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V.A.

Dreams To Fill The Vacuum: The Sound Of Sheffield 1977-1988

George Orwell hat Sheffield mal als „the ugliest town in the Old World“ bezeichnet, heißt es in der Introduction im Booklet dieser 4-CD-Box im Format und in der Aufmachung eines Taschenbuchs. Eine Industriestadt mitten in England, fünfzig Kilometer östlich von Manchester, einer der Ausgangspunkte der Industriellen Revolution, in den Thatcher-Jahren dann im Niedergang und erst in der jüngeren Vergangenheit wieder im Aufschwung.

Was Sheffield aber auch hatte (und hat), ist eine innovative Musikszene. Joe Cocker und DEF LEPPARD interessieren uns in diesem Kontext aber nicht weiter, dass ARCTIC MONKEYS, PULP und MOLOKO von da kommen, ist News aus den Neunzigern, und dass BRING ME THE HORIZON, WHILE SHE SLEEPS und TOLO TOMASSI von da sind, hat auch nicht jeder auf dem Schirm.

Interessant, und darum geht es hier, war die Zeit, die hier von Martin X Russian, damals Herausgeber des NMX-Fanzines, in seinem Geleitwort als „From Glam to Post Punk (and nothing in between)“ beschrieben wird.

Post-Punk, so schreibt er, sei hier quasi schon vor Punk dagewesen, was die Stadt in eine Liga rücke mit Liverpool, Detroit, New York und Kingston. Industrial wurde hier miterfunden von CABARET VOLTAIRE, CLOCK DVA stammen von hier, THE HUMAN LEAGUE, HEAVEN 17 und ABC.

Und unzählige Bands, die nur semi-bekannt, unbekannt oder nicht mehr bekannt sind. Unter Auslassung von CABARET VOLTAIRE (so was hat immer lizenzrechtliche Gründe) wurden hier auf vier CDs 84 Songs von nicht ganz so vielen Bands zusammengestellt, wobei eine chronologische Reihenfolge gewählt wurde.

Und auch wenn die „großen“ Namen in der Minderzahl sind, so ist die Auswahl ausweislich der Verblüffung über die Hitqualitäten einzelner Songs wirklich gelungen – ich muss offen eingestehen, dass mir STUNT KITES bislang unbekannt waren, ihr „Deity’s lament“ aber ein P.i.L.

ebenbürtiger Hit ist. Oder VISION (nein, nicht die US-Hardcore-Band), deren „Lucifer’s friend“ ebenfalls in mein DJ-Set wandern würde, hätte ich denn eines. Ich hätte ohne diese Zusammenstellung auch nie erfahren, dass THOMPSON TWINS nicht nur später eine Teenie-Pop-Band waren, sondern eine kredible Vergangenheit haben („She’s in love with mystery“).

Die Punk-Helden MAU MAUS dürfen natürlich nicht fehlen, wirken aber fast schon wie ein Fremdkörper mit ihrem wüsten Gebrüll („Secret society“). THE HUMAN LEAGUE sind mit „Dancevision“ vertreten, HEAVEN 17 mit einem 12“-Mix von „(We don’t need this) Fascist groove thang“, CLOCK DVA mit einem Remix von „4 hours“, ABC mit „Alphabet soup“, PULP mit „Everybody’s problem“, IN THE NURSERY mit „Iskra“.

Eine spannende Zusammenstellung, zu jedem Song gibt es erläuternde Worte und Abbildungen – spannende musikhistorische Nachhilfe.