Die Stimme der Vernunft

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15 Wochen Heimarbeit

Nachdem mein Brötchengeber mich schon früh ins Homeoffice verfrachtet hatte, nutzte ich die viele zusätzliche freie Zeit, die durch Wegfall von Körperpflege, Schlaf und Mittagspause entstand, um mittels To-Do-Liste Dinge zu erledigen, die ich schon seit Jahren vor mir herschiebe. Nachdem ich meine Klamotten von allen unpassenden Größen befreit, die Platten sortiert, sämtliche CDs gerippt, meine Balkonmöbel gestrichen, die menschenleeren Nächte für Bilder in Stuttgart genutzt und eine passende Playlist zum bevorstehenden Weltuntergang angefertigt hatte (neben weiteren Dingen), blieb nur noch das Aufräumen des Kellers übrig. Das ist dann etwas, das ich wohl doch nie machen werde. Damit der Kopf wenigstens ein bis zwei Tage die Woche weiter in Betrieb blieb, begann ich ab der vierten Woche Homeoffice (HO) mit einer Zusammenfassung der jeweiligen Aktivitäten, die es hier nun in stark gekürzter Form gibt, weil irgendwer fragte, ob Facebook alles wäre. Der Director’s Cut ist etwa zehn Mal so lang wie das, was du hier serviert bekommst.

4 – HO
- Vollbart? Steht mir einfach nicht, ich hab’s versucht.
- Online-Konzerte offenbaren auf das Grausamste, wer es kann und wer nicht.
- Ein gewisser Vorrat an physischen Tonträgern (Vinyl) hilft ungemein, um sich von alledem abzulenken, dennoch hab ich ja „eigentlich nix zu hören“.
- Der massive Rückgang an Foodporn-Bildern lässt nur einen Schluss zu: die meisten sind einfach zu blöd zum Kochen und haben sich jahrelang mit fremden Federn der Gastronomie geschmückt.
- Der Anteil an verlotterten Menschen, die in Birkenstocks und Jogginghosen ihre nötigsten Einkäufe tätigen, nimmt weiter zu. Wo bleibt die Würde?

5 – HO
- Ich vermisse meine Kollegen langsam, wenn ich mich nur noch an alle Namen erinnern könnte.
- Wie ein teuflischer Plan funktioniert, um für pubertierende 16-jährige die Hölle auf Erden zu schaffen? Alle Pornokanäle für umme und beide Eltern in genau dieser Zeit permanent daheim!
- Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen derart blauen Himmel ohne einen einzigen Chem... ähm Kondensstreifen gesehen habe. Wahnsinn! Dasselbe erhabene Gefühl wie ein leerer Wäschekorb.
- Bei Nostradamus stand, dass 2020 das Jahr mit den schlimmsten Bikinifiguren werden würde. Warum konnte sich der alte Zausel nicht einfach klar und deutlich artikulieren?
- Masken helfen definitiv gegen Pickel.
- Bis zur Blindheit die Wurst pellen fällt nicht unter Hobby!
- In einem Livestream Platten auflegen ist noch weiter weg von einem Konzert als Leute, die auf einem ungestimmten Eierschneider ein Ständchen spielen.
- Bei allem Optimismus dürfen wir nie vergessen, dass es fast immer ein Licht am Anfang eines jeden Tunnels gab.

6 – HO
- Zack, passt man einmal eine Woche nicht auf, schon ist draußen alles grün und der Heuschnupfen meldet sich zurück. #jammernaufmemmenniveau
- Fußpfleger sind systemrelevant! Crocs-Barfußträger, die sich außerhalb ihrer nicht einsehbaren Wohnzelle und Gartens damit in der Öffentlichkeit bewegen, agieren am äußersten Rande der Legalität.
- Ich weiß, dass ich diese Zeit vermissen werde, und wünsche mir immer noch ein Trottelvirus, das alte Menschen verschont und nur die Dummen niederstreckt. Große Nationen müssten ihre Führung aus der dritten und vierten Reihe nachbesetzen, aber das wäre es mir wert.
- Beim Bäcker am späten Nachmittag nach einer „Seele“ zu fragen könnte sich zu einem neuen Hobby entwickeln. „Haben sie eine Seele?“ – „Nein, hab ich nicht!“ – „Oh, wollen Sie mit mir nicht ein Stündchen über die Bibel reden?“
- Bands, die für 2021 keine neuen Songs und keine neue Platte haben, sollten sich das noch mal überlegen mit ihrem Hobby.

7 – HO
- Datenschutz vs. Social Distancing. Auf dem Dorf hebeln die Abstandsregeln den Datenschutz unter den Dorfklatschbasen aus. Was früher nur von Ohr zu Ohr geflüstert wurde, wird mit demselben Gehalt über die halbe Straße gebrüllt.
- Nur drei Haare auf dem Kopf, aber Löckchen. Habt ihr keinen Kurzhaarschneider oder Nasenhaartrimmer?
- Wie viele Pubertierende werden in ein paar Jahren nur noch auf Touren kommen, wenn sie einen Mundschutz sehen?
- Bei allen Verschwörungstheorien wurde noch nie nach einem gemeinsamen Labor von Joey’s Pizza, DHL, Netflix, Amazon und Lieferando gesucht. Cui bono?
- Der Unterschied zwischen manchen Livestream-Konzerten und einigen Veranstaltungen aus den Achtzigern ist nicht so groß, wie manche denken. Die Konzerte, bei denen der verpeilte Veranstalter niemandem Bescheid gesagt hat, keine Lust hatte, die gedruckten Plakate irgendwo aufzuhängen, und sich auch sonst um nichts gekümmert hat.
- Wo sind eigentlich die Zeugen Jehovas, wenn mal sie einmal im Leben für ein Pläuschchen braucht?

8 – HO
- Mittlerweile wollen Leute im Haus mit einem ein Schwätzchen halten, die sonst die Vorhänge zugezogen haben, wenn man den Müll runtergetragen hat. Seltsam!
- Schon mal Menschen zugesehen, die im Supermarkt mit Mundschutz ohne Spucke diese kleinen fizzeligen Tüten auseinanderkriegen wollten? Unbezahlbar!

9 – HO + Off
- Wenn man in der Quasi-Quarantäne krankgeschrieben wird, ist das dann die Quarantäne von der Quarantäne?
- Wildfremde Menschen hinter Masken grüßen im Supermarkt, ich grüße zurück. Sicher ist sicher.
- Du bist am Tag exakt eine halbe Stunde aus dem Haus, um Einkäufe zu erledigen, wann kommt DHL? Bingo!
- Muttertag! Anrufen sollte drin sein, für den Rest hast du eine Entschuldigung, du Rabenkind.

10 – Holiday Escape Room
- Urlaub ist die Zeit, in der man zum Mittagessen schon einen Kleinen lüpfen kann.
- Mundschutzgegner? Mit dem Mundgeruch, den einige jetzt buchstäblich vor die eigene Nase gehalten bekommen, lässt sich zumindest teilweise erklären, warum sie die bunte Babywindel nicht tragen wollen. Vielleicht hätte man sich doch besser rechtzeitig um die Behandlung der eigenen Mundfäule kümmern sollen.
- Warum Bill Gates alle Menschen chippen will, wo er doch das Monopol auf 95% aller Betriebssysteme sein Eigen nennt und quasi per Knopfdruck beim nächsten Security-Update alle in den Wahnsinn treiben kann, leuchtet mir nicht zwingend ein. 15 Reboots, Bluescreen, schon beginnen die weltweiten Amokläufe.
- Als Kranker hat man immer Schwestern, aber niemals Brüder.

11 – HO
- Wenn das das Leben ist, das sie alle zurückhaben wollen, bitteschön, ich nehme den Rest.
- Welche Verschwörung steckt eigentlich hinter den Ikea-Aufklebern, die sich auch unter Anwendung von Gewalt und anderen Hausmitteln nicht rückstandsfrei von Tellern, Gläsern und allem anderen Scheiß abpolken lassen? Diese Aufkleber wird man in 20.000 Jahren noch auf ausgegrabenen Scherben finden. Unversehrt!
- Für jede Angst gibt es ja einen Phobiefachbegriff. Wie nennt man die Angst davor, dass man auf Bildern von Trottelveranstaltungen und Idiotendemos jemanden entdecken könnte, den man bis dahin eigentlich mochte? Hat die noch jemand?

12 – Reha
- Ambulante Reha ist ein Sammelbecken für Leute von halbtot bis oberflächlich gesehen „unversehrt“.
- Wer nicht schnell genug ist, bekommt eine wildfremde Krankengeschichte verpasst. Ein durchaus lohnender Heilansatz, wie ich finde. Nix wie weg, mir geht’s schon viel besser.
- Ganz eklig: Unvermittelt in die Gesichtsmaske niesen müssen ... igitt.
- Schritte zurück zur Normalität: Die Masken rutschen immer tiefer. Nasenfrei ist inzwischen schon weitgehend „normal“, übernächste Woche dann nur noch gegen das Doppelkinn. Läuft!
- Wer über Homeoffice seufzt und die nervigen Blagen, die er/sie selber verbrochen hat – die Kita und die Schule können nix dafür, dass die so verkorkst sind –, einfach mal ins Gedächtnis rufen, dass Vollbeschäftigungsjammern für viele ein Luxusproblem ist, das sie nur zu gerne hätten.

13 – Reha
- Wirklich seltsame Zeiten, wenn nach so vielen Jahren selbst ein Ronald Reagan nur noch auf dem vorletzten Platz der unfähigsten Präsidentenimitate landet.
- Ein nicht unerheblicher Teil meiner Abneigung gegenüber manchen Menschen ist Ergebnis meines Talents, mich immer so hinzusetzen, dass ich in geschlossenen und/oder öffentlichen Räumen stets einen Zappelphilipp im Blickfeld habe, der mit den Füßen wippt. Wenn ich dürfte, würde ich diesen Leuten Sekundenkleber unter die Schuhe schmieren.
- Sollte mich hier noch mal jemand nach meinen Hobbys fragen, here we go: GNTM-Binge-Drinking (jedes Mal, wenn Heidi kichert, einen heben und bis zur ersten Werbepause durchhalten). MMA-Sudoku. Auf Bahnhofstoiletten abhängen (ich mag einfach den Geruch). Bilder aus Spritzbestecken von Kinderspielplätzen arrangieren. Anonym Nachbarn anzeigen, damit sie nicht vereinsamen. Grabschmuck-Ikebana.
- Schon lange kein „Bleib gesund“ mehr gehört.

14 – HO
- Es ist so, dass man nach der Reha wie nach einem Urlaub im falschen Hotel ohne Ausblick aufs Meer, viel schlechtem Wetter und Brechdurchfall aufgrund der eigenen Unzulänglichkeiten mit der landestypischen Kost, tatsächlich froh ist, wenn es vorbei ist, und man da nie wieder hin will. Das nächste Mal dann lieber vier Wochen Kein-Sterne-Hotel neben der großen Müllkippe von Delhi.
- Sobald es einen Impfstoff gibt, sind selbstverständlich alle Probleme dieser Welt mit einem Schlag gelöst. Alle!
- Jemand, den ich im hintersten, verschimmelten und feuchten Keller der Hölle wissen möchte: Das Arschloch, das den Pfandautomaten von Lidl konstruiert hat, zusammen mit dem Verkäufer und den Trotteln, die das Ding für „gut“ befunden haben. Ihr schuldet der Menschheit Lebenszeit und Nerven im zehnstelligen Bereich.

15 – HO
- Meine Großeltern haben mir eingebläut, dass man immer schön fleißig sein soll, damit man es zu etwas bringt. Das war natürlich gelogen, denn heute weiß ich, dass man entweder mit einem goldenen Löffel im Arsch geboren werden muss oder aber seinen Dödel in die richtige Gans gesteckt haben sollte, um reich einzuheiraten.
- Zurück vom kontaktlosen Bezahlen zum stundenlangen Herauspopeln der Kupfermünzen. Und da fragen sich manche, warum es eine Verschwörung zur Abschaffung des Bargeldes gibt. Sollte es keine geben, wird es höchste Zeit, sie ins Leben zu rufen, ich bin dabei.
- Warten wir den Herbst ab, der wird spannend, sobald die Ex-BWL-Studenten ausgerechnet haben, dass es mit weniger Belegschaft ja auch ganz gut geklappt hat.