V.A.

Heldenstadt anders – Leipziger Underground 1981-1989

Am 9. November 2019 wird der 30. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert, jener Tag, an dem dem letzten SED-Unterdrücker im Politbüro der DDR klar geworden sein dürfte, dass es vorbei ist mit der vom progressiven sozialistischen Experiment zum Polizeistaat mutierten DDR.

Punks konnten und können die DDR nur hassen, die Abweichler wie uns Bunt- und Stachelhaarige immer nur als Feinde und Bedrohung wahrnehmen konnte und entsprechend sanktionierte – Druck, den es freilich im „Freien Westen“ auch gab, wenn auch nicht in so stark institutionalisierter Form.

Erst im Verlauf der Achtziger etablierten sich auch in der DDR gewisse Freiräume, in denen Punks, wenn auch bespitzelt von der Stasi, Bands gründen, Musik aufnehmen und Konzerte veranstalten konnten.

Zum Thema „DDR-Punk“ sind in den letzten drei Jahrzehnten einige Bücher erschienen, es gab Filme und Ausstellungen, diverse Plattenveröffentlichungen mit historischen Aufnahmen. Die Triple-LP-plus-Buch-Veröffentlichung „Heldenstadt anders – Leipziger Underground 1981-1989“ hat sich zur Aufgabe gemacht, den musikalischen und gesellschaftlichen Aufbruch der Achtziger, für den Punk auch stellvertretend stand, in Bezug auf Leipzig zu dokumentieren.

„Kein Bock auf Gleichmacherei“ war essentielle Motivation für Punks in Ost wie West, ganz gleich, ob der Druck nun aus Richtung des kapitalistischen Konsumdrucks kam oder aus sozialistischer Gleichmacherei resultierte.

Im Buch zur Dreifach-LP, das es im annähernden LP-Format auf 148 Seiten und 1 kg Gewicht bringt, findet sich eine reich bebilderte (Fotos, Flyer) Historie des Leipzig-Punk mit Artikeln zu den Bands der Compilation, wobei ich fast am beeindruckendsten die Konzertliste finde: Fast jedes Wochenende konnte man ab Mitte der Achtziger in irgendeinem Proberaum einheimische Bands sehen – und bisweilen sogar Gäste aus dem Westen.

Ebenso spannend: der die Jahre 1979 bis 1989 umfassende Leipziger Bandstammbaum. Erhellend ist auch der Text über den Versuch der DDR-Kulturbürokratie, Rockmusik zu kontrollieren beziehungsweise kontrollierbar zu machen, indem offizielle Veranstaltungen und Strukturen etabliert wurden.

Ein Spannungsfeld, über das bis heute in jedem selbstverwalteten Zentrum diskutiert wird, wenn es um Ablehnung oder Annahme öffentlicher Gelder geht. Auf den drei LPs der Box finden sich 48 Lieder aus dem Leipzig der Achtziger von Bands wie DIE ZUCHT, WUTANFALL, DELTA Z, HAU, L’ATTENTAT (von denen später einer als Stasi-Spitzel enttarnt wurde), SCHANDFLECK, DER SCHWARZE KANAL (super: „Mauerlied“), ZORN, DIE ART, DEFLORATION, TRIEBKRAFT UMSONST, HERT.Z., SANDBERG, THE REAL DEAL und vielen anderen.

Als Gesamtpaket, das den Kontext vermittelt, ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument. Bleibt die Frage, welche Musik, welche Lieder, welche Bands den nächsten gesellschaftlichen Wandel orchestrieren und voranbringen werden.

„Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“ sind mir aktuell leider viel zu unmusikalisch.