immer was machen, wie zum Beispiel auf Tour gehen, und der eine hatte keine Zeit und der andere wieder keinen Bock. Dann habe ich mich zu Hause hingesetzt und meine Musik alleine gemacht. Wenn man keine richtigen Instrumente spielen kann, dann geht das am besten elektronisch und daher kam dann auch der Name EGOTRONIC. Das war dann für mich der Knackpunkt, einfach zu sehen, dass ich das auch ganz alleine kann. Ich konnte mir dann aussuchen, mit wem ich das live mache, denn das mussten ja auch Leute sein, die Zeit haben. Mit den Leuten im Moment habe ich auch wieder Bock, das bandmäßig zu machen. Wir gehen wieder in den Proberaum und entwickeln da was zusammen. Die technischen Möglichkeiten würde ich aber auch nicht mehr missen wollen. Ich höre trotzdem noch total viele Garagepunk-Sachen. Eine meiner Lieblingsbands ist immer noch THE WIPERS und das wird auch ewig so bleiben. Ein anderer Grund, warum ich auf die elektronische Musik so abgefahren bin, ist, dass die Partys einfach länger dauern, das ist einfach so. Der Satz, den ich am meisten mit Berlin verbinde, ist: „Vergiss nicht, nach Hause zu gehen.“ Da kann es echt passieren, dass du plötzlich merkst, dass du seit drei Tagen unterwegs bist und du langsam lieber nach Hause gehen solltest. Früher war ich in Berlin noch viel auf Konzerten und danach musste man gucken, was man macht, da der Laden dann um drei oder vier Uhr zugemacht hat. Man hatte noch gar keinen Bock, nach Hause zu gehen. Dann habe ich wieder die Liebe zu Minimal Techno entdeckt und da hat man dieses Problem einfach nicht. Jeder Laden hat da einfach bis vormittags auf und dann kann man wieder woanders hingehen.



Im Gespräch mit Lars von Audiolith Records hatte ich es schon mal angesprochen, nämlich dass von euch ja aufgrund eures Anti-Deutschen-Hintergrundes auch schon Konzerte abgesagt wurden.

Da war immer viel Projektion mit im Spiel. Das, was viele Leute in uns gesehen haben und auch jetzt noch sehen, ist, dass wir absolute Hardcore-Anti-Deutsche-Politfreaks sind. Wieder andere sagen, wir wären einfach nur Feiernasen, die sich immer nur mit Drogen vollpumpen. Beides stimmt einfach so nicht. Beides wurde immer gerne aus uns gemacht und da habe ich mich auch auf Diskussionen eingelassen. Wenn mich jemand darauf anspricht, rede ich auch noch darüber, aber wenn im Netz irgendetwas behauptet wird, dann gehe ich darauf gar nicht mehr ein. Es nervt halt. Man muss sich tausendmal erklären. Uns wurde zum Beispiel auch vorgeworfen, wir wären die „Bahamas-Band“, Das ist Blödsinn, ich selber lese die Bahamas [diese Zeitschrift ist das Sprachrohr der „Anti-Deutschen“] nach wie vor, finde aber auch etliches kritikwürdig. Die Leute wollen das aber auch nicht hören, sondern uns in diesem bestimmten Kontext sehen und uns abstempeln. Das ist dann auch zu mühselig, immer darüber zu reden. Anfänglich wurden deshalb auch mal Konzerte abgesagt, was inzwischen aber gewechselt hat. Inzwischen spielen wir zum Beispiel auch in regulären Discos. Die Leute da interessiert es dann nicht. Die buchen uns und machen vorher keinen Gesinnungscheck. Die vorherigen Geschichten haben sich also meistens erübrigt. Wir sagen einfach „Bucht uns oder lasst es“ und so kam der Ärger auch schon eine ganze Weile nicht mehr vor.

Der politische Background ist also nicht mehr so wichtig bei euch.

Doch, schon. Politik ist weiterhin ein wichtiges Thema und in Interviews werde ich auch weiterhin Stellung beziehen Auf dem neuen Album gibt es zum Beispiel das Lied "Nicht nur Raver", wo es um die Geschichte geht, die in Mügeln passiert ist. Wenn ich aber auf die Bühne gehe, mache ich das nicht, um die Leute zu agitieren, sondern weil ich eine Party haben will. Das ist das Wichtigste. Anfänglich hat sich unser Publikum ausschließlich aus der Politszene rekrutiert. Inzwischen ist das aber nicht mehr so, sondern alles ist bunt gemischt. Das macht mir auch Spaß, vor allem wenn ich sehe, dass irgendwelche Feierleute „Raven gegen Deutschland“ mitgrölen, finde ich das lustig.

Habt ihr denn keine Angst, dass gerade euer „Raven gegen Deutschland“ zu einer Art Funshirt-Slogan verkommt? Es hat zwar eine Message, die dann aber auch ziemlich stumpf-plakativ rüberkommt.

Polittexte sind meistens stumpf-plakativ. Man kann textlich ja eigentlich nicht richtig etwas abarbeiten. Allerdings merke ich schon, dass das Shirt, wenn es von mir oder anderen in einem normalen Club getragen wird, für Verwirrung sorgt. Die Leute schauen und sehen das Wort „Raven“, das finden sie dann geil, dann lesen sie den Rest und fragen sich: "Warum das denn jetzt?" Bis jetzt ist es also nicht so, dass das Shirt einfach so ein Gimmick ist, sondern manche sich noch auf den Schlips getreten fühlen, andere finden das wieder geil. Ich werde sie trotzdem weiter verkaufen. Wir haben noch nie ein Shirt gehabt, das sich so gut verkauft wie dieses.

Wie siehst du denn die Spaltung der Antifa in Anti-Deutsche und Anti-Imperialisten?

In weiten Teilen fand ich diese Spaltung gerechtfertigt und auch notwendig. Alleine, wenn man nichts mit notorischen Antisemiten und Antizionisten gemeinsam haben will. So was hat bei Linken nichts verloren. Im Gegenzug zur „Bahamas“ zähle ich mich aber auch zum Teil der Linken. Viele Diskussionen und Streitereien, die entstanden sind, waren auch nötig. Ich bin kein Fan von: „Hauptsache, wir halten irgendwie zusammen und schauen da auch über alle mögliche Differenzen hinweg.“ Da muss man sich dann auch von manchen Ideen und Leuten verabschieden. Es musste sich was bewegen und die Leute mussten einen anderen Input kriegen.



Hast du das denn auch selber gehabt, dass du dich von Leuten verabschieden musstest?

Gerade auch, wenn man vom Punk/Hardcore kommt, weiß man ja, dass dort die Feierleute nicht gerne gesehen sind. Die Annäherung hat ja auch ein paar Jahre gebraucht. Ganz am Anfang war das ja schon ziemlich krass. Ich komme ja aus der Autonomenszene und da ist es mit vielen Leuten von früher zu richtigem Knatsch gekommen. Mit guten Freunden war man dann im Streit. Das hat auch wehgetan, wenn man sich mit Leuten so gestritten hat, dass es man nicht mehr über Sachen hinwegsehen konnte und sagen: „Okay, wir hängen trotzdem noch zusammen rum.“ Viele Leute von damals habe ich verloren, aber im Nachhinein sehe ich das nicht als Problem. Es sind ja auch viele geblieben, die sich dann weiterentwickelt und andere Gedanken gemacht haben. Natürlich kamen dann auch viele neue Leute dazu. Es sind ja auch ein paar Jahre ins Land gegangen.

War der Vorwurf dann die klassische Realitätsflucht? Von wegen: Pillen schmeißen, von nichts mehr wissen wollen, kein Aktivist mehr sein und in der VoKü keinen Knoblauch mehr schneiden.

Der Vorwurf ist mir relativ egal, aber es stimmt ja auch auf eine gewisse Weise und ist gerechtfertigt. Du gehst feiern, haust anständig auf den Putz und schmeißt dir irgendetwas ein. Da haben sie ja prinzipiell Recht. Das finde ich allerdings alles andere als verabscheuungswürdig und ich kann mich da auch nicht drüber aufregen, weil ich das nur zu gut verstehen kann. Wenn du jeden Tag irgendwelchem Leistungsdruck ausgesetzt bist, dann ist das eine ganz normale Reaktion. Manche Leute saufen halt und andere schmeißen sich halt irgendwas rein.