KMPFSPRT

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versus HAMMERHEAD!

In der Zeit des Lockdowns haben KMPFSPRT aus Köln an neuen Songs gearbeitet – und damit nach Aussage von Gitarrist David Schumann nicht nur die Existenz des neuen Albums „Euphorie und Panik“ eingeleitet, sondern auch das eigene Seelenheil als Musiker in der Isolation gerettet. Jetzt ist die Platte da, erzählt unter anderem vom heutigen Status quo des Punk sowie von durch die Straßen irrlichternden Schwurblern – und markiert eine Art Neuanfang im Bandkosmos. Sagt zumindest David Schumann, wenn er im Interview vom Unterschied zwischen KMPFSPRT 1.0 und KMPFSPRT 2.0 spricht. Außerdem erklärt er, warum er als eigentlich ausgelasteter, wenn man so will, Kmpfsprtlr, jetzt auch noch bei HAMMERHEAD angeheuert hat.

David, euer neues Album heißt „Euphorie und Panik“. Ein schöner Gegensatz. Ein Gefühlsmix, den die meisten Menschen ganz gut kennen dürften.

Der Titel ist unserem vorigen Schlagzeuger Daniel geschuldet. Der Release-Gig zum bislang letzten Album „Gaijin“ in Köln war seine erste Show als fester Drummer in der Band. Er war entsprechend nervös. Und am Tag des Konzerts schrieb ich ihm und fragte ihn, wie es ihm denn so gehe. Er schrieb zurück: „Ich schwanke irgendwo zwischen Euphorie und Panik“. Meine Antwort: „Junge! Das wird unser nächster Albumtitel!“ Natürlich konnte ich das nicht alleine entscheiden. Wir sind ja eine demokratische Band. Aber es gab nicht eine Gegenstimme, als ich das ein paar Jahre später einbrachte. Das war übrigens das erste Mal, dass bei uns ein Plattentitel schon feststand, ehe die Songs fertig waren. Normalerweise schreiben wir erst die Stücke, nehmen die auf und setzen uns dann hin, um den Namen zu suchen.

Es gab demnach auch keine Alternativen?
Nein. Sonst immer. Diesmal nicht.

Immerhin, „Euphorie und Panik“ passt perfekt zu dem, was seit zwei Jahren dank Corona um uns herum geschieht. Jemand, der diese Geschichte der Namensfindung nicht kennt, könnte also auf die Idee kommen, dass die Entscheidung jetzt ganz bewusst fiel.
Das stimmt. Das passt alles ganz gut zusammen. Und vielleicht hat man so was auch immer schon unbewusst im Hinterkopf. Fest steht auf jeden Fall: So ein Album ist ja immer ein Berg von Arbeit – und einen Teil des Berges hatten wir damit, dass der Name schon feststand, bereits bestiegen, haha.

Passiert es häufiger, dass du Sätze, Wörter, Ausdrücke aufschnappst und sie dir für Songs oder Albumtitel notierst?
Ja. In der Notes-App auf meinem Handy habe ich wirklich alles gesammelt: Ganze Songtexte, Textfragmente, potenzielle Album- und Songtitel und so weiter. Da gibt es Dokumente, wenn ich da reinschaue, komme ich gar nicht mehr aus dem Scrollen raus. Jedes Mal, wenn ich im Bus sitze und einen Einfall habe oder wenn ich irgendetwas sehe, dann schreibe ich das da rein. Und später gucke ich mir es dann an und frage mich zwar manchmal, was ich damit bloß noch mal sagen wollte, weil ich mich nicht mehr erinnern kann, wo der Gedanke herkommt. Aber häufig sind wirklich gute Sachen dabei. Und sobald ich Texte für ein neues Album schreibe, schaue ich sehr oft und gerne wieder in diese Sammlung. Ich weiß, dass beispielsweise unser Bassist Dennis das auch so macht mit seinen Texten. Und das ist gut, denn wenn du dich vor zwölf musikalisch fertige Songs setzt und dann anfängst, einfach so Texte zu schreiben, kannst du davon ausgehen, dass spätestens ab dem vierten Stück alles scheiße ist. Sprich: Man muss wirklich die ganze Zeit dranbleiben. Immer wieder. Das Schreiben eines Albums, dieser kreative Prozess, darf nicht auf die paar Monate im Proberaum und Studio reduziert sein, sonst wird es dünn. Man braucht Zeit zwischen zwei Alben. Man muss leben und etwas erleben, über das man schreiben kann. Es müssen Dinge passieren.

Wann ist denn der bislang letzte Song aus deinem Sammelsurium des Alltags heraus entstanden?
Das ist noch gar nicht allzu lange her. Aber das war für HAMMERHEAD.

Deine neue, zweite Band, deren Mitglied du seit 2021 bist.
Genau. Für KMPFSPRT muss ich ja derzeit nichts schreiben, da das Album fertig ist. Und direkt danach kam diese Anfrage von HAMMERHEAD sowie die Ansage: „Wir schreiben auch neue Songs.“ Also habe ich mich hingesetzt und an HAMMERHEAD-Songs gearbeitet.

Deine Beteiligung an HAMMERHEAD ist natürlich eine interessante Sache. Und da du sie jetzt selbst schon angesprochen hast, lass uns doch bitte kurz darauf eingehen. Also, gesetzt den Fall, du hast eine Idee und schreibst ein Stück: Wie schwer fällt dir als Mitglied von nunmehr zwei Bands die Entscheidung, für welche davon du ihn verwendest?
Das ist eine berechtigte Frage. Aber die Antwort ist einfach: Letztlich ist es ja so, dass es verdammt wenig Überschneidungen zwischen HAMMERHEAD- und KMPFSPRT-Songs gibt. Ich habe aktuell genau genommen nur ein neu geschriebenes Stück, das ich – wenn die Jungs von HAMMERHEAD es demnächst nicht für sich reklamieren sollten – bei KMPFSPRT einbringen würde. Aber ansonsten weiß ich genau, für wen ein Song ist, wenn ich die Gitarre in die Hand nehme und anfange zu komponieren. Hinzu kommt, dass ich mit den HAMMERHEAD-Songs ja angefangen habe, als ich mit denen für „Euphorie und Panik“ bereits fertig war. Das war also auch vom zeitlichen Ablauf her ganz klar getrennt. Da musste ich nicht viel überlegen, für wen dieses oder jenes Riff jetzt besser ist.

Inwiefern unterscheidet sich dein Songwriting für die beiden Bands?
HAMMERHEAD sind musikalisch ja eine brachiale Urgewalt, KMPFSPRT dagegen kommen eher über die Melodien, die Hymnenhaftigkeit und die Dynamik. Daher ist es jeweils ein komplett anderes Songwriting. Und ich gebe zu: Ich musste das Songschreiben sogar noch mal irgendwie neu lernen für HAMMERHEAD. Ich war zwar früher schon in Hardcore-Bands, aber ich musste die entsprechenden Akkordfolgen erst wieder aus dem hinteren Teil meines Hirns nach vorne holen und herausfinden: Was macht den möglichst brutalen Sound aus? Bei KMPFSPRT sind es eher C, F und G. Das sind Melodien, die Gefühle auslösen. Bei HAMMERHEAD dagegen soll man ja schlechte Laune kriegen und irgendetwas zertreten wollen.

KMPFSPRT sind nun seit einer knappen Dekade ein fester Bestandteil der hiesigen Musiklandschaft und durchgehend aktiv. Wie kommt es vor diesem Hintergrund, dass du plötzlich noch bei einer zweiten Band aufschlägst?
Da muss ich ein wenig weiter ausholen. Ich bin ja in Bonn groß geworden, HAMMERHEAD kommen ebenfalls daher – und sie waren eine der ersten Bands, die ich live gesehen habe. So mit 15, 16. Und da war ich fasziniert und abgestoßen zugleich. Ich hatte zuvor zwar bereits ein paar andere Punk-Konzerte erlebt. Aber die waren normal. Das hier, das war etwas anderes. Bei HAMMERHEAD konntest du dir nicht sicher sein, ob du den Laden unbeschadet wieder verlässt. Das fand ich furchteinflößend. Aber auch mega aufregend. Da schwang die ganze Zeit über ein Gefühl der Angst mit. So wie man das ja auch über die frühen US-Hardcore-Bands aus New York liest – und über die lese ich sehr viel. Das kannte ich nicht. Das kam in meiner Welt ja gar nicht vor. Aber ich hatte da sofort diese Faszination. Und die blieb. Später verlor ich die Band zwar vorübergehend aus den Augen – aber auch nur, bis wir dann irgendwann gemeinsame Konzerte spielten und wir uns dabei trotz Alters- und Genreunterschied überraschend gut verstanden. Tobias, den Sänger, habe ich sowieso oft gesehen, weil ich lange bei Underdog Records in Köln arbeitete und er da immer Platten kaufte. Zuletzt interviewte ich ihn auch noch für das kleine Fanzine, das wir unserer 7“ vor zwei Jahren beilegten. Und nur ein paar Wochen danach kam von ihm so eine knappe Message per WhatsApp: „Hast du Bock, bei HAMMERHEAD zu spielen?“ Meine erste Reaktion: „Wie bitte? Habe ich das gerade richtig gelesen, oder wie meinst du das? So richtig als Bandmitglied? Okay ... Lass mich mal kurz darüber nachdenken.“

Kurz – oder sehr kurz?
Haha, sagen wir so: Ich habe zwei meiner besten Freunde – einer davon aus der Band – angerufen und gesagt: „Lasst uns mal bitte treffen heute Abend. Ich muss mal kurz mit euch reden.“ Aber ja, eigentlich war mir da schon klar, dass ich es auf jeden Fall machen würde, denn es gibt in Deutschland nicht viele Legenden – und HAMMERHEAD sind eine! Ich wollte aber insbesondere seitens KMPFSPRT vorher wissen, ob das wirklich okay ist. Und das war es. Die beiden haben sich sogar mit mir gefreut und gesagt: Mach das auf jeden Fall! Das ist eine geile Chance! Und dann traf ich mich mit den Jungs von HAMMERHEAD zum ersten Mal im Proberaum, wir spielten zusammen – und es ist tatsächlich alles super! Bei beiden Bands. Ich habe jetzt eben zwei, die ich beide total liebe. Was schon krass ist, denn ich hätte ja niemals gedacht, dass ich neben KMPFSPRT mal ein zweites Projekt haben würde. Und ich hätte bei allen anderen Anfragen auch abgelehnt und gesagt, dass ich mit KMPFSPRT schon genug zu tun habe und ausgelastet bin. Aber bei HAMMERHEAD, da musste ich einfach zusagen.

Und dich auf mehr Stress einlassen, wenn sich Touren und Albumaufnahmen zukünftig überschneiden?
Nein. Es ist ja so, dass HAMMERHEAD nicht mehr so aktiv sind. Sie fahren nicht dieses Pensum, das KMPFSPRT fahren. Bei ihnen sind das ein paar Shows im Jahr und ab und zu ein paar neue Songs, die aufgenommen werden. Das hat nichts mit diesem krassen Plan zu tun, wie wir ihn bei KMPFSPRT haben. Da kommt ja alle zwei Jahre ein neues Album. Dann die Festivaltour im Sommer. Dann die Tour danach. Und dann denkt man schon wieder über neue Songs nach. Nein, bei HAMMERHEAD ist es eher gechillt. Insofern habe ich keine große Sorge, dass sich beide Bands irgendwie in die Quere kommen. Und wenn doch alle Stricke reißen sollten, dann mache ich eben das, was David Frings, der Gitarrist von ADAM ANGST und Bassist von FJØRT, macht: Der steigt nach der Show mit der einen Band in den Schnellzug und fährt zur Show mit der anderen Band. Es gibt immer einen Weg, wenn man etwas will.

Okay. Dann zurück zu KMPFSPRT. In der Ankündigung zum neuen Album sagst du, dass dich das Songwriting für „Euphorie und Panik“ in der Pandemiezeit über Wasser gehalten hat.
Ja, absolut!

Was säße mir denn heute für ein David gegenüber, wenn es diese Songs nicht gegeben hätte?
Puh ... das kann ich dir echt nicht sagen. Ich weiß nur, das wäre echt nicht schön. Denn die Pandemie war ja so schon scheiße. Dieses Gefühl der Isolation und der Einsamkeit – das war heftig! Dass alles wegfiel, was für unsere Szene so wichtig ist: Du konntest nicht auf Konzerte gehen. Du konntest keine Konzerte spielen. Du konntest nicht in Clubs. Du konntest nicht in Bars. Du warst reduziert auf eine ganz kleine Welt um dich herum. Und das war schwer zu ertragen. Also habe ich mich irgendwann zu Hause hingesetzt, habe mir die Gitarre geschnappt und habe gespielt und gespielt. Das war in diesem Moment auch irgendwie therapeutisch. Ich habe Akkorde probiert und Refrains und hatte einen Sound. Und dann habe ich mich an den Computer gesetzt, das Aufnahmeprogramm aufgerufen, ein rudimentäres Schlagzeug dazu laufen lassen, eine Melodiegitarre dazu aufgenommen. Und am Ende hatte ich dann das Gerüst eines Songs. Vor allem aber merkte ich jedes Mal: Jetzt sind zwei Stunden vorbei – und es ging mir zwei Stunden lang überhaupt nicht scheiße in der Pandemie! Gleichzeitig konnten wir auch nicht proben und uns nur mit zwei Haushalten treffen. Also habe ich mich dann immer mit Jan, unserem neuen Schlagzeuger, zusammengesetzt. Wir haben ein Bierchen getrunken, gespielt, wieder ein Bierchen getrunken, wieder gespielt. Und so entstanden irgendwie organisch neue Songs und man sah: Es gibt tatsächlich eine Exit-Strategie im Lockdown! Und als dann später auch die anderen mit ihren Songs dazukamen, war das endgültig befreiend.

Inwiefern befreiend?
Wir wussten auf einmal das, was wir früher für gegeben und selbstverständlich genommen hatten, wieder zu schätzen. Diese Möglichkeit, sich zusammenzusetzen und gemeinsam Musik zu machen. Die Folge davon: Wir waren unheimlich frei, als wir an die neuen Songs herangingen. Man könnte auch sagen: Das vorher war KMPFSPRT 1.0 gewesen, jetzt war es plötzlich KMPFSPRT 2.0.

Das heißt „Euphorie und Panik“ wäre ohne Lockdown ganz anders geraten.
Ja, hundertprozentig. Ohne Lockdown wäre es wohl so etwas wie „Intervention“ und „Gaijin“ geworden – nur ein bisschen weiterentwickelt. Aber dadurch, dass wie nun diesen Break und zuvor auch schon unsere auf Hardcore getrimmte 7“ rausgebracht hatten, war das auf einmal so ein Tabula-Rasa-Moment. Nach dem Motto: Jetzt mal alles vom Tisch! Leere Leinwand! Das Songwriting war von allen Zwängen befreit. Da musste ein Song plötzlich nicht unbedingt wie „Trümmer“ oder „Ich hör’ die Single nicht“ klingen. Nein, das ging nun nach der Maxime: Ich schreibe jetzt gerade den Song, den ich schreiben will. Und ich denke, das hört man dem neuen Album auch an. Es ist aus der absoluten Freiheit heraus entstanden und nicht aus Druck oder aufgrund von Terminplanung. Es enthält quasi Songs, die geschrieben werden wollten. Und dieses Gefühl hatte jeder von uns. Das Album erinnert mich deshalb auch so ein bisschen an unser erstes, „Jugend mutiert“. Das ist auch so, ich sage mal, fresh gewesen.

Ist es so, dass du beim Hören eurer älteren Alben nachträglich etwas anders machen würdest?
Das ist schwierig zu sagen. Das ist ja alles ein Prozess. Es wäre somit unfair gegenüber der Person, die man früher mal war. Aber meiner Ansicht nach hatten wir bei „Intervention“ und dann „Gaijin“ so ein bisschen den Weg verloren, auf dem wir uns befanden. Wenn ich mir diese beiden Platten anhöre, sind das zwar gute Alben. Aber ich habe nicht hundertprozentig das Gefühl, dass das wir sind. Zumindest nicht in dem Sinn, wo ich uns gerne hätte, wo ich uns sehe – und wo wir vielleicht auch unsere Stärken haben.

Was denkst du, wie diese „Fehlentwicklung“ zustande kam?
Das ist irgendwie so passiert. Wir wurden da mitgerissen durch den Strudel aus Album, Konzert, Konzert, Festival, machen, machen. Sprich: Wir hatten nicht den Abstand, den wir jetzt durch diese lange Pause hatten. Nicht die Gelegenheit, mal schauen zu können, wo liegen denn nun unsere Stärken? Ich finde, so wie wir auf dem neuen Album klingen, ist das sehr viel näher an dem, wie wir klingen sollten und wie wir eigentlich sind. Wir sind mit „Euphorie und Panik“ dahin zurückgekehrt, wo wir eigentlich herkommen – und wo wir hätten bleiben sollen. Aber es ist mir wichtig zu betonen: Ich kann und will diesbezüglich nicht für die Band sprechen. Denn ich kann mir vorstellen, dass es da auch Leute gibt, die das anders sehen. Und in dieser Sache gibt es auch kein richtig oder falsch. Ich denke, in dieser Sache geht es allein um persönliche Empfindungen. Und das hier ist eben meine Empfindung.

Wo liegen denn für dich die Stärken von KMPFSPRT?
Haha, das ist schwer zu sagen und hat immer so etwas von Vorstellungsgespräch. Aber ich sehe uns weniger in Richtung dieser US-Emo-Songs, sondern eher in dieser Post-Hardcore/Pop-Punk-Schiene. Auf „Gaijin“ haben wir beispielsweise viele Tracks, die so einen Touch von BILLY TALENT und MY CHEMICAL ROMANCE haben. Das sind gute Bands, keine Frage, aber ich finde nicht, dass wir so klingen sollten – auch wenn ich viele dieser Stücke selbst geschrieben habe. Was, wie schon gesagt, einfach so passiert ist. Aber auf dem neuen Album haben wir jetzt wieder viele Songs der anderen Art. Und das steht uns besser, wie ich finde.

Apropos „stehen“: Wo steht Punk im Jahr 2022? Das ist ja auch durchaus ein Thema, das ihr an mehreren Stellen auf „Euphorie und Panik“ anschneidet.
Das wird tatsächlich oft thematisiert. Und das hat mich selbst verwundert. Denn es ist ja nicht so, dass wir uns regelmäßig abends beim Bier zusammensetzen und sagen: So, dann lasst uns mal bitte über den State of the Art von Punk 2022 sprechen! Aber man sieht daran, wie viel uns allen an diesem Thema liegt. Tatsache ist, wir waren Punks schon mit 13, 14. Und jetzt sind wir über vierzig – und immer noch Punks. Was bedeutet, nichts im Leben war so lange bei uns wie Punk. Punk war sogar der Grund, warum wir all das überhaupt machen. Und machen können. Ohne Punk wären wir nicht in einer Band. Und wenn Punk nicht wäre, gäbe es heutzutage wohl nur noch Bands mit Gitarrengöttern und Supersängern. Denn niemand hört doch Jimi Hendrix und denkt sich: Ja, gut, ich nehme mir jetzt mal eine Gitarre und mache das auch. Aber wenn man die RAMONES oder die MIFITS hört – dann merkt man: Hey, warte mal, das geht ja wirklich! Deshalb kann man die Bedeutung und Wichtigkeit von Punk – auch für uns – gar nicht überschätzen. Und aus diesem Grund befinden sich eben auch so viele Songs auf dem neuen Album, die sich mit Punk und mit der Szene beschäftigen.

Und wie geht es dem Punk nun im Hier und Heute?
Ich denke zwar, dass es Punk immer noch ganz gut geht. Dass es in all den JuZes und AZs sehr viele junge Bands gibt, die sehr gut sind. Und dass irgendwann der nächste Kurt Cobain um die Ecke kommt, drei Akkorde anschlägt – und plötzlich hört keiner mehr Techno. Das ist jedenfalls meine große Hoffnung, haha. Aber ich habe auch das Gefühl, dass in den letzten Jahren viele der sogenannten Punkbands eher Popbands mit lauten Gitarren sind. Wenn ich mir die Art und Weise anschaue, mit der sich viele dieser Gruppen auf der Bühne oder bei Social Media präsentieren, habe ich schon den Eindruck, dass da vieles Pose, aufgesetzt und gelogen ist. Und das gefällt mir überhaupt nicht. Da frage ich mich schon: Wo ist der Hass? Wo ist die Rebellion? Wo ist die Wut auf die gesellschaftlichen Zustände? Wo sind die Provokation und das „Fuck you!“ bei diesen Bands, die immer eine Insta-Story nach der anderen posten und in die Kamera reden wie Influencer? Es kommt mir oft so vor, als ob das, worum es wirklich geht bei Punk, vergessen wird. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Das wird nicht von allen vergessen. Es gibt sehr viele Bands, die ich liebe, die richtig geil sind und mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Und ich will auch nicht sagen, dass wir als KMPFSPRT alles richtig machen. Mir ist sehr wohl klar, dass auch wir Teil dieser Tretmühle sind. Trotzdem denke ich, dass es in letzter Zeit bei vielen Bands im Vordergrund steht, die Klicks und Likes im Internet abzugreifen – und nicht, das System anzuzünden. Das finde ich schade. Und auch deshalb handeln einige Songs davon.

Social Media ist allerdings nicht nur schlecht. Ihr nutzt die Netzwerke ja selber sehr ausgiebig – zuletzt rund um die Veröffentlichung der neuen Platte mit Snippets und Ankündigungen und Videos.
Klar, das ist eine Gratwanderung. Es reicht ja nicht, wenn nur die ohnehin längst Überzeugten deine Musik hören. Du willst ja auch raus in die Welt. Und wir gehen diesen Balance-Akt auch. Aber ich glaube, dass man schon ganz gut unterscheiden kann, bei wem die Message im Vordergrund steht und die Haltung und die Attitüde die richtige ist – und bei wem das nicht so ist. Das ist auf der Bühne ja genauso. Und ich denke, ich kann so was auch sehr schnell beurteilen, wenn ich dort eine Band sehe. Gerade ein Song wie „Punk muss sich wieder lohnen“ auf unserem neuen Album greift das ja auch ironisch auf – diese Unsitte, bei jedem Konzert den anwesenden Fans zu sagen: „Ihr seid die Besten! Und das war die beste Show heute!“, ehe es hinter der Bühne dann heißt: „Boah, hast du den fetten Idioten da vorne gesehen?“ Und dann gehen diese Bands vielleicht noch zum Merch-Tisch und reden mit ihren Fans, als wären das die besten Freunde, dabei weißt du genau: Die tun das nur, weil es dazugehört und weil es das Business ist. Und das muss nicht sein.

Du forderst Ehrlichkeit?
Genau. Wenn du Bock hast, mit den Leuten zu reden, dann geh da raus und mache es halt – ich zum Beispiel mache das sehr gerne. Aber wenn du keinen Bock hast, dann lass es und erzähle den Leuten keinen Scheiß! Erzähle ihnen keine Lügen von der Bühne herunter. Erzähle ihnen keine Lügen auf Social Media. Sei einfach echt. Und genau das geht mir gerade etwas verloren in den sozialen Medien. Auch wenn das ein gutes Tool ist, schon weil man nicht mehr auf die Musikindustrie angewiesen ist, um gesehen und gehört zu werden.

Du sprichst vom Lügen auf der Bühne. Hast du dort – vielleicht im Überschwang der Gefühle – auch schon mal gelogen?
Also ich würde behaupten, noch nie gelogen zu haben auf der Bühne. Natürlich, ich habe bestimmt schon mal gesagt, dass das die beste Show auf einer Tour war. Aber dann war das auch so. Zumindest aus meiner Sicht. Kann sein, dass die anderen in diesem Moment ganz anders dachten.

Apropos Ehrlichkeit: In eurem Stück „Schottergarten Eden“ geht es um Querdenker und Schwurbler, die sich in Pandemiezeiten plötzlich mit Rechten gemein machen. Ihr habt dazu ein Video gedreht, in dem diese Leute haufenweise zu sehen sind. Also ganz ehrlich: Wie schwer fällt es dir, diesen Clip anzuschauen?
Ich selbst habe dieses Video ein einziges Mal gesehen: zur Abnahme. Danach nie wieder. Weil es tatsächlich einfach nur schrecklich ist. Diese ganzen Fratzen! Einfach nur diese Menschen! Unkommentiert. Ich meine, das sind ja Menschen, die tatsächlich durch Deutschland laufen. Diese fast vier Minuten sind somit in der Tat nur sehr schwer zu ertragen. Ich muss da ein Kompliment an Dennis aussprechen, der diese Ausschnitte aus TV-Berichten und Dokus herausgesucht und zusammengeschnitten hat. Ich hätte das nicht gekonnt.