V.A.

Gummo

Bei „Gummo“ handelt es sich natürlich um Harmony Korines großartiges Regiedebüt, nach seinem Drehbuch für Larry Clarks „Kids“. Momentan sieht es aber ganz so aus, als ob der Film Besitzern von NTSC-Equipment vorbehalten bleibt, da er in Deutschland wohl nicht erscheinen wird („zu speziell“, Zitat potentieller deutscher Verleiher).

Wirkt der Film schon so, als ob einem jemand 90 Minuten den Finger in den Hals steckt, kann der Soundtrack in voller Länge da locker mithalten – aber auch die Songfetzen im Film waren schon recht beeindruckend.

Aber auch ohne den Film zu kennen, kann man schon anhand der Bandnamen erahnen, aus welcher Richtung hier der Wind weht. Den Anfang machen zwei feine Mosh-Kapellen namens ABSU und EYEHATEGOD, dann kommt der SKINNY PUPPY-artige ELECTRIC HELLFIRE CLUB mit einer derben Elektroniknummer, Katzen-Samples inklusive.

SPAZZ und BETHLEHEM geben danach richtig Gas und schrecken auch nicht vor peinlichen Synthies und sakraler Kirchenscheiße zurück. Besonders BETHLEHEM haben mir es aufgrund ihres tollen Titels „Schuld uns‘res Knöch‘rigen Faltpferd“ (hä?) echt angetan und sind noch ein zweites Mal mit „Verschleierte Irrelgiosität“ (hä?) vertreten.

Dann BURZUM mit dem epischen Ambientgeblubber „Rundgang um die transzendentale Säule der Singularität“. Der Typ sitzt angeblich wegen Mordes im Knast, wenn ich den lieben Casi da richtig verstanden habe.

Vielleicht bringt ihn die Musik ja wieder auf den rechten Weg. Bei BATHORY dürfte klar sein, was einen erwartet, während DARK NOERD mit seltsamen Tripop-Samples und Rumgestöhne doch etwas aus dem Rahmen fallen.

SLEEP (auf Earache) sind ganz klar BLACK SABATH oder ST. VITUS für Arme, wie man‘s nimmt. Besser als nix. Die sind auch zweimal drauf, nämlich noch mal mit 48 Sekunden Country-Gedudel. Desweiteren gibt es noch unvergeßliche Tracks von BRUJERIA, NAMANAX (seltsame Klangcollage), NIFELHEIM mit „Hellish Blasphemy“ (Grunzmetal aus der Klapsmühle), MORTICIAN (recht doomig), MYSTIFIER und MISCHA MAISKY (Band oder Mensch?!) mit was richtig klassischem von Johann Sebastian.

Ich muß ja wirklich zugeben, daß mir bei den meisten Bands der Bezug und echte Vergleichsmöglichkeiten fehlen, aber nachdem ich beim ersten Hördurchgang beinahe gekotzt hätte, stellte sich beim zweiten Mal ein gewisser Gewöhnungseffekt ein.

Hier wird zwar gemosht bis der Arzt kommt, aber mit dem echt tollen Effekt, daß einem dieser Soundtrack richtig physisch spürbares Unwohlsein bereitet und insofern vielleicht schon wieder irgendwelche kathartische Effekte beinhaltet.

Das Ganze ist jedenfalls so krank, daß es schon wieder richtig schick ist, weshalb sich die Spex auch nicht entblöden ließ, das Teil zur Platte des Monats in der Augustausgabe zu machen. Da werden sich die ganzen hippen Klub-Jünger aber gefreut haben.

Der größte Witz an der Sache ist übrigens, daß „Gummo“ ausgerechnet beim englischen Wimp-Label (sorry!) Domino erschienen ist, die ansonsten Bands wie PAVEMENT oder PALACE machen und deren sonstige Klientel angesichts von „Gummo“ garantiert ziemlich begeistert sein wird.

Soviel zum Thema „Zielgruppendenken“.