Kochen ohne Knochen – zum Abschied ein Interview

Kochen ohne Knochen – zum Abschied ein Interview
© by Ingo Christiansen

Es es geht weiter, mit einem KoK-Podcast, mit KoK-Beiträgen auf vegan-news.de.

Aus die Maus. Mit dieser Ausgabe ist Kochen ohne Knochen als Magazin und in dieser Form nach über zwölf Jahren Geschichte. Über die Gründe schrieben wir im Editorial – und ja, wir sind etwas ausgepowert und wirtschaftlich ließ sich das nicht mehr darstellen, wie man so schön sagt. Aber es wird weitergehen, mit einem KoK-Podcast, mit KoK-Beiträgen auf der neuen Vegan-Plattform vegan-news.de, die von Niko Rittenau und Chefredakteurin Katharina verantwortet wird, und wir denken auch an eine jährliche Sonderausgabe von Kochen ohne Knochen in gedruckter Form. Parallel zum Ende von KoK in der gewohnten Form gibt es aber unser nagelneues Kochbuch: Das Ox-Kochbuch 6. Mit dessen erstem Band fing 1997 alles an. All das nahmen wir zum Anlass, einige Wegbegleiter:innen zu bitten, uns Fragen zu unseren Kochbüchern und zum Magazin zu stellen.

Dr. Markus Keller: Nach vielen hundert – oder gar mehr als tausend – Rezepten, die ihr ja sicher alle in eurer Solinger Ox-Küche ausprobiert habt: Welche Länderküchen haben sich als eure absoluten Favoriten herausgestellt?
Uschi: Sie war, sie ist, sie bleibt: die mediterrane Küche mit all ihren Facetten. Schmeckt einfach immer.
Joachim: Ich kann es sogar noch mehr eingrenzen: die italienische und griechische Küche vor allem. Und die spanische. Und und und ...

Dr. Markus Keller: Und welche waren die drei exotischsten Zutaten, die ihr im Rahmen der Rezepttestung in eure Küche geholt habt?
Uschi: Flohsamenschalen, Limettenblätter, Puntarelle aka Vulkanspargel.
Joachim: Ich drücke es philosophischer aus: Aus Fremden werden Freunde, wenn man sich erstmal kennen gelernt hat. Oft sind wir überrascht, was bei uns als „normale“ Zutat durchgeht und was Freund:innen noch nie verwendet haben. Und andersrum. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und abgesehen davon ist vegan an sich oft schon „exotisch“ genug.

Niko Rittenau: Seit eurem letzten Kochbuch sind ziemlich genau zehn Jahre vergangen; was war der Grund für die lange Pause und was war eure Motivation, nach zehn Jahren einen neuen Teil aus der Kochbuch-Reihe zu veröffentlichen?
Uschi: Wir wollten nur ein neues Kochbuch machen, wenn auch was – bei uns – passiert ist. Nicht umsonst sagen wir immer, dass unsere Kochbücher die Soundtracks unseres Lebens sind und unsere persönliche Entwicklung in Sachen vegan widerspiegeln. Auftragskochbücher oder ein neues Kochbuch, nur um im Gespräch zu bleiben und die Umsatzzahlen oben zu halten, das war nie unsere Motivation. Wir nutzen unsere Kochbücher tatsächlich sehr häufig selber und da haben wir gemerkt, dass wir zum einen unsere Dauerbrenner heute zum Teil etwas anders als vor zehn, fünfzehn Jahren kochen und es kamen jede Menge neuer Rezepte hinzu, die uns begeistern und die wir anderen Köch:innen vorstellen möchten.
Joachim: Wir machen ein Kochbuch immer dann, wenn es sich für uns notwendig anfühlt. Zugegeben, bei dieser langen Pause fühlten wir die Notwendigkeit schon länger, aber es fehlte die Zeit und die Ruhe.

Niko Rittenau: Ihr seid mit eurem Kochbuch und dem Magazin noch vor dem ersten großen Vegan-Hype in Deutschland am Start gewesen. Könnt ihr euch noch daran erinnern, welche Erwartungen ihr vor über zehn Jahren an die Entwicklung der veganen Bewegung hierzulande hattet? Was hat euch positiv überrascht und welche Entwicklung seht ihr kritisch?
Uschi: Ich hätte nicht gedacht, dass so schnell so viele vegane Produkte so breit verfügbar sein werden. Jeder Supermarkt hat ein immer größer werdendes Vegan-Sortiment und selbst Discounter haben den Anspruch, vegan friendly zu sein. Schade finde ich, dass viele der neuen veganen Lebensmittel stark verarbeitet sind und oft mit viel Plastikmüll einhergehen. Da würde ich mir mehr Innovation wünschen.
Joachim: Konkrete Erwartungen hatte ich nicht, es war eher das Gefühl, dass doch auf der Hand liegt, dass vegan zu leben eine völlig logische und sinnvolle Entscheidung ist. Aber wenn wir das kapiert haben, warum kapiert das der große Rest noch nicht? Positiv überrascht hat uns in den letzten zwei, drei Jahren, dass nun auch Stimmen im politischen und wissenschaftlichen Kontext vernehmbarer sind, die klar für einen „Rückbau“ des Konsums von tierlichen Lebensmitteln eintreten, eben weil Klimakrise, Welternährungslage und ökologische Situation es erforderlich machen.

Mark Benecke: Ihr verkostet so unglaublich viel Zeug – hat sich durch eine Speise jemals euer Geschmack dauerhaft in eine Richtung bewegt, die ihr nicht vermutet hättet? 
Uschi: Unglaublich, dass ich ein nach Schwefel riechendes Salz verwende, um die Erinnerung an Eiergeschmack zu reproduzieren.
Joachim: Ich habe früher nie Umami im Blick gehabt. Deshalb: Hefeflocken! Ein Wundermittel. Okay, das ist keine Speise, sondern eine Zutat. Egal.

Mark Benecke: Was haben Tapas mit dem schiefen Turm von Pisa zu tun?
Uschi: Wenn man zu viele Tapas aufeinanderstapelt, bekommt der Tapas-Turm über kurz oder lang eine Schieflage.
Joachim: Ohne meinen Rautie sag ich nix. Das ist der famose Illustrator, der uns seit vielen Jahren begleitet und alle Bildchen und Logos im KoK-Kontext gezeichnet hat.

Simon Brunner: Welche positiven Erfahrungen und Erkenntnisse habt ihr in der Zeit vom ersten vegetarischen Kochbuch ausschließlich aus dem Ox-Umfeld über das Kochen ohne Knochen als Heft vom Vegetarismus zum Veganismus gesammelt?
Joachim: Das kann ich ganz allgemein damit beantworten, dass wir super viele nette, inspirierende Menschen und damit auch Ideen kennen gelernt haben. Ohne dieses Projekt wäre das so nicht passiert, und dafür sind wir dankbar. Und natürlich hat uns auch der Austausch von Ideen und Gedanken ideell sehr bereichert.

Simon Brunner: Wie kritisch seht ihr die Entwicklung, dass Veganismus zu einem umsatzorientierten Greenwashing-Lifestyle verkommt, seien es „vegane Kreuzfahrten“ oder aber intensives Touren von Künstler:innen, was ja alles andere als CO2-neutrales Handeln ist?
Uschi: Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft und die bringt es mit sich, dass auch Geld mit vegan und veganem Lifestyle gemacht wird und und dass es immer Menschen geben wird, die auf diesen Wellen eine Weile mitschwimmen. Die „reine Lehre“ ist zwar ein schöner Gedanke, aber ich halte ihn für unrealistisch. Ab einer gewissen kritischen Masse gibt es eben auch Entwicklungen, die schon ins Absurde gehen. Es liegt an jedem selber, inwieweit man diese Angebote nutzt oder eben nicht. Zu deiner zweiten Frage: intensives Touren ist manchmal die einzige Möglichkeit für Künstler:innen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wer wäre ich, wenn ich so etwas verbieten wollte? Vielleicht sind wir in zehn, fünfzehn Jahren soweit, dass wir andere, verträglichere Formen des Reisens haben? 
Joachim: Ich bin ein großer Fan von Konsument:innen-Verantwortung: Nutze und kaufe und unterstütze nicht, was du nicht magst, rede mit anderen darüber und nicht kurzfristig, aber langfristig wird das Dinge bewegen. Letzten Endes kommen wir mit Verboten – etwa einem „Fleischverbot“ – nicht weiter, es werden immer nur Argumente sein, die anhaltende Veränderungen bringen.

Achim Stammberger: Viele Menschen nutzen Kochbücher als Inspiration, andere eher als Werkzeug, um mit vorhandenen Zutaten „schnell mal was anderes“ zu machen. Welche Gruppe sprechen eure Bücher an?
Uschi: Gute Frage. Ich denke, für beide ist sicher einiges dabei. Aber es ist auch für Menschen gedacht, die bisher noch gar nicht gekocht haben oder mit vegan bisher nichts am Hut hatten. Unsere Kochbücher sind eher niederschwellig und laden zum Selberkochen ein.
Joachim: Ich würde sagen: Menschen, denen zwei bis drei Kochbücher im Haushalt genügen, weil sie eher pragmatisch ans Kochen herangehen. Und im Zweifelsfall kommt man alleine mit unserem aus.

Achim Stammberger: Die ersten Ox-Kochbücher waren ja noch vegetarisch und vegan. War die Umstellung auf rein vegane Rezepte schwierig? Also nicht nur schwierig für euch, sondern auch für euer Publikum?
Uschi: Für uns war es zum Teil schwierig, da wir unser Kochverhalten beziehungsweise die Zutaten noch mal überdenken mussten. Wir haben zum Beispiel früher viel mit Käse gekocht und das alles 1:1 mit veganem Käse zu ersetzen war nicht unser Ziel. Wir haben da nie wirklich Feedback erhalten, aber ich kann mir gut vorstellen, dass wir unsere User:innen auf diese Reise mitgenommen haben.
Joachim: Ich setze auch auf den Inspirationseffekt: Hmmm, wenn die beiden das hinbekommen haben ... dann probiere ich das doch auch mal aus.

Stina Spiegelberg: Wie habt ihr es empfunden als eines der ersten veganen Magazine plötzlich so viele Mitstreiter und Glam Mags um euch zu haben?
Uschi: „Konkurrenz belebt das Geschäft“ oder „jedem Tierchen sein Pläsierchen“ sind Sätze, die mir da einfallen. Es ist schön, wenn ein Thema auch andere motiviert. Das zeigt ja auch, dass in unserem Fall Veganismus einen immer größeren Platz in der gesellschaftlichen Mitte einnimmt und eine Käuferschaft für Magazine dieser Art da ist. Ein Glam Mag mit schönen Fotos und wenig Informationsgehalt war nie das, was wir wollten – unser Bestreben waren informative, auch schon mal lange und tiefergehende Artikel, wir wollten spannende Themen entdecken, Menschen, die etwas zu sagen haben und Mut machen, vorzustellen usw. Also im besten Sinne Empowerment für uns und unsere Leser:innen.
Joachim: Publikumsbeschimpfung ist nie gut. Wenn es eben Menschen gibt, die auf vegane Eso-Lifestyle-Bespaßung stehen, dann sollen die sich das reinziehen. Unser Ding ist es nicht, auch wenn wir damit vielleicht größeren wirtschaftlichen Erfolg hätten haben können. Ich hätte mir damit morgens beim Rasieren nicht mehr selbst in die Augen schauen können. Eine gewisse Enttäuschung, dass journalistisches Fastfood dann doch in größerem Maße konsumiert wurde als unser ballaststoffreiches Vollkorn-Heft kann ich aber nicht verhehlen.

Stina Spiegelberg: Wie habt ihr es geschafft, über die Jahre eurer Linie treu zu bleiben?
Uschi: Wir sind einfach bei uns selber geblieben. Wir waren nie wirtschaftlich abhängig von Kochen ohne Knochen und konnten so einfach „unser Ding“ machen. Wir wussten genau, was wir wollten und was nicht. Letztendlich war es aber trotzdem frustrierend zu erleben, dass Anzeigenkunden plötzlich keine Anzeigen mehr, sondern gekaufte Berichterstattung buchen wollten, leider absoluter Usus heutzutage, für uns aber ein No-Go. Das ist eine Entwicklung, die ich für sehr problematisch halte, da auch Leser:innen oftmals gar kein Auge dafür haben und denken, das wäre seriöse Berichterstattung.
Joachim: Ich bin nicht Punk geworden, um mit dem Strom zu schwimmen. Klar, immer nur aus Prinzip dagegen sein, das nützt sich ab und nervt das Umfeld, aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, Fragen zu stellen, kritisch nachzuhaken und damit irgendwie voranzukommen.

Stina Spiegelberg: Wie habt ihr immer diese Redakteure gefunden, die so super committed sind?
Uschi: Das war einfach Glück. Aber wahrscheinlich haben sich auch nur Menschen von uns und unserem Magazin angezogen gefühlt, die auf einer ähnlichen Wellenlänge waren und sind, für die dieselben Dinge wichtig sind und die sich bei uns gut aufgehoben fühlten.
Joachim: Ja, Glück. Und ähnlich denkende Menschen finden immer irgendwie zusammen. Das war und ist sicher die schönste Erfahrung, die wir aus diesem Experiment mitnehmen können. Und die Freundschaften bleiben ja.

Mille Petrozza: Was haltet ihr von Raw Food und seid ihr schon mal in einem Raw-Food-Restaurant gewesen?“
Uschi: Puuuuh, auf die Gefahr hin, dass ich mich gleich fürchterlich unbeliebt mache: Ich halte nichts von Raw Food als Ernährungsform. Für mich wäre das nicht geeignet, da ich tatsächlich was Warmes im Bauch brauche. Nichts macht mich glücklicher als eine gute Portion Pasta oder ein feistes Porridge. Da kann die Schokolade gerne in der Schublade bleiben. Klar, Rohkost mal zwischendurch ist völlig okay, oder auch mal einen Tag nur Ungekochtes, aber als Ernährungsform wäre das nichts für mich. Und nein, in einem Raw-Food-Restaurant war ich, glaube ich, noch nicht.
Joachim: Doch – vor Jahren mal in San Francisco, oder? Das war teuer und nicht lecker ... Rohkost ist gut und sinnvoll, als Ergänzung, gerne klassisch als Salat oder so. Mag ich, lecker, schön. Aber als „Religion“ und dann auch noch mit diesem 42°-Quatsch ... das ist mir zu eso.

Justin P. Moore: Die Verbindung zwischen Kochen und Musik – und besonderes eure musikalische Anregungen bei den Rezepten in den KoK-Kochbüchern fand ich schon immer spannend und einzigartig. Was sind aber eure verrücktesten Favoriten und heimlichsten Vergnügungen – gibt’s Songs, die ihr in der Küche gern mal aufdreht, allerdings sonst selten oder nie hört?
Uschi: Ich kann ganz klar sagen, dass ich Musik mit guten Grooves sehr gerne beim Kochen habe, dann auch mal laut oder sehr laut. Absolute Faves sind bei mir ABBA, aber auch ROXY MUSIC. Ich liebe „More than this“ und denke dabei immer an den großartigen Film „Lost in Translation“. Manchmal, wenn ich genervt bin und mich abreagieren muss, dürfen es dann aber auch schon mal DEFEATER, CONVERGE oder NAPALM DEATH sein. Dann muss ich aber auf das Messer aufpassen ...
Joachim: Musik hat was mit Stimmung zu tun, und das ist beim Kochen genauso. Ruhe und Zeit zum Kochen = Gelinggarantie. Nerv und Stress = das wird nix. Deshalb brauche ich Musik, auf die ich Bock habe. Tatsächlich wechselt die von Tag zu Tag, mein Input ist gigantisch. Deshalb als Antwort: meine ewigen Faves WIPERS, HÜSKER DÜ und JOY DIVISION. Und natürlich KREATOR ...

Justin P. Moore: Habt ihr je überraschende Rückmeldungen oder lustiges Feedback zu den Musikempfehlungen in euren Rezepten/Kochbüchern erhalten, zum Beispiel Love-Letters oder Hate-Mails? Und habt ihr je eine Song-Empfehlung abgelehnt ... oder im Nachhinein bereut? 
Uschi: Rückmeldungen zur Musik bekommen wir meist nur in der Form, wo man denn die Musik her bekäme oder was man machen soll, wenn man diese oder jene Platte nicht hat. Bereut habe ich keine einzige Song-Empfehlung, denn sie ist meist eine Momentaufnahme, das, was wir beim Kochen von Gericht XY tatsächlich selbst gehört haben oder welchen Track wir passend finden.

Karin Kötzner: Ihr seid im Laufe eurer KoK-Jahre, sei es für Interviews oder für Recherchezwecke, mit vielen interessanten Menschen in Kontakt gekommen. Wer ist euch ganz besonders in Erinnerung geblieben und warum?
Uschi: Das ist schwierig. Wir sind so vielen tollen und interessanten Menschen begegnet. Sei es der französische Bäcker Rodolphe Landemaine, der mal eben die französische Backkunst veganisiert und revolutioniert hat, Karin und Jan von Hof Butenland, die ihr altes Leben komplett hinter sich gelassen haben und jetzt ein „Kuhaltersheim“ betreiben oder Chef Cola, die vegane Köchin aus Simbabwe, die mich nachhaltig durch ihr Engagement und ihren Mut beeindruckt hat. Allen gemein ist, dass sie für eine Sache brennen und sich dafür begeistern können.
Joachim: Ich nenne da ganz klar unsere langjährigen Wegbegleiter:innen Dr. Markus Keller, Niko Rittenau, Colin Goldner, Mark Benecke und Stina Spiegelberg.

Karin Kötzner: Wenn ihr selbst Rezepte entwickelt: Wie geht ihr dabei vor? Wie oft wird ein Gericht gekocht, bevor es in eines eurer Kochbücher Eingang findet?
Uschi: Das ist total unterschiedlich. Mal versuchen wir, etwas nachzukochen, das wir in einem Restaurant gegessen haben, mal entwickelt sich etwas organisch aus den Zutaten, die noch im Kühlschrank sind. Je nachdem, wie zufrieden wir mit dem Ergebnis sind, wird es noch zigmal weiter verfeinert oder es passt bereits beim ersten Mal. Manchmal gibt es aber auch Dinge, die mich echt fertigmachen wie zum Beispiel der Bretonische Flan im neuen Kochbuch. Es war wirklich schwierig, so nahe wie möglich an das Original heranzukommen, das wir vor über zwanzig Jahren in Frankreich gekostet haben. Ich hatte es zwischendurch schon aufgegeben, bis mich dann wieder der Ehrgeiz gepackt hat.
Joachim: Ich schließe mich da Uschi an. Und natürlich lassen wir uns auch von Rezepten anderer inspirieren. An denen passt uns dann irgendwas nicht, die fuppen nicht wie beschrieben, der Ehrgeiz erwacht, und dann haben wir was Neues, Eigenes. Da die Kochbücher nur alle paar Jahre erscheinen, bleibt genug Zeit für das Finetuning.

Karin Kötzner: Stichwort Grillen. Welcher Grilltyp seid ihr: Holzkohle, Gas, Elektro? Und was ist euer veganer Liebling auf dem Grillrost?
Uschi: Haha, gar keiner! Warum auch immer, ich kann Grillen nichts abgewinnen. Vielleicht liegt es daran, dass die veganen Sachen immer so schnell verkohlen und innen noch roh sind? Oder ist es ein tiefsitzendes Trauma, dass auf dem Grillrost oft auch tote Tiere liegen, wenn man das mit anderen praktiziert? Ich weiß es nicht.
Joachim: Ich bin so gar nicht der Grill-Typ. Schon weil ich mich nicht mit anderen Männern über den langweiligsten Sport der Welt unterhalten will währenddessen. Und wenn, dann Elektrogrill. Mit Solarstrom.

Jens Neumann: Wie sähe das KoK aus, wenn es ein Livestyle-Vegan-Easy-Peasy-Magazin wäre?
Joachim: Ganz schön besch...
Uschi: Würden wir so was machen, könnte ich morgens nicht in den Spiegel schauen.

Jens Neumann: Warum nicht das KoK-Ox: Musik und veganer Lebensstil?
Uschi: Das war ja ganz zu Anfang die Intention, da wir beide mit Punk und Hardcore sozialisiert wurden und das Thema Veganismus und Tierrechte schon immer stark mit dieser Szene verbunden ist. Wir hatten ja damals auch Moby auf dem ersten KoK-Cover und haben diverse Bands interviewt.
Joachim: Wir mussten feststellen, dass unsere „Musik-Blase“ letztlich zu klein ist, um so was zu tragen. Als Zielgruppe die Randgruppe einer Randgruppe ... das ist nichts. Also haben wir uns geöffnet und die schöne Erfahrung gemacht, außerhalb unserer bisherigen Kontextes jede Menge netter Menschen kennen zu lernen.

Roman Eisner: Was ist euer Rezept, dass es gelingt, miteinander verheiratet zu sein, jeden Tag gemeinsam zu kochen und im gemeinsamen Büro gemeinsam ein Magazin zu machen?
Uschi: Gute Frage, bei der ich gerade echt lachen musste. Ich denke, die Essvorlieben des anderen respektieren, etwa Burger versus Pasta, klare Aufteilung und Absprache in der Küche wie auch beim Magazin, wer was macht und wann es fertig sein muss.
Joachim: In jeder Küche, privat wie bei den Profis, geht es auch mal hitzig zu, sagen wir so. Aber man kann sich auch nicht aus dem Weg gehen und rauft sich schnell wieder zusammen. Wichtige Regel, die wir seltenst einhalten können: Koche nie mit Hunger!

Erik „Signor Verde“ Puchert: Habt ihr alle Rezepte aus den Kochbüchern nachgekocht beziehungsweise wie hoch ist die Quote? War auch mal ein Rezept dabei, das nicht funktionierte?
Uschi: Beim neuen Kochbuch haben wir wirklich jedes Rezept gekocht, da 99% von uns sind. Bei den anderen Ausgaben sind sicher auch Gastrezepte dabei, die wir vorher nicht nachgekocht haben. An Ausfälle kann ich mich tatsächlich nicht erinnern. Ich würde sagen, 85% der Rezepte haben wir ausprobiert.

Erik „Signor Verde“ Puchert: Ihr habt ja viele vegane Persönlichkeiten in den ganzen Jahren im Heft gehabt. Wer fehlte, wen wolltet ihr immer gerne mal drin haben?
Uschi: Lewis Hamilton und Gordon und Aljosha von „Vegan ist ungesund“, aber den Channel gibt es ja leider auch nicht mehr.
Joachim: Der Zugang zu ein paar „richtigen“ Promis wäre sicher interessant gewesen, aber ganz realistisch: Da sind dann oft so viele Manager und PR-Leute dazwischen, dass hinterher nie der spannende Text dabei herauskommt, den man sich erhofft. Sofern man überhaupt an die Leute rankommt.

Erik „Signor Verde“ Puchert: Was in aller Welt habt ihr euch dabei gedacht, ein veganes Magazin herauszugeben? Hattet ihr Ziele, habt ihr die erreicht? Oder überlasst ihr das vegane Leben jetzt einfach sich selbst?
Uschi: Gar nichts, haha! Wir kommen ja aus aus der Punk/Hardcore-Szene und da ist der DIY-Gedanke zu Hause. XY gibt es nicht? Dann mach es doch selber! Gesagt, getan. Wir fanden die Idee damals spannend, ohne zu wissen, was da auf uns zukommt. Ich kann sagen, dass ich meine Ziele erreicht habe. Wir haben wundervolle und inspirierende Menschen kennen gelernt, Freundschaften sind daraus entstanden, wir durften über die zehn Jahre die vegane Entwicklung in Deutschland begleiten und ein kleiner Teil davon sein. Und haben in dieser Zeit unglaublich viel gelernt.
Joachim: „Du hast keine Chance, also nutze sie.“ Einfach machen, springen, loslaufen. Klar, Magazinerfahrung hilft dabei, die hatte ich, aber der Rest hat sich dann so ergeben. Und jetzt ist es eben vorbei und wir lassen uns überraschen, was uns als Nächstes einfällt.

Erik „Signor Verde“ Puchert: Wann und wo findet die große Abschiedsparty statt? Ich würde auch Caffè machen.
Uschi: Warum Abschiedsparty? Wir sind ja noch da und uns wird es weiterhin geben, nur nicht in der bisher bekannten Art und Weise. Aber auf das Caffè-Angebot komme ich gerne zurück!
Joachim: Und ein Grund zum Feiern findet sich garantiert immer. Wir lassen es dich wissen!

Rautie & Anita: Das Kok-Magazin müsst ihr ja leider einstellen. Gibt es inzwischen jemanden, der es in eurem Sinne weiterführen würde?
Joachim: Nicht in der bisherigen Form, aber zusammen mit Niko Rittenau und Kathi von vegan-news.de wird die Welt weiter von uns hören.

Rautie: Veganer Fleischersatz, das brauche ich manchmal, gesund ist es weniger ... Wie ist das bei euch, verzichtet ihr oder gibt es hin und wieder Gelüste, so etwas zu essen?
Uschi: Bei uns gibt es an Sonntagabend aus liebgewonnener Tradition oft Kartoffelsalat mit paniertem Seitan-Schnitzel. Ich finde ab und zu etwas „Vleischiges“ zu essen völlig okay, wenn man Lust darauf hat. Dann aber gerne selbstgemacht.
Joachim: Ich bin da völlig undogmatisch, stehe aber eher auf natürliches „Material“ wie Tofu oder Seitan. Erbsenprotein und Tapetenkleister muss ich nicht haben, aber ich probiere gerne alles mal, wenn nichts vom lebenden oder toten Tier drin und dran ist. 

Rautie: Was habt ihr für Erfahrungen gesammelt, wie euch andere Medien in der Zeit mit eurer speziellen Herangehensweise aus Sicht der Punk-Haltung wahrgenommen haben?
Uschi: Ich glaube, die haben manchmal über uns geschmunzelt, zumindest wenn sie nix mit Punk zu tun haben.
Joachim: Ach ja, die Frage „Und was hat das mit Punk zu tun?“ habe ich unzählige Male gehört. Und immer wieder in aller Seelenruhe erklärt, dass das aus den Achtzigern kommt, dass es da um den Kampf gegen Tierversuche und gegen die Jagd ging, und alles andere daraus folgte.

Anita: Gibt es ein absolutes Lieblingsessen, das mindestens einmal die Woche auf den Tisch kommen darf?
Uschi: Pasta!! Gerne Spaghetti à la Norma mit gebraten Auberginen und feister Tomatensauce.
Joachim: Pasta ... Nein, ich liebe Pasta, aber wenn Uschi sagt, dass es heute Pasta gibt, denn widerspricht mann besser nicht. Pasta heißt basta.

Rautie: Welches Gemüse mögt ihr überhaupt nicht, vorausgesetzt es gibt so eins?
Uschi: Ich hab’s nicht so mit Sellerie, esse ich aber zur Not auch.
Joachim: Pilze! Ich hasse Pilze! Alle! In jeder Form! Aaaaarrrgghhh!!!

Rautie: Klassische Anfängerfehler, wenn man sich für eine vegane Lebensweise entscheidet?
Uschi: Tofu roh und unmariniert zu essen.
Joachim: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Alex, Roots Of Compassion: Ihr habt euch in eurer KoK-Zeit ausführlich mit verschiedenen veganen Produkten auseinandergesetzt und es sind zuletzt viele neue tolle Sachen auf den Markt gekommen. Es sind aber auch einige wieder verschwunden. Was war oder ist euer liebstes Produkt, das wieder eingestellt wurde und dem ihr am meisten nachtrauert? 
Uschi: Der Schwarzwald-Tofu von Taifun.
Joachim: Im genialen Sortiment von Wheaty würde ich sicher was finden, wenn ich da mal im Firmenarchiv stöbern könnte. Man merkt es ja immer erst hinterher, und dann meist viel später.

Alex, Roots Of Compassion: Außerdem habt ihr euch sehr viel mit allerlei Büchern auseinandergesetzt, könntet ihr vielleicht jeweils ein Koch- und ein Sachbuch aus dieser Zeit nennen, das für euch ein echter „Gamechanger“ gewesen ist?
Uschi: Für mich war das auf jeden Fall „Vegan-Klischee ade!“ von Niko Rittenau, weil es die Wissenschaft in die Mitte der vegan lebenden Gesellschaft gebracht hat. Bei Kochbüchern kann ich gar kein Singuläres nennen, aber ich finde zum Beispiel Gaz Oakley ziemlich großartig oder natürlich Stina Spiegelberg mit ihrem „Vegan Backen von A-Z“.
Joachim: Unsere Ur-Inspiration war vor über 30 Jahren „Soy Not Oi“.

Daniela Große: Das letzte KoK erscheint am 19. Mai. Was macht ihr am 20. Mai?
Uschi: Auf der Terrasse sitzen, einen Gin Tonic trinken auf die neu gewonnene freie Zeit und genießen. Und vielleicht schon Pläne für neue Projekte schmieden, wer weiß.
Joachim: Ich bin dabei!

Daniela Große: Wer entscheidet, was läuft? Uschi oder Joachim? Oder der, der kocht? Und nach welchen Kriterien wird entschieden?
Uschi: Wer zuerst in der Küche ist, hehe! Oder eine:r hat einen ganz speziellen Wunsch, der wird natürlich nach Möglichkeit berücksichtigt. Kriterien gibt es nicht wirklich, zum Glück haben wir beide einen ähnlichen Musikgeschmack.
Joachim: Über die Musik gibt es quasi nie Streit ... 

Daniela Große: Welche Gerichte oder Zutaten gibt es nur, wenn der andere aus dem Haus ist?
Uschi: Pilze!
Joachim: Zum Glück!

Daniela Große: Welches Rezept hat sich vom ersten bis zum letzten Buch gehalten?
Uschi: Kretische Kartoffeln mit Bohnen. Einer unsere All-time Favourites, unbedingt ausprobieren!
Joachim: Und Omas Zwiebelkuchen. Heute natürlich ohne Schmand.

Daniela Große: Wie kommt ein Rezept bei euch zustande? Am Herd mal gucken, was passiert, oder vorher schon einen Plan zurechtlegen, wie und was es werden soll?
Uschi: Mal schauen wir, was der Kühlschrank hergibt oder was weg muss, mal sind es saisonale Zutaten wie zum Beispiel Spargel, und dann überlegen, was wir damit machen wollen. Wobei ich sagen muss, Joachim ist eher der, der sich beim Kochen inspirieren lässt, und ich bin eher die, die einen Plan hat.
Joachim: Das stimmt wohl. Oft ist es so, dass ich ein Rezept von jemand anderem als so doof und schlecht beschrieben, aber im Grunde interessant finde, dass mein Ehrgeiz erwacht und ich das „in gut“ machen will. Klappt oft.

Michael Dandl: Es gibt in unser aller Freund:innenkreise Menschen, die im Besitz von mindestens zwei Ox-Kochbüchern sind; und auch in autonomen Zentren, Jugendhäusern oder auf Wagenplätzen stehen sie häufig auf fettverklebten Regalen – was immer darauf hindeutet, dass sie auch benutzt werden als kochkunsterweiternde Nachschlagewerke. Da war es ja ganz gut, dass ihr irgendwann auf vegan umgestiegen seid. Könnt ihr mir erklären, warum ihr nicht von Anfang an vegan wart?
Uschi: Die Ox-Kochbücher spiegeln unsere eigene Ernährungssituation wider. Ich war schon seit Mitte der Achtziger Jahre vegetarisch unterwegs, aber vegan war mir immer irgendwie zu radikal. Ich habe das mit der Milch damals auch gar nicht als so problematisch wahrgenommen. Vegetarisch war gut genug, vegan waren nur die Spinner. Also waren auch die ersten vier Kochbücher noch vegetarisch und vegan. Erst als wir uns vor rund zwölf Jahren selber für die vegane Ernährung entschieden haben, wurden auch die Kochbücher komplett vegan.
Joachim: Ja, speziell in den Neunzigern war vegan noch recht sektenhaft. Die Argumente waren richtig, die Motivation auch, aber die Schärfe, mit der diese Einstellung bisweilen kommuniziert wurde, führte bei uns eher zu einer Trotzreaktion. Aber wenn mensch sachlich an das Thema herangeht, führt eben an der Einsicht in die Sinnhaftigkeit einer veganen Lebensweise kein Weg vorbei.

Michael Dandl: Beim Durchblättern des KoK-Heftes hatte ich bisweilen den Eindruck, es setze – zumindest layouttechnisch – stark auf Hochglanz/Lifestyle Mag mit bunter Bilderüberflutung. Versteht mich nicht falsch, wenn die so transportierten Inhalte nachher stimmen, dann ist da ja okay. Aber genau das werdet ihr diesbezüglich bestimmt häufiger gefragt: Ist das superfreshe Styling ein Gradmesser für die Transformation emanzipatorischer Inhalte, die als verbreitenswert gelten – oder lenkt das nur vom Relevanten ab? Wie gesagt, mit Colin Goldner beispielsweise habt ihr ja tatsächlich einen mit im Boot, der die Sache mit dem Veganismus in einer mir sehr vertrauten und unterstützenswerten Art und Weise angeht. Wisst ihr, wie eure diskursive Zielgruppe aussieht beziehungsweise auszusehen hat oder wer eigentlich den Rezipient:innenpool des KoK bildet?
Uschi: Es ist interessant, dass du unser Layout als superfreshes Styling siehst. Ich nehme das ganz anders wahr. Ich denke, unser Layouter Philipp holt das Beste aus dem raus, was da ist. Und das ist manchmal ganz schön schwierig. Im Vergleich zu anderen Vegan-Magazinen sind wir viel textlastiger und haben weniger „schöne Bilder“. Unsere Leser:innenschaft ist überwiegend weiblich und zwischen 25 und 50. Und es sind sicherlich Menschen, denen Tierrechte nicht egal sind, die neugierig sind, die über den eigenen Tellerrand schauen, für die vegan nicht nur ein Lifestyle ist und die gerne bereit sind, auch mal fünf Seiten Text zu lesen, um am Schluss zu sagen: „Das war ja jetzt mal spannend“ oder „Das wusste ich ja gar nicht!“
Joachim: Wir saßen immer zwischen den Stühlen: Nicht dröge genug für ein diskursives Tierrechtsmagazin, nicht stylish genug, um die Leute am Kiosk effektheischerisch abzuholen. Von daher ... die einen sagen so, die anderen so. Wir sind einfach unseren Weg gegangen, und dass das zwölf Jahre lang funktioniert hat, fanden wir selbst wohl am erstaunlichsten.

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