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Bianka aus Bochum

Es gibt Menschen, die lesen das Ox schon (fast) so lange, wie es das Heft gibt, also seit 1989. In dieser Serie werden einige davon vorgestellt. Diesmal: Bianka aus Bochum.

Bitte stell dich vor. Alter, Wohnort, was machst und arbeitest du?

Ich heiße Bianka, bin 44 Jahre alt, lebe jetzt seit über zwanzig Jahren in Bochum und bin Sozialpädagogin.

Kannst du dich noch erinnern, seit wann du das Ox liest und wo du es damals gekauft hast?
Im Januar 1990 hat mir mein Onkel meine Bravo mit ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN auf dem Cover weggenommen und mir mit den Worten „Ließ mal was anständiges“ das Ox in die Hand gedrückt. Ich glaube, der erste Artikel den ich dann gelesen hab, war über die SPERMBIRDS. Seitdem ist das Ox nicht mehr wegzudenken. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mir das Ox anfangs selten selbst gekauft hab. Irgendwer hatte immer irgendwo eine Ausgabe rumliegen. Meistens habe ich sie im Plattenladen oder in der Bahnhofsbuchhandlung gelesen, bis jemand gesagt hat, ich soll zahlen oder das Heft weglegen ... Mit dem Umzug hat sich das geändert. In diesem Jahr hab ich mir endlich ein Abo gegönnt.

Was waren damals deine Lieblingsbands, welche sind es heute?
Auf meiner Playlist findet sich überwiegend englischer Punk und Ska, außerdem liebe ich Fun-Punk, weil mir dieses ständige Zeigefinger heben echt auf den Keks geht. CLASH, ADICTS, COCK SPARRER, TOY DOLLS, ANOREXIA ... die Liste ist schier unendlich. MADNESS begleiten mich irgendwie schon immer. Und als Bochumerin hört man einfach mal die mächtigen KASSIERER. RANCID, NOFX, GBH, PETER AND THE TEST TUBE BABIES – ohne die funktioniert einfach mal keine Playlist. THE BABOON SHOW, MARCH und BAD COP/BAD COP sind dazu gekommen... Ich hab ganz viel Deutschpunk vergessen ... HASS und KNOCHENFABRIK ... Warum fragst du denn auch sowas?!

Was denkst du, warum bist du dieser Punk-/Hardcore-Jugendkultur bis heute treu geblieben? Was bedeutet sie dir heute?
Ich habe ganz dringend ein Ventil gebraucht. Als Kind hörte ich zum ersten Mal „Anarchy in the UK“. Endlich mal einer, der so wütend klang, wie ich mich fühlte. Wahrscheinlich steckt auch viel Situationskomik darin, wenn ein zehnjähriges Mädchen durch die Wohnung rennt und brüllt „I wanna be anarchy“. Zu Beginn der 1990er kristallisierte sich aus dem Punk/Hardcore Umfeld eine Bewegung heraus, die mir bis heute nicht nur Möglichkeiten bietet, meinen musikalischen Interessen nachzugehen, sondern auch eine Plattform für meine Sichtweisen und Gedanken darstellt. Ich war immer unfassbar begeistert und glücklich, wenn ich mich mit Freunden auf Konzerten oder im Plattenladen oder mit Musikern und anderen kreativen Köpfen einfach austauschen konnte. Und mal im Ernst jetzt: nichts schmeckt besser als das erste Bier nach einem Konzert - völlig fertig und verschwitzt vom Pogen, wenn es in den Ohren rauscht und piept. Und heute habe ich immer noch tolle Menschen um mich rum und sammle tolle Erinnerungen und Erfahrungen. Leider zur Zeit weniger auf Konzerten. Samstag nach Corona lassen wir es richtig krachen!

Bitte geb uns eine schmeichelhafte Antwort auf die Frage, was dir fehlen würde, wenn es das Ox nicht mehr gäbe.
Ohne das Ox gäbe es in meinem Haushalt kein gedrucktes Magazin mehr. Das wäre nicht nur traurig, es würde mir auch fehlen.

Was liest du als erstes im Ox, was eher selten?
Zuerst blättere ich zu 25/30/40 Jahre später. Jedesmal denke ich: „Waaaaaas?! So lange ist das schon her?!“ Die Kolumnen lese ich als letztes. Grundsätzlich gibt es allerdings keinen Artikel, den ich nicht im Laufe der Zeit mal lese.

Das Ox hat sich im Laufe der Jahre musikalisch geöffnet, jedoch ist der Fokus auf Punk und Hardcore geblieben. Wie ist es mit deinem Musikgeschmack?
Ich würde meinen Musikgeschmack als breitgefächert bezeichnen. Ich bin enorm textaffin. Ein guter Song muss mich ansprechen. Mal melancholisch romantisch, mal klar und hart, gerne mal laut und lustig. Da findest du zwischen THE MEATMEN, SOCIAL DISTORTION und den BLUTJUNGS auch mal THE KINKS oder Degenhardt und Wader. Ich bin in einem 68er Haushalt ohne Fernseher aufgewachsen. Wir hatten Instrumente, Schallplatten und Bücher bis unters Dach. Verschiedene Musikstile waren immer Thema in meinem Leben. So ist das noch heute.

Was findest du gut am Ox?
Endlich mal eine Zeitschrift, die mich einfach abholt. Und zwar seit 31 Jahren. Wow! Keine andere Beziehung in meinem Leben hat bisher so lange gehalten. Ihr solltet euch „von Ox“ nennen. Ich finde es gut, dass die Playlist inzwischen auch bei Streaming-Diensten abgerufen werden kann. Und ich höre mir regelmäßig den Podcast an. Ja, ich bin das, haha.

Und was sollten wir endlich mal ändern (abgesehen von der kleinen Schrift)?
Was habt ihr eigentlich immer alle mit der kleinen Schrift? Viele Infos, wenig Platz. Da muss man Abstriche machen. Da machste nix dran!

Aktuell wird viel über die im Verhältnis geringere Präsenz von Frauen in der Punk- und Hardcore-Szene diskutiert. Wie sehen deine Erfahrungen diesbezüglich aus?
Es bleibt einfach eine Tatsache, dass Frauen in der Hardcore-Szene unterrepräsentiert sind, daran ändert auch die Zunahme von Bands mit weiblicher Beteiligung in den letzten Jahren wenig. Wenn Frauen bei Konzerten als Besucherinnen oder Musikerinnen aktiv sind, unterscheidet sich ihr Auftreten meiner Erfahrung nach kaum von dem der Männer, was jedoch in den meisten Fällen der Musik zuzuschreiben ist. Die wenigen aktiven Frauen werden längst nicht mehr als etwas Ungewöhnliches, Besonderes oder Anderes wahrgenommen. Es werden übrigens kontinuierlich mehr.

Und was wolltest du uns schon immer mal sagen?
Rosen sind rot, Veilchen sind blau, das Ox ist fantastisch, das wisst ihr genau!