DIE STIMME DER VERNUNFT

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Konzertsuperhelden V

Jetzt aber! Nach dieser Folge musst du alleine zurechtkommen und deine eigenen inzwischen hoffentlich geschärften Sinne auf der Suche nach neuen Superhelden bemühen. Es gibt davon mehr, als du dir vorstellen kannst, in allen Bereichen, mit dem einzigen Ziel, dir das Leben zu jeder Zeit an jedem Ort so schwer wie nur möglich zu machen und natürlich, weil sie ihre Lebensenergie aus dem Vergnügen ziehen, anderen auf den Sack zu gehen. Denk immer dran: Du bist das Kryptonit dieser Erde.

Yeah-Man aka Der lebende Porno


Kräfte/Fähigkeiten: Kompromisslose, unüberhörbare Artikulationsreduktion kurz vor dem Grunzen, die nur noch knapp als menschliche Laute zu erkennen sind. Seine weitestgehend nicht vorhandene Kenntnis der englischen Sprache, übertüncht der Y-Man mit zu Beginn ausdauernden „Yeah, yeah, yeah“-Rufen in den Liedpausen, die normalerweise Bestellungsaufnahmen oder Ansagen der Bands vorbehalten sind. Leider teilt er seine Kräfte so schlecht ein, dass seine Stimme nach etwa der Hälfte des Konzertes verschwindet, um in unerwarteten Momenten kurz wieder aufzutauchen, was bei den Umstehenden allgemeine Heiterkeit auslöst. Er ist damit einer der unfreiwillig komischen Helden, der einer Sache durch seine assoziativen Kräfte jeglichen Ernst nimmt und damit jede seriöse Stimmung versaut. Wir alle kennen das, wenn der Gelegenheitspartner beim enthemmten Sex in eine wiederkehrende Phrase in Endlosschleife verfällt und man Mühe hat, nicht laut loszulachen. Am Ende verzichtet man dann lieber auf seinen Teil, täuscht ein vorzeitiges Ergebnis vor oder beginnt zu gähnen, um der Sache ein schnelles Ende zu bereiten. Nur weg! Manche haben genau deswegen mit dem Rauchen angefangen. Nicht zu verwechseln übrigens mit He-Man, der im Vergleich geradezu eloquente Dialoge zustande bringt.

Schwächen: Plötzliche Ausbrüche allgemeiner Heiterkeit, die sich mit jedem „Yeah“ steigern

Natürlich Feinde: Mr. Ricola, Sgt. Stimmbruch, Halt’s-Maul-oder-ich-pog-dich-weg-Koloss, Das war’s, du Honk, Ich-verlass-dich-Girl

Präsentquotient: Eher selten anzutreffen.

Nervfaktor: 2 (weil er einfach witzig ist)

The Employee

Kräfte/Fähigkeiten: Thekenpersonal, das aus normalen Barausstattungen das Maximum an lauten Geräuschen herausholen kann. Die schlichte Botschaft dahinter: Du Arsch amüsierst dich, während ich hier arbeiten muss. Unterstrichen wird die Aussage durch die unüberhörbare Verrichtung des Beschäftigungsinhaltes, sei es durch das schwunghafte Zuwerfen des bis dahin extraleisen Kühlschranks, Eiswürfelschaufeln, Bierkistenklappern oder die längst überfällige Grundreinigung der seit Monaten defekten Espressomaschine. Alles Tätigkeiten, die man bei normal schlechter Laune durchaus diskret und leise verrichten kann, Hauptsache laut! Zur Not fällt dann auch schon mal ein Glas um, besonders gern bei Akustikkonzerten; bei Lesungen wird so im leisesten Moment die Spannung mit einem Eiscrusher zunichte gemacht. Früher wurden solche Menschen Bauarbeiter, die einen um halb sieben mittels Presslufthammer aus dem Schlaf reißen. Der Employee hat sein Biotop mittlerweile an die Clubtheken verlegt, weil der Nervfaktor hier um ein Vielfaches höher ist.

Schwächen: Laute Konzerte, bei denen ihre Tätigkeit im Grundrauschen untergeht, Plastikflaschen und Bands, die sie auch mögen, Thekenpausen während der Darbietungen

Natürliche Feinde: Der Boss, Tip-Boy

Präsenzquotient: Potenziell 100%, aber die meisten verrichten ihre Arbeit klaglos, oft professionell, nicht selten sogar mit Freude

Nervfaktor: 5

Prof. Unsympathico aka The Networker

Kräfte/Fähigkeiten: Stets und immer mit einem Bier bewaffnet, in der Mitte vor der Bühne beheimatet, spricht er mit locker gemeinten Sprüchen absolut jeden an, der sich seiner feuchten Aussprache unvorsichtig auf zwei Meter nähert. Hat alles gesehen, reist einer Band nicht selten bis in den letzten Winkel hinterher, interessiert sich aber eigentlich null für die Musik. Ernährt sich wie ein Troll aus der versauten Stimmung aller Umstehenden, da gute nicht aufkommen will, weil er mit seiner gelangweilten Aura wie ein schwarzes Loch jegliche positive Energie absorbiert. Jede höflich zurückhaltende Geste seiner Opfer, die mit einem japanischen Lächeln antworten, um eventuell doch noch in den Genuss der Band zu kommen, wird von ihm als Ermutigung ausgelegt, weitere unterirdisch dumme Sprüche hinterherzuschieben, die sich auf dem Anmachniveau eines Vorschülers bewegen. Seine jovial bierselige und torkelnden Bewegungsabläufe sind natürlichen Ursprungs und rühren daher, dass er tatsächlich permanent zwischen zwei und drei Promille im Tee hat; ein Umstand, der ihn bei Eskalation vor allzu schlimmen Folgen bewahrt. Einer wie er würde auch einem Lungenkrebspatienten Kippen anbieten, nur um ins Gespräch zu kommen, vor Gericht aber mildernde Umstände bekommen, schließlich war er betrunken.

Schwächen: Nüchternheit, sein Zwillingsbruder (wie bei zwei schwarzen Löchern kann ein Aufeinandertreffen ungeahnte Folgen haben)

Natürliche Feinde: Der schlagfertige MAD, Riot Grrrls, Mr. Muscle, Die lockere Faust

Präsenzquotient: Steigt mit zunehmender Bekanntheit einer Band, die er von Beginn an begleitet hat, leichte Unterhaltung wird bevorzugt frequentiert

Nervfaktor: 8

Dr. Insecure

Kräfte/Fähigkeiten: Ich rede, also bin ich. Ich rede laut, dann bin ich viele. Zeichnet sich durch sein einzigartiges Timing aus, das inmitten totaler Stille (inmitten eines Breaks) einen im ganzen Saal hörbaren Füller setzt. Peinliche Stille ist ihm zuwider und je weniger Ahnung er von einer Sache hat, desto lauter und vermeintlich witziger ist sein Beitrag. Die eigene Unsicherheit wird mit Dingen überspielt, die keiner hören will, im Zweifelsfall mit einem nicht enden wollenden Redefluss. Wer mal jemanden aus Mitleid mitgenommen hat, den er im Laufe eines Abends am liebsten in der Toilette ertränkt hätte, weil er ein „Pain in the ass“ (Verniedlichungsform von „peinlicher Juckreiz im hinteren Rektalbereich“) war, weiß, wovon die Rede ist.

Schwächen: Mangelhaftes Selbstbewusstsein, das ihn vor seinem eigenen Spiegelbild erröten lässt, Einsamkeit und völlige romantische Stille bei einem idyllischen Sonnenaufgang, die er mit einem Lippenfurz oder Wikipedia-Einträgen über die Entstehung der Morgenröte mittels Staubpartikeln in der Atmosphäre entzaubert

Natürliche Feinde: Jeder, der bei normalem Verstand ist und einen Idioten auf hundert Meter im dichtesten Nebel näherkommen hört

Präsenzquotient: exakt 45,3%

Nervfaktor: 9,99 (für solche Trottel wurde Notwehr bei unerlaubtem Betreten eines texanischen Grundstücks erfunden)

Mrs. Flush & Mr. Latrino, Sanifairy, Toiletboy, Kid Bladder, G. Ran-u-Fink (seine Namen sind zahllos)

Kräfte/Fähigkeiten: Kann immer, muss immer! Der Antagonist des Bierverschüttmanns, dem er meistens auf dem Weg von der ersten Reihe (...schulliung) auf halbem Weg zwischen Bar und Sanitäreinrichtungen begegnet, weil die Blase klein, der Durst aber groß ist. Wäre nur halb so nervig, wenn er sich im hinteren Bereich aufhalten würde, statt sich nach verrichteter Notdurft wieder an seinen angestammten Platz ganz vorne zu drängeln. Auf dem Rückweg tritt er möglichst vielen Leuten auf die Füße, begegnet wiederum dem Bierverschüttmann (was der bringt, trägt er zurück). Kann nach nur einem Glas Wasser bereits fünf Liter Urin absondern und gäbe es ein extraharntreibendes Mixgetränk aus Kamillentee mit Bier, es wäre seins.

Schwächen: Defekte Klos und Urinale, Warteschlangen vor den Toiletten

Natürliche Feinde: Der Platzeinnehmer und Käpt’n Katheter

Präsenzquotient: 75%

Nervfaktor: 7

Prince Tourette

Kräfte/Fähigkeiten: Artikuliert sich nahezu ausschließlich lautstark durch ein Vokabular, das aus einem Gemisch aus Flüchen und Begriffen des unteren leidlich gepflegten Genitalbereichs und Wörtern besteht, die selbst bei pensionierten Seeleuten betretenes Schweigen auslösen würden. Vermiest mit seinem asozial-verfickten Arschlochgeschwätz aus dem verkrepelten Bumsmongolenhausen absolut jedem die Stimmung, der in seinen verschissenen Dunstkreis gerät. Wie bei einem schlimmen Unfall kann man leider nicht umhin, das Geschehen fassungslos und fasziniert zugleich zu beobachten. Mit zunehmendem Alkoholpegel wachsen seine Superkräfte, bis er eine aufs Maul bekommt, weil sich jemand fälschlicherweise direkt angesprochen fühlt.

Schwächen: Eloquenz, allgemeine Heiterkeit und Partystimmung

Natürliche Feinde: Travis Bickle, Posh-Boy, Die lockere Faust

Präsenzquotient: Abhängig von der Band zwischen 95 und 0,1%

Nervfaktor: ekelerregend versiffte 8

Der Mercher aka die Shopping Queen

Kräfte/Fähigkeiten: Kann in Windeseile das brandneue Shirt über das passend zum Event aufgetragene vom Vorjahr stülpen, um dann nahtlos verbal in der Vergangenheit der Einkäufe der letzten Tour zu schwelgen. Musik oder der Auftritt selber sind zweitrangig, allein das Kaufvergnügen zählt, das er so bei H&M oder Primark nicht hat. Im Prinzip harmlos, weil relativ schmutzfrei und solvent im Bereich einer mittleren Angestelltenlaufbahn. Häufig leicht zu ignorieren, weil immer früh da und unüberhörbar in seinen Lobpreisungen der letzten Tour, so dass man rechtzeitig den Standort wechseln kann.

Schwächen: Sich zwischen zwei Motiven zu entscheiden, klein ausfallende Konfektionsgrößen und Monatsende

Natürliche Feinde: Der Typ, der vor ihm das letzte verfügbare Hemd in seiner Größe kauft

Präsenzquotient: Stetig steigend mit zunehmender Popularität einer Band, bis hin zu einem festen Zustand

Nervfaktor: 2

Zum Ende (und zur Übung) noch ein paar Anregungen und Vorschläge zum Selberausfüllen: Aquavitman, Black Koma, Der Spinner, Zudiroderzumirinsbettman, Admiral Apathico, General Stench, Super-Siffer, Bewegungslegastho, Die goldene Kamera & der Flasher, Der Diver, Commander Stress, King Ballermann, Das Off, Battle-Girl, Baron Ink/Baroness Bodymodification, Fashion-Victim, Der ewige Sidekick